Der Vatikan will mit
der Neuevangelisierung auch Naturwissenschaftler ansprechen. Deshalb nahm ein bekannter
Vertreter der Naturwissenschaften an einer Generalkongregation auf der gegenwärtigen
Synode im Vatikan teil. Werner Arber ist Mikrobiologe und Nobelpreisträger. Der Schweizer
Reformierte ist auch Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Am Freitagabend
sprach er vor den Synodenvätern und vor dem Papst über den Dialog zwischen Glaube
und Naturwissenschaften. Mario Galgano hat ihn gefragt, wie sein Wortbeitrag in der
Synodenaula aufgenommen wurde.
„Es war in der Tat das erste Mal, dass nicht
nur ich persönlich, sondern auch ein Vertreter der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften
an sich in direkten Dialog mit den Synodenväter treten konnte. Ich bin dafür sehr
dankbar. Dies verstärkt die Kontakte vieler Wissenschaftler mit der katholischen Kirche.
Ich war überrascht zu sehen, wie die Kardinäle und Bischöfe in der Synodenaula sehr
aufmerksam meine Darstellung verfolgt haben. Ich hatte versucht, naturwissenschaftliche
Kenntnisse in einer verständlichen Sprache einzubringen. Bei vielen Zuhörern ist das
meiner Meinung nach gut angekommen.“
Sie haben in Ihrer Rede vor allem
das Stichwort „Orientierungswissen“ benützt. Können Sie uns erläutern, inwieweit Glaube
und Wissenschaft eine Orientierung darstellen?
„Für mich ist das Orientierungswissen
sehr wichtig. Alle Menschen haben ein Orientierungswissen. Es basiert auf frühkindlichen
Erfahrungen. Auch die Erziehung spielt eine wichtige Rolle. Orientierungswissen bedeutet,
dass wir sehr viel von unserer Umwelt wissen, in der wir uns befinden. Durch die Fortschritte
in der wissenschaftlichen Erforschung, die in den vergangenen Jahrzehnten sogar stark
zugenommen haben, verstehen wir heute auch die Prozesse der biologischen Evolution
besser, die ich den Synodenvätern dargestellt habe. Ich habe das mit der kosmischen
Evolution verglichen. Das habe ich versucht, mit einfachen Worten zu erklären und
die positiven Reaktionen im Anschluss haben mich sehr gefreut.“
Inwieweit
kann der Glaube eine Orientierung für die Wissenschaft sein?
„Ich würde
sagen, dass Glaube und Wissenschaft komplementär sind. Die Naturwissenschaften können
nicht alle Fragen, die uns Menschen beschäftigen, beantworten. Doch der Glaube ist
nicht einfach ein Lückenbüßer für die Nichtbeantwortung dieser Fragen. Der Glaube
soll alles integral verstehen. Ich habe verstanden, dass der Wille der Synode zur
Neuevangelisierung darin besteht, die Evangelisierung ernst zu nehmen und das Leben
so zu verstehen, wie wir es auch von der naturwissenschaftlichen Seite her tun. Dazu
kommt natürlich auch der Glaube an Gott. Die Naturwissenschaften können bis heute
sicher – und sehr wahrscheinlich auch für die Zukunft – nicht beweisen, dass Gott
weder existiert noch dass er nicht existiert. Aber der Glaube ist etwas sehr Wertvolles,
denn bei allen Völkern kommt durch die Beobachtung der Natur die Ehrfurcht ins Spiel
und Ehrfurcht ist die Brücke zu Gott.“
Wie hat der Papst auf Ihren Wortbeitrag
reagiert?
„Er hat sehr nette Worte für meine Rede gefunden. Benedikt XVI.
war – so glaube ich zumindest – beeindruckt. Doch detailliert hat er keine Meinung
geäußert.“
Arber sprach sich dafür aus, dass die Zivilgesellschaft und
die Kirche bereit sein müssen, zusammen mit Wissenschaftlern und der Wirtschaft Mitverantwortung
für eine neue Gestaltung der Zukunft zu übernehmen - zum Nutzen für die Menschheit
und ihre Umwelt.