Vor knapp 500 Jahren
hat Martin Luther in Wittenberg theologische Thesen veröffentlicht – und damit die
Reformation in Gang gebracht. Jetzt versucht sich auch ein katholischer Bischof an
einem Thesenanschlag: Der „Ökumenebischof“ der Deutschen Bischofskonferenz, Gerhard
Feige, hat rechtzeitig vor dem Reformationstag von diesem Mittwoch zehn „katholische
Thesen“ veröffentlicht. Sie kreisen um das Reformationsgedenken in fünf Jahren. Im
Kölner Domradio sagte der Magdeburger Bischof:
„Ich wollte die ganze Problematik
einmal zusammenfassen und bin davon ausgegangen, dass es zunächst eine evangelische
Angelegenheit ist. Wir sind zwar inzwischen eingeladen, aber wir sehen eben die Reformation
nicht unbedingt so begeistert wie die evangelische Seite. Bislang können wir jedenfalls
nicht fröhlich mitfeiern, aber wenn der Charakter stimmt, d.h. wenn diese Gedenkfeiern
– wie EKD-Präses Nikolaus Schneider einmal gesagt hat – im Kern ein Christusjubiläum
wären und wir damit ein gemeinsames Glaubenszeugnis für die Welt geben könnten, dann
könnte ich mir vorstellen, dass wir 2017 auch aktiver mit dabei sind!“
Katholiken
könnten und wollten sich „durchaus konstruktiv und kreativ mit der Reformation und
ihren Folgen auseinandersetzen“. Doch empfänden sie „die damit zusammenhängende Spaltung
der abendländischen Kirche als tragisch“, so Bischof Feige. Katholiken, Protestanten
und Reformierte sollten versuchen, Geschichte „nicht zu harmonisieren, aber doch zu
einer gemeinsamen Sichtweise zu kommen“. Das müsste natürlich bei Martin Luther selbst
anfangen:
„Luther scheidet die Geister. Er ist nicht nur ein geistlicher
Mensch gewesen, sondern hatte auch seine Ecken und Kanten und war eine recht sperrige
Persönlichkeit. Nicht alles, was von ihm stammt, ist positiv zu werten. Aber wie auch
der Papst betont hat: Luther hat leidenschaftlich um Gott gerungen und war sehr christusbezogen.
Und das ist etwas, was auch Katholiken zum Nachdenken und zur Besinnung bringen könnte.
Es war 1983 schon einmal möglich, dass Theologen der evangelischen und der katholischen
Kirche in einer hochrangigen internationalen Kommission Luther als Zeugen des Evangeliums,
Lehrer im Glauben und Rufer zur geistlichen Erneuerung gemeinsam werten konnten!“
Bis
in die Gegenwart litten Christen - vor allem in konfessionsverschiedenen Ehen und
Familien - an der Spaltung, so Bischof Feige. Das sollte „nicht verdrängt oder beschönigt,
sondern zur Kenntnis genommen und aufgearbeitet werden“. Im Blick auf 2017 begrüßt
der Bischof Vorschläge, im katholisch-evangelischen Verhältnis eine „Reinigung des
Gedächtnisses“ oder „Heilung der Erinnerungen“ anzustreben und ein konkretes Zeichen
der Buße und der Bereitschaft zur Vergebung, der Umkehr und Versöhnung zu setzen.
Ein solches gemeinsames Auftreten sei heute nötiger denn je:
„Ich lebe ja
hier in einer Gegend, wo inzwischen über achtzig Prozent der Bevölkerung keiner Kirche,
aber auch keiner anderen Religion mehr angehören. Da drängt es uns besonders, gemeinsam
in dieser gesellschaftlichen Situation das Evangelium glaubwürdig zu leben und zu
bezeugen. Und da hoffe ich darauf, dass auch dieser Kontext uns dazu bringt, noch
gemeinsamer, ökumenischer auf 2017 zuzugehen!“