USA: Minderheiten entscheidend für Obamas Wahlsieg
Amerika hat einen
neuen alten Präsidenten. Für Barack Obamas Wahlsieg, der im Gegensatz zu den Wahlen
von vor vier Jahren denkbar knapp ausgefallen ist, waren die Stimmen der Minderheiten
im allgemeinen, aber vor allem diejenigen der Hispanoamerikaner entscheidend. Das
sagte uns der scheidende amerikanische Botschafter am Heiligen Stuhl, Miguel H. Diaz,
bei einer Feierstunde der Wahlergebnisse an diesem Mittwochmorgen.
„Zunächst
einmal bin ich unheimlich glücklich darüber, das amerikanische Volk wählen gesehen
zu haben, in einer Situation, in der das Volk nach dem demokratischen Prinzip seinen
Willen ausdrücken kann und frei entscheiden kann. Ich denke, die Bestätigung der Demokratie
ist enorm wichtig. Ich persönlich bin natürlich von Obama ernannt worden, deshalb
bin ich sehr froh, dass er nun wiedergewählt worden ist. Es ist eine große Ehre, in
seiner Verwaltung gearbeitet zu haben, und deshalb beglückwünsche ich ihn heute sehr
dafür, dass er nun wiedergewählt worden ist und seine Arbeit für die nächsten vier
Jahre fortführen kann.“
Zwar hätten beide Präsidentschaftskandidaten im
Wahlkampf sehr gegensätzliche Positionen vertreten, aber letztlich habe sie doch der
Wunsch geeint, Amerika zu dienen – das sei durch die enorm hohe Wahlbeteiligung belohnt
worden und sei gleichzeitig eine deutliche Bestätigung für die demokratische Kultur
Amerikas gewesen. Insbesondere die im US-Kontext so wichtigen Minderheiten hätten
so zahlreich gewählt wie noch nie zuvor, so der Botschafter, dessen Familie ursprünglich
aus Kuba kommt, der also selbst ein Latino ist.
„Man spricht von einem sozialen
Wandel in der amerikanischen Kultur und Bevölkerung. Was man sagen kann, ist, dass
unsere Nation schon immer in einem ständigen Wandel begriffen ist. Es ist keine statische
Nation, und wenn der Präsident von der Perfektion unserer Nation spricht, dann spricht
er genau darüber. Eine Perfektion und eine Dynamik, die sich ständig entwickeln und
verbessern. In der Geschichte hatten wir stets den Beitrag von verschiedenen Ethnien
und Bevölkerungsgruppen, und bei diesen Wahlen haben wir nun die große Verschiedenheit
der Amerikaner gesehen, ob sie nun für Romney oder Obama gestimmt haben. Aber was
ich wirklich gern gesehen habe, ist, dass das Volk seine Stimme abgeben wollte, und
als erster hispanoamerikanischer Botschafter am Heiligen Stuhl bin ich besonders glücklich
über die hohe Wahlbeteiligung der Hispanoamerikaner.“
Die Stimmen für Obama
aus dem Lager der Katholiken fielen im Gegensatz zu den Wahlen von vor vier Jahren
um einiges geringer aus, sie fielen von 54 Prozent auf etwa 50 Prozent. Eines der
möglichen Motive könnten umstrittene Passagen der Gesundheitsreform Obama-Care gewesen
sein. Die US-Bischöfe hatten sich vehement gegen Teile der Gesundheitsreform eingesetzt,
in denen sie eine Einschränkung der Religionsfreiheit sehen.
„In den Vereinigten
Staaten, aber auch auf internationaler Ebene brauchen wir dringend Brückenbauer. In
diesem Sinne hat der Präsident schon gesagt, dass wir in einer Zeit leben, in der
wir vor großen Herausforderungen stehen. Wir müssen den Dialog weiterführen und versuchen,
zu Kompromissen zu kommen, wenn wir vor diesen menschlichen Differenzen stehen, die
uns manchmal etwas Spannung bringen. Das ist nicht eine Sache, die eine bestimmte
religiöse oder ethnische Gruppe betrifft. Ich denke, es ist in diesem Moment wichtig
- nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt - mit unserem Einsatz für den
Dialog und gemeinsamen Aktionen weiterzumachen und für das Gemeinwohl zu arbeiten.
Ich denke, das ist die größte Herausforderung, die wir in der Zukunft vor uns haben.“
Mit
dem Dialog wird der US-Präsident im eigenen Land beginnen müssen: Zwar konnte er einen
deutlichen Vorsprung bei den Stimmen der Wahlmänner für sich verbuchen, doch bei den
so genannten Popular Votes, also den vom Volk direkt abgegebenen Stimmen, kristallisiert
sich ein haudünner Vorsprung von nur zwei Millionen Stimmen, also ein knappes Prozent,
heraus. D er US-Botschafter am Heiligen Stuhl hingegen hat nun noch die letzten Tage
seiner Amtszeit vor sich – danach wird er in sein ursprüngliches berufliches Milieu
zurückkehren und einen Professorenposten an der Universität von Dayton antreten. Wir
fragten ihn nach seinen Gedanken, mit denen er nun den Posten als Botschafter verlasse:
„Auf diesem meinem Posten kann man nicht arbeiten, wenn man nicht eine
katholische Grundstimmung hat und universell und an den Nächsten denkt. Ich verlasse
also meinen Posten mit einem Gedanken an die Universalfamilie. Natürlich - an einem
Tag wie heute, an dem wir die amerikanische Demokratie feiern, will ich einen großen
Glückwunsch an Obama dafür senden, dass er wieder als unser Präsident bestätigt worden
ist und damit als Führer der gesamten freien demokratischen Welt, könnte man fast
sagen. Als Amerikaner bin ich heute sehr stolz, mit den anderen Amerikanern diese
große Nation und diesen demokratischen Prozess zu teilen.“