Ägypten: „Demokraten sprießen nicht so einfach aus dem Boden“
Ägypten kommt nicht
zur Ruhe. Nach den jüngsten Entscheidungen von Präsident Mursi wird er von internationalen
Medien und auch im Land selbst als „neuer Pharao“ bezeichnet, bei Protesten gegen
ihn auf dem Tahrir-Platz in Kairo kam ein Mensch ums Leben. Die Entscheidung des Präsidenten,
seine Dekrete als nicht anfechtbar zu erklären, bewerten die Menschen als Versuch,
das Justizsystem des Landes auszuhebeln. Das Präsidialamt bekräftigte am Sonntag,
dass diese Anordnung nur vorübergehend gelte. Trotzdem ist die Situation verfahren.
Der Afrika-Referent des Erzbistums Köln, Nadim K. Ammann, wirbt im Kölner Domradio
dennoch für Geduld:
„Die Entscheidung des Präsidenten überschreitet alles,
was wir sonst an demokratischen Mitteln kennen - es ist nämlich nicht demokratisch.
Mit dieser Entscheidung hat er zunächst einmal dafür gesorgt, dass das Volk entzweit
ist. Die große Mehrheit der Liberalen sehen darin ganz klar Machtmissbrauch, während
die Partei des Präsidenten, die Muslimbrüder und die Salafisten jubeln und sich wie
die neuen Herren aufführen. Für die Entwicklung Ägyptens hin zu einer Demokratie kann
das nicht gut sein. Man muss abwarten, wie sich der Präsident entwickelt, der ja oft
bekundet hat, Präsident aller sein zu wollen. Deshalb ist er ja auch aus der Muslimbruderpartei
ausgetreten. Man muss Geduld haben. Mursi wurde gerade erst gewählt, das Land hat
80 Millionen Einwohner, da kann man nicht erwarten, dass nach so vielen Jahren der
Diktatur von heute auf morgen Demokraten aus dem Boden schießen. Auf der anderen Seite
hatte sich noch nicht einmal Mubarak über Verfassung und Gesetz hinweggesetzt. Hier
wird Mursi zu Recht als Pharao bezeichnet.”