Pax Christi fordert Gewaltstopp nach Eskalation im Heiligen Land
Nach der jüngsten
Eskalation im Konflikt zwischen Israel und Palästina fordert die katholische Friedensbewegung
Pax Christi einen sofortigen Stopp der Gewalt. Die Zivilbevölkerung leide auf beiden
Seiten massiv unter dem andauernden Beschuss, sagte die Vizepräsidentin von Pax Christi
Deutschland, Wiltrud Rösch-Metzler, an diesem Donnerstag im Interview mit Radio Vatikan.
Am zweiten Tag in Folge griffen israelische Streitkräfte an diesem Donnerstag verschiedene
Ziele im Gazastreifen an, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu schloss eine Ausweitung
der Offensive nicht aus. Der UNO-Sicherheitsrat kam angesichts der Explosion der Gewalt
am Mittwochabend zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.
Militante Palästinenser
hatten seit Mittwochabend Dutzende Raketen in Richtung Israel abgefeuert; Israel reagierte
am Mittwoch mit der gezielten Tötung des Hamas-Militärchefs Ahmed al-Dschabari. Laut
Medienangaben hatte die neue Runde der Gewalt zwischen Palästina und Israel am Samstag
begonnen. Ein israelischer Jeep wurde offenbar von einer Rakete aus dem Gazastreifen
getroffen, dabei wurden vier Soldaten zum Teil schwer verletzt worden. Israel reagierte
mit massiven Vergeltungsschlägen.
Im Folgenden lesen Sie unser Interview
mit Wiltrud Rösch-Metzler von Pax Christi Deutschland in voller Länge. Die Audiovision
hören Sie durch Anklicken des Lautsprechersymbols oben links.
Frau
Rösch-Metzler, nach der gezielten Tötung des Hamas-Militärchefs Ahmed al-Dschabari
in Gaza hat sich der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis weiter verschärft.
Was für Auswirkungen haben die Militärschläge für die Zivilbevölkerung auf palästinensischer
und israelischer Seite gehabt? Sind Sie in Kontakt mit Menschen vor Ort?
„Die
Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind verheerend. Sie lebt in Angst und Schrecken
vor den Bombardierungen und den Raketen, die Menschen in Südisrael und in Gaza müssen
um ihr Leben fürchten. Mit Trauer blicken wir auf die bislang gemeldeten Toten auf
palästinensischer Seite und die israelischen Opfer. Für die Bewohner des Gaza-Streifens,
die meisten sind ja Jugendliche und Kinder, kommt jetzt das Trauma des Gaza-Krieges
von 2009 wieder hoch: keine Bunker zu haben, über keine Grenze flüchten zu können,
weil der Gazastreifen ja abgeriegelt ist. Gestern Abend konnte ich noch mit einem
Bekannten im Gazastreifen sprechen. Seine Kinder waren im Bett, aber im Hintergrund
hörte ich die Bombeneinschläge und irgendwann auch die Kinder weinen. Heute wird es
von der israelischen Friedensbewegung noch Demonstrationen in Tel Aviv geben – gegen
den Krieg.“
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat vor einer Eskalation der
Gewalt und einem neuen Gaza-Krieg gewarnt. Meinen Sie, die Lage wird sich wieder beruhigen
oder ist ein solches, erschreckendes Szenario realistisch?
„Die israelische
Regierung hat angekündigt, ihre Angriffe weiterzuführen. Und die Hamas will den Tod
ihres Militärführers rächen. Beides deutet also nicht auf einen sofortigen Rückgang
der Gewalt hin. Sorgen muss der Internationalen Gemeinschaft auch die Erfahrung aus
dem Gaza-Krieg 2009 mit damals über 1300 toten Palästinensern und über einem Dutzend
israelischen Toten machen. Die Kriegsverbrechen von damals sind immer noch nicht aufgearbeitet.“
Israel
steht vor den Wahlen, die Palästinenser haben in den letzten Monaten verstärkt die
internationale Anerkennung eines eigenen, möglichen Staates gefordert. Warum eskaliert
die Situation in Gaza-Israel genau jetzt? In welchem internationalen und regionalen
Zusammenhang würden Sie diese Eskalation der Gewalt stellen?
„Viele Beobachter,
auch in der israelischen Friedensbewegung, sehen in den Angriffen gegen Gaza eine
Wahlkampftaktik. Damit Wolle Netanjahu zeigen, Israel ist bedroht, und er will natürlich
ablenken von Gerechtigkeitsfragen, die eigentlich in Israel anstehen. Es geht ja um
bezahlbare Mieten und Lebensmittel. Gaza geht es insgesamt schlecht. Den Zugang für
Waren und Menschen von und nach Gaza hält die israelische Regierung nun schon seit
vielen Jahren gesperrt. Erst vor Kurzem hat aber der Emir von Katar den Gazastreifen
besucht und ein großes Wohnungsbauprogramm versprochen, was den Menschen dort Hoffnung
gemacht hat. Solch einen kleinen Hoffnungsschimmer erstickt man nun durch Bombardierungen.“
Rückt
nach der jüngsten Eskalation eine „gütliche Lösung“ in immer weitere Ferne? Was könnten
überhaupt Lösungswege sein?
„Also die jetzige dramatische Lage bringt wieder
einmal ins Bewusstsein, dass die Lösung des Nahostkonfliktes von Jahrzehnt zu Jahrzehnt
verschoben wird. In den Oslo-Verhandlungen anerkannte die palästinensische Befreiungsorganisation
PLO den Staat Israel und gab sich mit 22 Prozent des ehemaligen britischen Mandatsgebietes
Palästina zufrieden. Für eine Zweistaatenlösung wird es aber bald kein Land mehr geben,
weil auch diese 22 Prozent durch israelischen Siedlungsbau infrage gestellt sind.
Was aussteht ist, dass Israel den Staat Palästina anerkennt.“
Was fordert
Pax Christi angesichts der aktuellen Entwicklungen?
„Wir appellieren an
die beiden Konfliktparteien, sich die Nöte der Zivilbevölkerung vor Augen zu führen
und ihre Militäraktionen sofort einzustellen. Die Internationale Gemeinschaft muss
mit Nachdruck auf die Öffnung des Gazastreifens drängen und auf eine Lösung des Nahostkonfliktes
hin die Hamas als einen der politischen Akteure im innerpalästinensischen Kräfteverhältnis
mit berücksichtigen. Und natürlich bitten wir auch alle um das Gebet für Frieden.“