Die kleine Stadt Titisee-Neustadt
im Schwarzwald ist an diesem Montagabend unvermittelt zum Schauplatz einer Tragödie
geworden. Bei einem Brand in einer Behindertenwerkstatt des katholischen Sozialverbands
Caritas waren 13 Behinderte und eine Betreuerin ums Leben gekommen, neben Fassungslosigkeit
werden aber auch Stimmen laut, die für eine Verschärfung der Brandschutzvorschriften
in Behinderteneinrichtungen plädieren. Die Caritas verspricht umfassende Aufklärung,
doch die Sicherheitsstandards seien bereits sehr hoch gewesen, so Rainer Gantert vom
Freiburger Caritas-Verband im Domradio-Interview. Deshalb sei man nun „umso schockierter“
über das Vorkommnis.
„Wir waren und sind schockiert. Unsere Gebete und
unsere Anteilnahme gelten den Opfern und ihren Angehörigen, wir haben gestern Nachmittag
umgehend, als wir von der Katastrophe Kenntnis erhalten haben, reagiert und haben
unseren psychologischen Dienst nach Neustadt entsandt. Viele Mitarbeiter aus anderen
Einrichtungen sind abgezogen worden und nun dort im Einsatz. Wir kümmern uns auch
um unsere hauptamtlichen Mitarbeiter. Wir sind voller Dank für die Rettungskräfte,
Feuerwehrleute, Notfallseelsorger und für all die Helfer aus der Nachbarschaft aus
der Einrichtung, die gestern eine schwere, aber großartige Arbeit geleistet haben.“
Die
Feuerwehr sei bereits sehr schnell vor Ort gewesen und habe viele Menschen aus dem
brennenden Gebäude gerettet. Doch über die Brandursache herrsche noch Unklarheit:
„Wir
wissen nicht mehr, als was Sie selbst aus den Medien erfahren. Wir haben hohe Sicherheitsstandards
in unseren Einrichtungen und sind deshalb umso schockierter, dass es am helllichten
Tag zu so einer Katastrophe kommen konnte. Wir sind natürlich hochinteressiert daran,
schnell zu erfahren, woran es gelegen hat und wenn es von den staatlichen Ermittlungsbehörden
die Idee gibt, wir könnten bei der Aufklärung helfen, dann stehen wir bereit. Aber
zunächst einmal ist das natürlich Sache der Polizei vor Ort.“
Die Caritas
stehe in engem Kontakt mit den Angehörigen der Opfer, aber, so ein sichtlich erschütterter
Caritas-Präsident Peter Neher im ZDF-Morgenmagazin, für Trost sei es in diesem Stadium
wohl noch zu früh:
„Zunächst ist es einfach nur etwas, was einen mit Entsetzen
erfüllt, und ich glaube, dass es erst einmal notwendig ist, dieses schreckliche Ereignis
bewusst zu machen und zu verarbeiten. Vielleicht mag es irgendwann einmal ein Trost
sein, dass tatsächlich alles getan wurde, um Leben zu retten, aber ich glaube, zunächst
brauchen die Trauer und das Entsetzen und der Schmerz einen Ort, um überhaupt bewusst
zu sein.“
Momentan sei es unerklärlich, wie es zu solch einem Unglück kommen
konnte. Doch die Experten seien nun vor Ort an der Arbeit, um die Ursachen zu erforschen
und eventuelle Maßnahmen für die Zukunft zu finden. Die Einrichtungen der Behindertenwerkstätten
seien jedoch unglaublich wichtig gerade für Menschen mit mehrfacher Behinderung, so
Peter Neher:
„Es gibt kaum ein Auto, in dem nicht irgendein Teil steckt
– oft ein elektronisches - das in einer Werkstatt von Behinderten hergestellt worden
ist. Das ist nicht einfach der Teil der Menschen, die einen amtlichen Schwerbehindertenausweis
haben, sondern das sind Menschen, denen es schwer fällt, sich zu äußern oder sich
zu bewegen. Für Menschen mit Behinderungen in einer solchen Werkstätte ist das oft
wesentlich mehr, als nur ein Arbeitsplatz, sondern das ist ein Stück Lebensbewältigung
und Teilhabe am Leben.“
Ebenfalls im Morgenmagazin gab der Brandschutzexperte
Jens-Christian Voss eine vorsichtige erste Einschätzung des Vorfalls ab. Zwar sei
die Feuerwehr schon sehr schnell am Unglücksort gewesen, doch die Aufgabe, körperlich
und geistig Behinderte evakuieren zu müssen, sei mit besonderen Schwierigkeiten versehen:
„Das
Problem im Brandfall ist, dass wir schnell eine Verrauchung haben werden. Wenn wir
selbst unser eigenes Gebäude evakuieren müssten, könnten wir selbst laufen und schnell
richtig reagieren. Bei Behinderten haben wir unter Umständen verlängerte Reaktionszeiten
oder irrationales Handeln und das macht es sehr viel schwerer. Wenn Sie dann als Rollstuhlfahrer
im Brandfall vor einer Treppe stehen, wissen Sie, dass Sie sich nicht selbst helfen
können, und das ist natürlich eine Katastrophe.“
Seiner Ansicht nach müssten
Behinderteneinrichtungen mit noch spezielleren Brandschutzvorschriften geregelt werden.
„Es
gibt sicherlich genügend Regelungen im Brandschutzrecht und im Baurecht. Das Problem
ist nun, dass Behindertenwerkstätten nicht ins Sonderbaurecht fallen, sie gelten
als so genannte ungeregelte Sonderbauten, und sollten sicherlich in Zukunft mit zusätzlichen
Auflagen geregelt werden.“
Nach dem schweren Brand in einer Behindertenwerkstatt
im Schwarzwald, bei dem 14 Menschen ums Leben gekommen sind, dauern die Ermittlungen
an. Unter den Opfern sind Betreuer und Behinderte. Sie seien vermutlich an Rauchvergiftung
gestorben, teilte die Einsatzleitung in Titisee-Neustadt mit. Der Großbrand ist die
bislang folgenschwerste Katastrophe in einer Einrichtung dieser Art in Deutschland.
Das Unglück löste große Anteilnahme aus. Neben Bundespräsident Joachim Gauck bekundete
auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sein Beileid. Der Freiburger Erzbischof
Robert Zollitsch rief zum Gebet für die Opfer auf. „Wir beten für die Opfer, ihre
Angehörigen und Freunde sowie für alle Rettungskräfte. Auch den Menschen, die bei
der Feuerkatastrophe verletzt wurden, gelten unsere mitfühlenden Gedanken", erklärte
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Montagabend in Freiburg-- Als das
Feuer ausbrach, befanden sich 120 Menschen in dem Gebäude. Die Feuerwehr konnte in
einer dramatischen Aktion viele der behinderten Menschen aus der Einrichtung der Caritas
retten. Die Unglücksursache ist noch unklar. Möglicherweise explodierten in einem
Lagerraum Chemikalien.