Angesichts der drohenden Konfiszierung von Grundstücken christlicher Familien durch
Israel im Cremisantal nahe Bethlehem hofft der Jerusalemer Weihbischof William Shomali
auf Hilfe durch ausländische Regierungen und Kirchen. Wenn sie etwas tun könnten,
um die derzeit bei Gericht anhängige Angelegenheit zu lösen, dann wäre das ein Schritt
in Richtung Frieden und öffentliche Ruhe. Das sagte der im Lateinischen Patriarchat
für die palästinensischen Gebiete zuständige Bischof am Montag im Gespräch mit dem
weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“. Letzte Woche hatte erstmals die
katholische Ordinarienkonferenz im Heiligen Land zu der Sache Stellung genommen und
Israel zur Beendigung des aus ihrer Sicht illegalen Mauerbaus im Cremisantal aufgefordert.
Sie hatte zudem die Befürchtung geäußert, dass die geplante Mauer die Abwanderung
von Christen aus dem Heiligen Land weiter beschleunigen werde. Entschieden wiesen
die Oberhirten die Behauptung zurück, der Heilige Stuhl und die Ortskirche hätten
mit Israel implizit oder explizit eine Vereinbarung bezüglich der Mauer getroffen.
Die über 750 Kilometer lange Mauer, die nach israelischer Auffassung der Terrorabwehr
dient und seit 2003 errichtet wird, verläuft zu etwa achtzig Prozent jenseits der
Grünen Linie, die als Waffenstillstandslinie von 1948 nach internationaler Rechtsauffassung
die Außengrenze des Staates Israel zum 1967 besetzten Westjordanland bildet. In einem
Gutachten von 2004 hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Mauerbau deshalb
für völkerrechtswidrig erklärt. Weihbischof Shomali sagte: „Wenn Israel die Mauer
auf dem Grenzverlauf bauen würde, der vor der Besatzung des Westjordanlandes galt,
wäre das kein Problem. Es wäre Israels Recht, gegen das niemand Einwände erheben könnte.
Das Problem ist aber, dass der Mauerabschnitt bei Cremisan jenseits dieser Grenze
auf palästinensischem Land verläuft.“ Von diesem Verstoß gegen das Völkerrecht abgesehen
glaubt der Bischof zudem an die Möglichkeit, einen Mauerverlauf zu finden, der weniger
Landverlust für palästinensische Familien mit sich bringt.
Betroffen von der
Konfiszierung wären 58 Familien aus dem zu über achtzig Prozent christlichen Dorf
Beit Jala bei Bethlehem, deren Olivenhaine und Obstgärten weichen müssten. Viele Familien
leben aber von der Bewirtschaftung dieser Flächen. Seit 2006 klagen sie gegen die
israelischen Pläne vor dem zuständigen israelischen Gerichtshof in Tel Aviv. 2010
sind der Klage auch die Salesianer-Schwestern beigetreten, die in dem betroffenen
Gebiet seit 1960 eine Schule unterhalten. Sie wird von derzeit etwa 450 muslimischen
wie christlichen Schülern besucht. Auch der Konvent würde von Teilen seines Landbesitzes
abgeschnitten, sollte die Mauer wie beabsichtigt errichtet werden. Zudem soll die
Mauer direkt um das Kloster und die Schule geführt werden, weshalb die Schwestern
sich der Möglichkeit beraubt sehen, die Schule zu erweitern, wofür ihnen bereits eine
Genehmigung vorliegt. Betroffen von der Mauer wären auch die Salesianer, die unweit
des Schwesternkonvents ein Kloster unterhalten. Sie haben Anfang des Jahres einen
Antrag auf Beitritt zur Klage gestellt, über den noch nicht entschieden worden ist.
Eine Entscheidung des israelischen Gerichts wird nach dem Februar 2013 erwartet,
wenn die letzten Stellungnahmen der gegnerischen Parteien abgegeben werden. Weihbischof
Shomali: „Wir wollen eine Entscheidung im Einklang mit der Gerechtigkeit und keine,
die der Kirche gefallen will.“ Er hält es weiterhin für möglich, dass das Gericht
ein faires Urteil fällt, da israelische Gerichte unabhängig von der Politik seien.
Für den nicht auszuschließenden Fall aber, dass die Grundstücke der christlichen Familien
konfisziert werden, was faktisch, wenn auch nicht rechtlich einer Enteignung gleichkommt,
sorgt sich der Bischof angesichts der materiellen Folgen für die Betroffenen: „Wir
müssen dann mit der Caritas und anderen humanitären Einrichtungen darüber nachdenken,
was wir tun können. Aber ich fürchte, unsere Mittel werden nicht ausreichen.“