Türkei/Vatikan: Ohne Religionsfreiheit keine Gerechtigkeit
Der Vatikan hat am
Samstag erneut betont, dass die Religionsfreiheit für Gerechtigkeit und Frieden unabdingbar
sei. Beim ‚Istanbul World Forum’, das vergangenes Wochenende am Bosporus veranstaltet
wurde, sagte der Sekretär des Vatikanrats für Interreligiösen Dialog, Religionen leisteten
einen wesentlichen Beitrag im gesellschaftlichen Diskurs. Sie könnten zudem dabei
helfen, den Frieden zu sichern, so der spanische Pater Miguel Ángel Ayuso Guixot.
Dazu dürfe aber ihre Ausübung nicht eingeschränkt werden.
Beim ‚Istanbul World
Forum 2012’ unter dem Motto ‚Gerechtigkeit und der Aufbau einer neuen globalen Ordnung’
wurden zwei Tage lang soziale, politische und wirtschaftliche Fragen diskutiert. Immer
ging es dabei nicht nur um lokale, sondern auch um globale Probleme. Zu dem internationalen
Treffen waren Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in die Türkei gereist.
Auch der Sekretär des Vatikanrats für Interreligiösen Dialog, Pater Miguel Ángel Ayuso
Guixot, stand auf der Rednerliste. Im Radio-Vatikan-Interview erklärte er anschließend:
„Ich
habe die Teilnehmer daran erinnert, dass Gerechtigkeit und Frieden in jedem Einzelnen
- und in allen Menschen – zu suchen sei. Dazu sind gewisse Regeln und vor allem Aufrichtigkeit
nötig. Wenn nur einer dieser zwei Werte bedroht ist, leiden darunter beide: Wenn die
Gerechtigkeit bedroht ist, ist auch der Frieden in Gefahr. Die Ursachen vieler Probleme,
die ein friedliches Zusammenleben verhindern, sind Ungleichheit und Ungerechtigkeit.
Das wissen wir alle. Die Aufgabe der Religion ist es, hier ein Motor für Gerechtigkeit
und Gleichheit zu sein – und zwar auch in der neuen, globalen Weltordnung. Das liegt
uns allen am Herzen.“
Das Forum beschäftigte sich mit Fragen der Gerechtigkeit
unter den folgenden Gesichtspunkten: Weltordnung, Politik, Geschichte, Wirtschaftsrecht,
Kunst und Medien sowie Religion. Zur Rolle der Religion erklärt Pater Ayuso:
„Tatsächlich
muss die Religion für das Wohlbefinden der Gesellschaft und für eine funktionierende
Gesellschaftsordnung eine Rolle spielen. Es wäre allerdings falsch, sie auf eine rein
gesellschaftliche Funktion zu beschränken. Leider wird die Rolle der Religion in der
modernen Gesellschaft oft missverstanden und nicht geschätzt. Oft wird sie sogar als
Quelle für Konflikte in der modernen Gesellschaft kritisiert.“
Dabei müsse
man unterscheiden zwischen richtiger und falsch verstandener Religiosität:
„Bei
seinem Großbritannien-Besuch 2010 stellte Papst Benedikt XVI. fest, dass ‚einige entstellte
Formen der Religion, zum Beispiel Sekten und Fundamentalismus’ soziale Probleme schaffen
können. Aber Religion, die im richtigen Sinne verstanden und gelebt wird, muss laut
Benedikt XVI. in politischen Debatten eine wichtige Rolle spielen. Sie soll, so der
Papst, helfen, ‚Reinheit zu finden und die Gedanken auf der Suche nach moralischen
Prinzipien erleuchten’. Deshalb ist die Religion kein Problem, sondern ein lebhafter
Beitrag zu den nationalen Gesprächen.“
Es gehe dabei aber nicht darum,
konkrete politische Lösungen vorzuschlagen – dafür sei die Religion nicht zuständig.
Ihre Aufgabe sei es aber, objektiv an moralische Regeln zu erinnern und damit an die
Grundlage von Gerechtigkeit. Die Gesellschaft wiederum müsse auch der Religion den
nötigen Raum geben:
„Religionsfreiheit ist das Herz des sozialen Projekts.
Sie ist nötig für soziale Gerechtigkeit. Die Religionsfreiheit ist deshalb die Basis
für alle anderen Arten von Freiheit.“
Nach dem „Istanbul World Forum“ zieht
der Sekretär des Päpstlichen Rats für Interreligiösen Dialog insgesamt ein positives
Fazit. In Anlehnung an Papst Benedikt habe er die Teilnehmer daran erinnert, dass
Gedanken des Friedens, Worte des Friedens und Handlungen des Friedens eine Atmosphäre
des Respekts schaffen könnten. Pater Ayuso hofft nun, dass politische und religiöse
Führer über diese Worte nachdenken werden.
Außer Guixot nahm auch der päpstliche
Nuntius in der Türkei und Turkmenistan, Erzbischof Antonio Lucibello, an der Veranstaltung
teil; unter den Teilnehmern waren außerdem der ökumenische Patriarch Bartholomaios,
der Großmufti von Jerusalem und Scheich Hamsa Yusuf vom Zaytuna College in Kalifornien.