Zweites Vatikanum: „Die Kirche ist der springende Punkt“
Fünfzig Jahre Zweites
Vatikanisches Konzil – diese Feiern könnten den Blick aufs Konzil verändern und der
Rezeption des Großereignisses neuen Schwung geben. Darauf hofft der italienische Erzbischof
Agostino Marchetto, früherer Sekretär des Päpstlichen Migrantenrats und einer der
bekannteren italienischen Konzilshistoriker. Aus seiner Sicht hat Papst Benedikt mit
dem Mantra recht, dass man endlich mal die Konzilstexte genauer studieren muss, um
das Konzil ins Heute zu übersetzen.
„Natürlich – denn ein Kompass funktioniert
doch nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind! Und in unserem Fall lautet die
Bedingung, dass man endlich eine wahrheitsgemäße Geschichte des Konzils schreiben
sollte. Die gibt es aus meiner Sicht leider noch nicht. Und wir brauchen unbedingt
eine korrekte Interpretation des Konzils, um seine großen Linien umzusetzen – am dringendsten
dort, wo das Zentrum des Vatikan-II-Denkens liegt, nämlich beim Thema Kirche. In dem
Punkt hatte Romano Guardini nämlich recht: Der Glaube steht und fällt mit dem Verständnis
von Kirche.“
Nun ist es ganz und gar nicht so, als gäbe es keine großen
Schriften über das Konzil. In Italien wohl am bekanntesten ist Giuseppe Alberigo mit
seiner „Bologneser Schule“, die in den neunziger Jahren eine auch ins Deutsche übertragene
„Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils“ vorlegte. Viele werfen ihr aber vor,
sie betone zu sehr den Bruch des Konzils zum Vorhergehenden. Auch Benedikt XVI. widerspricht
einer „Bruch-Lesart“ und schlägt stattdessen eine „Lesart der Reform“ für das Konzil
vor. Marchetto:
„Mit Nicht-Akzeptanz des Konzils meine ich, dass einige
die Kriterien für eine Interpretation des Konzils nicht übernehmen. Wenn der Papst
als korrekte Lesart des Konzils eine Lesart der Reform vorschlägt, dann ist der springende
Punkt dabei, dass man die Kontinuität des Subjekts Kirche sieht. Ansonsten wüsste
ich wirklich nicht, woher eine gute Rezeption des Konzils kommen sollte, wenn man
bei der Interpretation so danebenliegt!“
Zurück zu den Quellen, rät also
der Papst und das empfiehlt auch Erzbischof Marchetto. Und er glaubt, dass die Kirche
im Großen und Ganzen auch schon auf dem richtigen Weg ist:
„Angesichts des
Jahres des Glaubens sehe ich, dass es eine Rückkehr zu den Konzilstexten gibt. Bei
allen Konferenzen und Treffen, die ich erlebt habe, nehme ich ganz klar den Wunsch
wahr, wieder die Texte in die Hand zu nehmen, sie kennenzulernen bzw. zu vertiefen.
Die Rückkehr zum Text findet längst statt, und damit ist die Perspektive da, dass
das Zweite Vatikanum – einschließlich seiner Texte – endlich leichter rezipiert wird.
Wie der Heilige Vater ganz richtig sagt: Man kann den Heiligen Geist nicht von diesen
Texten lösen!“