Österreich: Theologie Ratzingers durchweht „Wind der Freiheit“
Die Theologie von
Joseph Ratzinger – jetzt Papst Benedikt XVI. – ist durchweht von einem „Wind der Freiheit“.
Das hat der Bischof von Lyon, Kardinal Philipp Barbarin, bei einem Vortrag am Freitag
in Stift Heiligenkreuz betont. Darin wisse sich die päpstliche Theologie zugleich
in der Spur der großen Theologen Hans Urs von Balthasar (1905-1988) und Henri de Lubac
(1896-1991) und ihren bahnbrechenden theologischen Neuaufbrüchen, so Barbarin. In
allen drei Werken flössen die Begriffe Liebe, Freiheit und Wahrheit gleichermaßen
zusammen.
Barbarins Vortrag eröffnete zugleich eine internationale Fachtagung
zur „Mitte der Theologie im Werk von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.“, die noch bis
Samstag an der philosophisch-theologischen Hochschule des Wienerwaldstiftes stattfand.
Unter den Referenten waren neben Barbarin auch Kurienerzbischof Barthélemy Adoukonou,
Kardinal Christoph Schönborn, der Madrider Weihbischof Juan Antonio Martínez Camino,
die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, der Freiburger Theologe Helmut
Hoping, der Sprecher des Ratzinger-Schülerkreises, P. Stephan Otto Horn, und andere.
Umfassende Synthese Die Mitte der päpstlichen Theologie sei
- ebenso wie bei den theologischen Werken von Balthasars und de Lubacs - in der Kunst
einer umfassenden Synthese von theologischem Denken und kulturellen Faktoren zu sehen.
Die Überzeugung, dass die Wahrheit Gottes auch die Kultur durchdringe, würden die
Autoren ebenso teilen wie ein Unbehagen im Blick auf eine von Weltbezügen abgekoppelte
scholastische Theologie.
Dagegen würden sie eine Wiederentdeckung der Theologie
der Kirchenväter für heute vorantreiben: „Sie nehmen alle nicht hin, dass die theologischen
Summen aus dem Mittelalter die Kirchenväter in Vergessenheit geraten lassen.“ Letztlich
sei dies auch einer der Zentralgedanken von Papst Johannes XXIII. bei dessen Formulierung
des „Aggiornamento“ gewesen, so Barbarin. Denn dies meine schließlich, ein neues „ans
Tageslicht holen erborgener Schätze“.
Schönborn: Mitte des Glaubens Die
Theologie von Papst Benedikt XVI. führt in die Mitte des christlichen Glaubens überhaupt:
zur Person Jesu Christi. Das hat der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn,
bei seinem Vortrag in Stift Heiligenkreuz am Freitagnachmittag unterstrichen. Im Vorfeld
der für kommende Woche angekündigten Veröffentlichung des dritten Bandes der Jesus-Trilogie
des Papstes verwies Schönborn erneut auf die christologische Speerspitze des Denkens
des Papstes. Diesem gehe es in erster Linie darum, „Freundschaft mit Jesus“ zu schließen
und einen unmittelbar existenziellen Zugang zu Leben und Person Christi zu erschließen.
Dies sei „das Fundament all seiner christologischen Reflexionen“, so Schönborn.
Zu
den herausragenden Werken Joseph Ratzingers gehöre laut Schönborn neben dem wissenschaftlichen
Werk vor allem die Sammlung seiner Predigten. Denn gerade darin komme die Verbindung
von existenziellem Zugang, Freundschaft und wissenschaftlicher Reflexion zum Ausdruck:
„Ich wage zu sagen, dass die Predigten Joseph Ratzingers einmal neben Augustinus in
den großen Predigtsammlungen stehen werden“, so der Kardinal.
Wissenschaftliche
Aufrichtigkeit Zugleich weise die päpstliche Christologie eine große wissenschaftliche
Aufrichtigkeit auf - etwa in der zentralen Frage, „inwieweit wir einen Zugang zur
Gestalt Jesu finden, der auch Bestand hat vor der kritischen Vernunft der historischen
Kritik, vor der berechtigterweise kritisch hinterfragenden Exegese“.
Damit
verwies Schönborn zugleich auf die Antwort Benedikts XVI., die dieser im ersten Band
seiner Jesus-Trilogie mit dem Stichwort einer „kanonischen Exegese“ gegeben habe.
Dieser Zugang zum biblischen Zeugnis stelle bewusst die "Erkenntnis des vollen Lichtes
des Geheimnisses Christi" an den Anfang - und sie setze gerade nicht, wie die historisch-kritische
Exegese, „mit Ahnungen und vagen Hypothesen“ an. Am Anfang jeder wissenschaftlichen
Auseinandersetzung stehe stets „die Begegnung mit Christus“.
Schönborn würdigte
außerdem die besondere Sensibilität, die Benedikt XVI. in dieser Frage auch den Einwänden
zur Person Jesu von Seiten des Judentums entgegenbringe. Nicht zuletzt besteht ein
zentraler Teil des ersten Jesus-Buches des Papstes aus einer Auseinandersetzung mit
einem Jesus-Buch des Rabbiners Jacob Neusner.