Rupert Neudeck ist
Mitbegründer des Vereins Grünhelme, der sich stark in Gebieten einsetzt, die mit politischen
und humanitären Problemen zu kämpfen haben. Unter anderem ist sein Verein auch in
Pakistan aktiv. Christine Seuß hat mit ihm über den kürzlich verübten Mordversuch
an der jungen Aktivistin Malala, die sich für die Schulbildung von Frauen in Pakistan
einsetzte und dafür ins Fadenkreuz der Taliban geraten war, gesprochen.
Herr
Neudeck, was wird diese Geschichte mit der jungen Friedensaktivistin Malala, die sich
für die Bildung von Frauen eingesetzt hat und deswegen von den Taliban fast tödlich
verwundet worden ist, für Auswirkungen auf die pakistanische Gesellschaft haben?
„Solche
Dinge passieren in Pakistan wahrscheinlich leider des Öfteren, als wir meinen. Dort,
in einer Großstadt Pakistans, waren aber zufällig auch Medien anwesend, die das in
unser westliches Bewussstein gerückt haben. Aber es ist sehr wichtig, dass das an
die Öffentlichkeit kommt, denn diesen Menschen ist es wichtig, wie sie in der Weltöffentlichkeit
dastehen. Man muss nun alles vermeiden, um daraus in unserer westlichen Welt etwas
zu machen, wie: ,Ja, wir haben es ja immer gewusst, die Muslime sind Menschen, die
Mädchen keine Schulbildung ermöglichen wollen´, oder ähnliches. Man muss sich immer
klarmachen, die Taliban sind nicht die Mehrheit der Muslime und stehen auch nicht
für die Muslime. Die überwiegende Mehrheit dieser Bevölkerung will natürlich, dass
die Mädchen auch in die Schule gehen können. Das wird einem ganz eindeutig gesagt,
wenn man vor Ort ist.“
Wobei ja in dem Swat-Tal, in dem Malala zur Schule
gegangen ist und auch ihren Blog geführt hat, die Taliban eine gewisse Vormachtsstellung
zu haben scheinen. Was kann getan werden, oder was wird da getan, um diese Vormachtsstellung
zu brechen?
„Das Wichtigste wäre, wenn wir gerade auch im interreligiösen
Dialog erreichen könnten, dass wir die Taliban nicht damit beehren, dass wir sie als
Muslime bezeichnen. Wenn sie diese ihre mörderischen Tätigkeiten betreiben, dann haben
sie mit der großen abrahamitischen Religion des Islam im Wortsinn nichts zu tun, sondern
sind vielmehr Gegner des Islam. Das verstehen immer mehr Muslime auf der Welt und
wir müssen gerade als Christen versuchen, diesen Gedanken mit den Muslimen zusammen
zu stärken und zu fördern.“
Sie sagten, in diesem Fall sei das Vorkommnis
in das Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt,weil zufällig westliche Medien dabei
waren. Malala hat allerdings ja auch ihren Blog geführt und dabei aktiv mit den westlichen
Medien zusammen gearbeitet. Haben die Taliban sich da jetzt etwas übernommen, indem
sie nun gerade solch eine Figur, die im gewissen Sinn auch durch diesen westlichen
Blick geschützt war, angegriffen haben? Haben sie sich jetzt sozusagen selbst ins
Bein geschossen?
„Das hoffe ich sehr! Dass das so ist, und ich glaube,
das kann man in der Welt auch an mehreren Stellen so feststellen, sieht man daran,
dass muslimische Frauen sich nicht mehr alles gefallen lassen. Das erleben wir in
Syrien, in Afghanistan, in Pakistan, in Mauretanien... Diese Malala ist in dieser
Beziehung ein Genie, weil sie auch Zugang zu diesen digitalen Kommunikationsmedien
hat, die ja auch dazu geführt haben, dass in Ägypten und in Tunesien oder Bahrein
die Rebellion der jungen Menschen so stark geworden ist. Ich denke, wenn wir das alles
mit berücksichtigen, dann sollte uns dieses furchtbare Ereignis eher Mut machen. Wir
handeln wohl auch im Sinne der Frau, die nun so fürchterlich angegriffen worden ist,
wenn wir darauf beharren, dass Frauen und Mädchen überall auf der Welt das Recht auf
Bildung haben. Das ist die Revolution, die jetzt auch in Saudiarabien ausbricht. Die
ist zwar leise, manchmal verbirgt sie sich auch hinter Schleier und Burka. Aber wir
dürfen nicht vergessen, dass es weniger wichtig ist, wie diese Frauen auftreten. Sie
müssen bestimmte Traditionen und Kulturen respektieren. Viel wichtiger ist, dass die
muslimischen Frauen in der Welt nun ihre Rechte einforden. Das ist etwas Großartiges,
und dafür steht als Heldin Malala nun ganz besonders deutlich vor unseren Augen.“
Danke
für Ihre Einschätzung und für das Gespräch, Herr Neudeck!