Brasilien: „Die Menschen werden diesem Moloch geopfert“
Wirtschaft und Entwicklung
brauchen ein Umdenken „weg vom Profit und hin zum Menschen und seiner Würde“: Diesen
Gesinnungswandel hat Erwin Kräutler, der aus Vorarlberg stammende Bischof von Altaminra-Xingu
in Brasilien, am Dienstag im Interview mit „Kathpress“ gefordert. Anlass war der „Große
Leopold Kunschak-Preis 2012“, mit dem Kräutler für seinen Einsatz für die indigene
Bevölkerung sowie die rechtlosen Landarbeiter und Kleinbauern in Brasilien ausgezeichnet
wurde.
„Wirtschaft ist nicht das Zentrum, sondern das Zentrum ist der Mensch.
Eine Wirtschaft, die vertretbar ist, muss dem Menschen, dem Volk, den Familien dienen.
Doch meines Erachtens ist es im Moment genau andersherum, der Mensch dient der Wirtschaft
und wird ihr geopfert. Ganz konkret bei dem Staudamm-Projekt Belo Monte: Belo Monte
ist das historische Subjekt, und die Menschen werden diesem Moloch geopfert. Kein
Mensch denkt daran, dass dort Familien zugrunde gehen! Man sagt immer noch, das ist
der Preis, der zu zahlen ist für diesen Fortschritt.“
Weltweite Aufmerksamkeit
erfuhr der Bischof in den vergangenen Jahren durch den Einsatz gegen die Errichtung
des weltweit drittgrößten Staudamms „Belo Monte“ in seiner Diözese im Amazonas. Achtzig
Prozent des Xingu-Flusses werden dafür abgeleitet und ein Gebiet von mehr als 500
Quadratkilometern Regenwald überflutet. Das zerstört nach den Worten Kräutlers die
Lebensgrundlage der indigenen Bewohner, lässt gewachsene Gemeinschaften zerbrechen
und zieht eine Massenabsiedlung nach sich. Kritisiert wird auch, dass der Damm wegen
langer Trockenzeiten nur ein Drittel der anfangs propagierten Maximalleistung von
11.233 MW erreichen wird können.
„Der Eingriff in die Natur ist bereits
geschehen. Worum es uns jetzt geht, ist, dass die Bedingungen, die von der Regierung,
also dem Umweltministerium und der Indiobehörde vorgeschrieben wurden, endlich erfüllt
werden. Das ist bis heute nicht geschehen.“
Trotz internationaler Proteste
wird der Bau derzeit nach mehreren Unterbrechungen fortgesetzt. Ein kompletter Baustopp
scheint bereits unmöglich, da laut Regierungsangaben mittlerweile zwei Milliarden
Euro investiert worden seien und 14.000 Menschen auf der riesigen Baustelle arbeiteten.