Kolumbien: "Ob es Frieden gibt, ist eine soziale Frage"
Seit Mittwoch sitzen
die kolumbianische Regierung und die Guerilla-Bewegung FARC nach langer Zeit wieder
am Verhandlungstisch. Zu Beginn der Gespräche hatte die katholische Kirche beide Seiten
zum Verzicht auf unerfüllbare Vorbedingungen aufgerufen. In der Vergangenheit seien
Verhandlungen stets daran gescheitert, dass ein ehrlicher Wille zu einem bindenden
Übereinkommen gefehlt habe, sagte der Vorsitzende der Kolumbianischen Bischofskonferenz,
Erzbischof Ruben Salazar Gomez, dem Radiosender RCN. Stefan Ofteringer berät das katholische
Hilfswerk Misereor zu Menschenrechtsfragen in Kolumbien. Er hat am Donnerstag die
Pressekonferenz zum Stand der Verhandlungen verfolgt. Christine Seuss hat mit ihm
gesprochen:
Herr Ofteringer, viele Verhandlungen sind schon gescheitert,
und auch aktuell gibt es zwar Gespräche, aber keinen Waffenstillstand zwischen FARC
und der kolumbianischen Regierung. In welcher Atmosphäre finden die Verhandlungen
statt?
„Die Regierung hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Verhandlungen
von Vertrauen geprägt sein müssen. Das geht auf frühere Erfahrungen zurück, wo das
auf beiden Seiten oft nicht der Fall war. Interessant war auch der Hinweis der Regierung,
dass es schon viele Reformen gab und dass man das als Rahmen sieht. Beispielsweise
die Gesetzgebung für die Rückgabe von Land an Vertriebene. Das wird quasi als Vorschuss
im Rahmen dieser Verhandlungen gesehen – und als Kapital. Man sieht aber auch ganz
klar, dass ein Abkommen mit den FARC nicht ein Ende der Gewalt bedeuten wird. Das
war interessant, dass das so deutlich gesagt wurde.“
Zum Beginn der Gespräche
hat der Vorsitzende der kolumbianischen Bischofskonferenz, Ruben Salazar Gomez, an
beide Seiten appelliert, sich mit einem ehrlichen Wunsch nach erfolgreichen Verhandlungen
an den Tisch setzen sollten und deshalb auch Kompromissbereitschaft mitbringen müssten.
Ist das bei den Verhandlungspartnern angekommen?
„Hier gibt es Vertrauen
in einer sehr, sehr schwierigen Situation. Ob die Bereitschaft zum sozialen Prozess
der Versöhnung da ist, auf den Erzbischof Ruben Salazar Gomez in seinem Statement
eingegangen ist, das ist eher eine soziale Frage. Man kommt zu einem Abkommen, aber
der soziale Prozess der Friedensschaffung ist natürlich ein gemeinsamer: Ob die Guerilla
oder die Regierungsseite auf ihre Truppen insgesamt dann auch genug Zugriff haben,
um dort Vertrauen zu schaffen, das ist eine ganz andere Frage. Da folgt noch ein sehr
langer Prozess. Ich denke, darauf hat Monsignor Salazar Bezug genommen.“
Sein
Appell scheint ja zumindest etwas bewirkt zu haben - bisher sind sich die FARC-Sprecher
und die Regierungsvertreter ja trotz der unterschiedlichen Verhandlungspositionen
recht respektvoll begegnet. Worum ging es denn inhaltlich?
„Der FARC-Kommandant,
Ivan Marquez , ist inhaltlich stark auf Fehler der Regierung in ihrer Politik eingegangen.
Er berichtete etwa von den sozialen Ungerechtigkeiten, die weiterhin bestehen. Er
wies insbesondere darauf hin, dass die Landpolitik nicht ausreicht. Die Landfrage
ist traditionell das Kernthema der FARC in Kolumbien. Insofern gehen sie natürlich
mit entsprechend starken Forderungen darauf ein. Der Unterschied in beiden Diskursen
war, dass einer sehr pragmatisch war: Die Regierung ging mehr auf die Verhandlungen
selbst ein, die FARC hingegen waren stark inhaltlich orientiert.“
Ab dem 15.
November soll der erste konkrete Punkt verhandelt werden – die ländliche Entwicklung
in Kolumbien.