2012-11-19 14:30:27

Anglikaner stimmen über Bischöfinnen ab


RealAudioMP3 In dieser Woche geschieht Entscheidendes für das katholisch-anglikanische Verhältnis der Zukunft: Ab diesem Montag tritt in London für drei Tage die Generalsynode der anglikanischen „Kirche von England“ zusammen. Sie wird darüber entscheiden, ob Frauen künftig auch zu Bischöfinnen geweiht werden können. Die Priesterweihe bekommen sie längst, und schon das hat die anglikanische Weltkirche an den Rand der Spaltung gebracht. 2005 hatte die Synode bereits grundsätzlich Ja zu Bischöfinnen gesagt, aber ohne entsprechende Auswirkungen für das Kirchengesetz. Rowan Williams ist der scheidende anglikanische Primas und Erzbischof von Canterbury; er hatte lange laviert, um den Keil in seiner Kirche nicht noch tiefer zu treiben. Doch inzwischen hat er sich entschieden: für die „women bishops“. „Genug gewartet“, heißt eine Kampagne des Primas, die für ein Ja zu Bischöfinnen wirbt.

Vor langer Zeit
„Der Prozess hat vor sehr langer Zeit begonnen, und in den letzten Jahren hat die Generalsynode mehr als einmal über dieses Thema debattiert; alle Bistümer der Kirche von England hatten die Chance, ihre Sicht darzulegen“, so Erzbischof Williams in einer Radioansprache. „Seit Februar wissen wir, dass wirklich eine überwältigende Mehrheit der Kirche von England Frauen als Bischöfe will! Es wurde aber auch klar, dass alle eine saubere Lösung wollen für die, die Bischöfinnen aus Gewissensgründen ablehnen und Schwierigkeiten damit hätten, ihren Dienst zu akzeptieren.“

Genau dieser Spagat wird jetzt in London versucht. Den Gegnern einer Bischofsweihe für Priesterinnen wird ein Kompromiss angeboten: Sie können in ihren Gemeinden die Dienste eines männlichen Bischofs von auswärts in Anspruch nehmen, wenn ihr eigenes Bistum von einer Bischöfin geleitet wird. Doch die Bischöfin ist natürlich auch in einer solchen traditionalistischen Pfarrei vollauf weisungsberechtigt. Die Befürworter der „women bishops“ brauchen eine Zweidrittelmehrheit. Wie sein designierter Nachfolger Justin Welby hofft auch der scheidende „Archbishop of Canterbury“ Williams, dass seine Kirche über diesem Thema nicht zerfällt – er mahnt alle Seiten zu Respekt.

Respekt und Abmachung
„Respekt ist das Entscheidende. Er bedeutet, dass man die anderen in ihrer eigenen Sicht gelten lässt. Dass man sie selbst definieren lässt, was sie glauben und wer sie sind. Es geht um eine Abmachung, die allen zu sagen erlaubt: Unsere Sicht ist ernst genommen worden! Die Bischöfe hoffen, dass die Synode einen akzeptablen Weg nach vorne findet, der uns allen erlaubt, vom Dienst von Bischöfinnen bereichert und belebt zu werden. Ich freue mich darauf, zusammen mit vielen meiner Kollegen!“

Das Problem sind die, die sich nicht so sehr auf Bischöfinnen freuen. Etwa zwanzig Prozent der Mitglieder der „Kirche von England“ sollen gegen die Bischofsweihe für Frauen sein, aus biblischen Gründen. Draußen in der weiten Welt, wo inzwischen eine Mehrheit der anglikanischen Weltgemeinschaft lebt, ist die Zahl der Bischöfinnen-Gegner noch höher – vor allem im traditionelleren Afrika. Auch Freunde der Anglikaner in der ökumenischen Landschaft warnen vor dem Schritt: die russisch-orthodoxe Kirche unlängst in einem Schreiben an den künftigen Primas, und die katholische Kirche sowieso. Orthodoxe wie Katholiken sagen ja schon zu Priesterinnen nein – von Bischöfinnen ganz zu schweigen.

Unterschiedliche Richtungen
„Beide haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert, die römisch-katholische und die anglikanische Familie“, sagt Williams dazu im Gespräch mit Radio Vatikan „Sie haben sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt, das ist einfach eine Realität. Wir warten nicht immer auf den anderen, wenn wir uns verändern, das ist Tatsache... Was Bischöfinnen betrifft, werden wir schon innerhalb der Kirche von England keine für alle akzeptable Lösung finden können, das wäre sonst ein echtes Wunder. Aber die Bischöfe haben viel Blut, Schweiß und Tränen daran gesetzt, eine Balance zu finden, die der Minderheit gegenüber großzügig genug ist und doch im Grundsätzlichen eindeutig genug. Viel Arbeit und Gebet ist dahinein geflossen; ich bin zuversichtlich, dass sie nicht umsonst waren.“

Lehnt die Synode in diesen Tagen den Gesetzentwurf ab, dann ist er endgültig gescheitert; kommt er hingegen durch, dann könnten schon 2014 die ersten Frauen die Bischofsweihe erhalten. „Eine Kirche, die Frauen zu Priestern weiht, aber nicht zu Bischöfen, wäre unnormal“, argumentiert der Primas, und unter der Überschrift „Genug gewartet“ springen ihm viele hochrangige Mitglieder der Kirche von England in Videobotschaften bei. Steven Croft, der Bischof von Sheffield, beruft sich auf einen britischen Säulenheiligen:

Jeder seine Pflicht erfüllt
„1805 gab Admiral Nelson an seine Flotte die berühmteste Losung der Seefahrtsgeschichte aus: England erwartet, dass jeder seine Pflicht erfüllt. Ich glaube, unser Land schickt der Generalsynode jetzt dasselbe Signal. Die meisten Menschen, denen die Kirche von England in Pfarreien landesweit dient, wollen Bischöfinnen. Die Gesellschaft erwartet von uns eine positive Entscheidung, und dass wir vorwärtsgehen!“ Die Bibel verbietet Bischöfinnen nicht, ist Croft überzeugt: „Maria Magdalena war die erste Zeugin der Auferstehung Jesu, und Paulus erwähnt viele Frauen als Mit-Leiterinnen und Mitarbeiterinnen. Natürlich ist es wichtig, dass wir mit anderen christlichen Kirchen im Gleichschritt bleiben – und darüber haben wir sehr lange nachgedacht. Aber die Mehrheit von uns glaubt, dass wir diese Entscheidung jetzt treffen können, auch weil wir viele solcher Entscheidungen in der Vergangenheit getroffen haben.“

„Ich bin leidenschaftlich für Bischöfinnen, weil ich mit vielen Frauen in der Kirche zusammenarbeite“, sagt Bischof Pete Broadbent von Willesden. „Es liegt auch eine Logik darin, denn wir haben ja schon Priesterinnen, da ist der nächste Schritt nur logisch. Wenn Sie gegen Bischöfinnen sind – darf ich Sie bitten, das noch einmal zu überdenken? Denn ich glaube, es ist wichtig, dass wir diesmal eine Zweidrittelmehrheit zusammenbekommen und nicht in den Augen der Gesellschaft völlig bescheuert dastehen und dann noch einmal fünf oder zehn Jahre lang von neuem über dieses Thema diskutieren.“

„Viele von uns fragen sich: Warum reden wir solange über das Thema, warum gehen wir nicht hin und machen es jetzt einfach?“ Das fragt Rebecca Swinson, jüngstes Mitglied aller Zeit im Erzbischöflichen Rat von Canterbury. „Es ist doch seltsam, dass wir jetzt Frauen auf allen Ebenen der Kirche haben, nur nicht im Bischofsamt. Wir sollten jetzt zeigen, dass Frauen in der anglikanischen Kirche wirklich akzeptiert und in ihrem Dienst gewürdigt werden. Und die nächsten fünf oder zehn Jahre sollten wir dann über die wichtigeren Themen diskutieren: unser Gesundheitssystem zum Beispiel! Das, was den Leuten wirklich am Herzen liegt.“

Die Generalsynode der anglikanischen Kirche von England trifft in den nächsten Tagen eine – so oder so – historische Entscheidung. Im Vatikan wird man das aufmerksam verfolgen.

(rv 19.11.2012 sk)







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