Die christlichen Vertreter in der Verfassungsversammlung haben am Samstag offiziell
ihre Mitarbeit aufgekündigt. Die Entwicklung in dem Gremium stelle „nicht sicher,
dass die Verfassung einen nationalen Konsens findet oder die Identität Ägyptens widerspiegelt“.
Das erklärte der Interimsleiter der koptischen Kirche, Bischof Pachomius, in einer
gemeinsamen Stellungnahme aller christlichen Konfessionen des Landes. Die Kirchen
stünden mit ihrer Missbilligung in einer Linie mit der Mehrheit der Ägypter, so der
Bischof laut der ägyptischen Zeitung „Ahram Online“ vom Samstagabend. Welche Punkte
des Verfassungsentwurfs die Kirchen konkret kritisieren, führte der Bischof nicht
aus. Bereits Donnerstag hatten Vertreter der koptisch-orthodoxen, der katholischen
und der protestantischen Kirche gemeinsam beschlossen, sich aus Protest gegen islamistische
Tendenzen aus dem Verfassungsprozess zurückzuziehen. Unterdessen droht der Versammlung
eine Auflösung per Gerichtsurteil. Ein anhängiges Verfahren bestreitet, dass die Nominierung
der Mitglieder der Verfassungsversammlung durch das inzwischen aufgelöste Parlament
rechtmäßig war. Am Montag hatte das neue Oberhaupt der größten Kirche in Ägypten,
der koptische Patriarch Tawadros II., einen Rückzug der Kopten aus dem Verfassungsgremium
für den Fall angedroht, dass islamistische Kräfte sich mit ihren Interessen durchsetzten.
Der Patriarch sprach sich dabei für einen Beibehalt des Artikels 2 aus der alten Verfassung
aus. Dieser nennt die „Prinzipien der Scharia“ als Grundlage der Gesetzgebung. Salafisten
wollen dies auf die „Regeln der Scharia“ zuspitzen. Tawadros II. betonte dabei, seine
Kirche arbeite mit Experten der sunnitischen Al-Azhar-Universität an einer konsensfähigen
Formulierung der umstrittenen Artikel. Der endgültige Entwurf für eine neue ägyptische
Verfassung soll nach bisherigem Stand am 12. Dezember vorgelegt werden. Von den
einhundert Mitgliedern der Verfassungsversammlung sind 15 Christen. Vier von ihnen
- zwei orthodoxe Kopten, ein Protestant und der koptisch-katholische Bischof Yohanna
Qulta - wurden direkt von ihren Kirchen als Vertreter benannt. (kna 18.11.2012
pr)