2012-11-27 14:10:14

D: Trauer und Entsetzen im Schwarzwald


RealAudioMP3 Die kleine Stadt Titisee-Neustadt im Schwarzwald ist an diesem Montagabend unvermittelt zum Schauplatz einer Tragödie geworden. Bei einem Brand in einer Behindertenwerkstatt des katholischen Sozialverbands Caritas waren 13 Behinderte und eine Betreuerin ums Leben gekommen, neben Fassungslosigkeit werden aber auch Stimmen laut, die für eine Verschärfung der Brandschutzvorschriften in Behinderteneinrichtungen plädieren. Die Caritas verspricht umfassende Aufklärung, doch die Sicherheitsstandards seien bereits sehr hoch gewesen, so Rainer Gantert vom Freiburger Caritas-Verband im Domradio-Interview. Deshalb sei man nun „umso schockierter“ über das Vorkommnis.

„Wir waren und sind schockiert. Unsere Gebete und unsere Anteilnahme gelten den Opfern und ihren Angehörigen, wir haben gestern Nachmittag umgehend, als wir von der Katastrophe Kenntnis erhalten haben, reagiert und haben unseren psychologischen Dienst nach Neustadt entsandt. Viele Mitarbeiter aus anderen Einrichtungen sind abgezogen worden und nun dort im Einsatz. Wir kümmern uns auch um unsere hauptamtlichen Mitarbeiter. Wir sind voller Dank für die Rettungskräfte, Feuerwehrleute, Notfallseelsorger und für all die Helfer aus der Nachbarschaft aus der Einrichtung, die gestern eine schwere, aber großartige Arbeit geleistet haben.“

Die Feuerwehr sei bereits sehr schnell vor Ort gewesen und habe viele Menschen aus dem brennenden Gebäude gerettet. Doch über die Brandursache herrsche noch Unklarheit:

„Wir wissen nicht mehr, als was Sie selbst aus den Medien erfahren. Wir haben hohe Sicherheitsstandards in unseren Einrichtungen und sind deshalb umso schockierter, dass es am helllichten Tag zu so einer Katastrophe kommen konnte. Wir sind natürlich hochinteressiert daran, schnell zu erfahren, woran es gelegen hat und wenn es von den staatlichen Ermittlungsbehörden die Idee gibt, wir könnten bei der Aufklärung helfen, dann stehen wir bereit. Aber zunächst einmal ist das natürlich Sache der Polizei vor Ort.“

Die Caritas stehe in engem Kontakt mit den Angehörigen der Opfer, aber, so ein sichtlich erschütterter Caritas-Präsident Peter Neher im ZDF-Morgenmagazin, für Trost sei es in diesem Stadium wohl noch zu früh:

„Zunächst ist es einfach nur etwas, was einen mit Entsetzen erfüllt, und ich glaube, dass es erst einmal notwendig ist, dieses schreckliche Ereignis bewusst zu machen und zu verarbeiten. Vielleicht mag es irgendwann einmal ein Trost sein, dass tatsächlich alles getan wurde, um Leben zu retten, aber ich glaube, zunächst brauchen die Trauer und das Entsetzen und der Schmerz einen Ort, um überhaupt bewusst zu sein.“

Momentan sei es unerklärlich, wie es zu solch einem Unglück kommen konnte. Doch die Experten seien nun vor Ort an der Arbeit, um die Ursachen zu erforschen und eventuelle Maßnahmen für die Zukunft zu finden. Die Einrichtungen der Behindertenwerkstätten seien jedoch unglaublich wichtig gerade für Menschen mit mehrfacher Behinderung, so Peter Neher:

„Es gibt kaum ein Auto, in dem nicht irgendein Teil steckt – oft ein elektronisches - das in einer Werkstatt von Behinderten hergestellt worden ist. Das ist nicht einfach der Teil der Menschen, die einen amtlichen Schwerbehindertenausweis haben, sondern das sind Menschen, denen es schwer fällt, sich zu äußern oder sich zu bewegen. Für Menschen mit Behinderungen in einer solchen Werkstätte ist das oft wesentlich mehr, als nur ein Arbeitsplatz, sondern das ist ein Stück Lebensbewältigung und Teilhabe am Leben.“

Ebenfalls im Morgenmagazin gab der Brandschutzexperte Jens-Christian Voss eine vorsichtige erste Einschätzung des Vorfalls ab. Zwar sei die Feuerwehr schon sehr schnell am Unglücksort gewesen, doch die Aufgabe, körperlich und geistig Behinderte evakuieren zu müssen, sei mit besonderen Schwierigkeiten versehen:

„Das Problem im Brandfall ist, dass wir schnell eine Verrauchung haben werden. Wenn wir selbst unser eigenes Gebäude evakuieren müssten, könnten wir selbst laufen und schnell richtig reagieren. Bei Behinderten haben wir unter Umständen verlängerte Reaktionszeiten oder irrationales Handeln und das macht es sehr viel schwerer. Wenn Sie dann als Rollstuhlfahrer im Brandfall vor einer Treppe stehen, wissen Sie, dass Sie sich nicht selbst helfen können, und das ist natürlich eine Katastrophe.“

Seiner Ansicht nach müssten Behinderteneinrichtungen mit noch spezielleren Brandschutzvorschriften geregelt werden.

„Es gibt sicherlich genügend Regelungen im Brandschutzrecht und im Baurecht. Das Problem ist nun, dass Behindertenwerkstätten nicht ins Sonderbaurecht fallen, sie gelten als so genannte ungeregelte Sonderbauten, und sollten sicherlich in Zukunft mit zusätzlichen Auflagen geregelt werden.“

Nach dem schweren Brand in einer Behindertenwerkstatt im Schwarzwald, bei dem 14 Menschen ums Leben gekommen sind, dauern die Ermittlungen an. Unter den Opfern sind Betreuer und Behinderte. Sie seien vermutlich an Rauchvergiftung gestorben, teilte die Einsatzleitung in Titisee-Neustadt mit. Der Großbrand ist die bislang folgenschwerste Katastrophe in einer Einrichtung dieser Art in Deutschland. Das Unglück löste große Anteilnahme aus. Neben Bundespräsident Joachim Gauck bekundete auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sein Beileid. Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch rief zum Gebet für die Opfer auf. „Wir beten für die Opfer, ihre Angehörigen und Freunde sowie für alle Rettungskräfte. Auch den Menschen, die bei der Feuerkatastrophe verletzt wurden, gelten unsere mitfühlenden Gedanken", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Montagabend in Freiburg-- Als das Feuer ausbrach, befanden sich 120 Menschen in dem Gebäude. Die Feuerwehr konnte in einer dramatischen Aktion viele der behinderten Menschen aus der Einrichtung der Caritas retten. Die Unglücksursache ist noch unklar. Möglicherweise explodierten in einem Lagerraum Chemikalien.

(zdf/domradio/kna 27.11.2012 cs)











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