Lohfink: Neuevangelisierung darf nicht peinlich werden
„Ich erwarte mir vom
Jahr des Glaubens, dass die Kirche missionarischer wird!“ Das sagte der deutsche Neutestamentler
Gerhard Lohfink am Mittwochabend in Rom. Im Gespräch mit Radio Vatikan erklärte der
Autor vieler theologischer Bücher, vor allem die Pfarreien müssten ihre Selbstbezogenheit
aufbrechen.
„Die frühe Kirche war eine missionarische Kirche, sonst hätte
sie niemals das Imperium Romanum ,erobert‘ – durch ihre Sorge für die Armen, ihre
Mitmenschlichkeit, ihren Glauben. Die Kirche muss missionarisch sein und Zeugnis geben,
sonst ist sie keine lebendige Kirche! Heute sind viele unserer Gemeinden in Mitteleuropa
,versorgte‘ Gemeinden, die sich betreuen lassen, die aber selbst nicht mehr missionarisch
werden. Das, denken viele Christen, ist doch Aufgabe des Bischofs, der Priester oder
des Pfarrgemeinderates… Das ist zu wenig!“
Allerdings dürfe Neuevangelisierung
auch nicht „aufdringlich“ sein, so Lohfink, der zur Katholischen Integrierten Gemeinde
gehört.
„Es darf auch nicht peinlich sein – also nicht Hausbesuche machen
und wie bestimmte Sekten versuchen, den Menschen auf die Nerven zu gehen. Nein, es
muss so sein, dass die Gemeinden als solche etwas Leuchtendes haben, so dass die Menschen
sagen: Das ist ja ein Stück Heimat, das ist ja ein sehr schönes Miteinander! Diese
Leute wirken auf mich glaubwürdig – in ihrem Leben hat sich etwas geändert.“
Im
Vatikan setzt man, wie sich bei der derzeitigen Bischofssynode zeigt, in Sachen Neuevangelisierung
immer mehr auf die neuen geistlichen Bewegungen. Natürlich seien diese wichtig für
die Neuevangelisierung, so Lohfink – aber:
„Sie sind sicher nicht das Einzige,
um die Kirche wieder jung und lebendig zu machen; es gibt noch vieles mehr! Jetzt
werde ich ganz persönlich: Ich selbst habe in der Gemeinschaft, in der ich jetzt lebe,
ein Bild von der Kirche bekommen, wie ich es vorher in dieser Farbigkeit und Lebendigkeit
nicht hatte – obwohl ich immer gern Katholik gewesen bin. Aber ich habe plötzlich
erfahren, wie schön Kirche sein kann.“
Auch den Ordensgemeinschaften komme
bei der neuen Evangelisierung wie schon in der Vergangenheit weiter eine wichtige
Rolle zu, so Lohfink.
(rv 11.10.2012 sk)
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