Kardinal Schönborn: „EU ist nicht das Reich Gottes“
Der Wiener Erzbischof,
Kardinal Christoph Schönborn, warnt vor Spaltungstendenzen in Europa. Unter anderem
hat in diesen Tagen Spanien mit Autonomiegelüsten der Region Katalonien zu kämpfen.
Schönborn erklärte im Gespräch mit Radio Vatikan am Rand eines Kongresses im schweizerischen
St. Gallen, er hoffe, dass das zusammengewachsene Europa nicht wieder zersplittere.
„Niemand
käme heute auf die Idee, die italienischen Stadtstaaten oder die 316 deutschen Fürstentümer,
die es vor der deutschen Einigung im 19. Jahrhundert gegeben hat, wiederherzustellen.
Wir wissen, dass Deutschland ein Land ist und dass es nicht geht, dass Nassau und
Sachsen-Anhalt eigene Fürstentümer sind. Und so ist es auch zwischen Florenz und Siena,
da wird man nicht mehr Kriege führen wie im Mittelalter. Die Einigung war richtig
und ist auch unumkehrbar – und ich hoffe, dass das auch für die europäische Integration
gilt!“
Zugleich rät Kardinal Schönborn aber dazu, die europäische Einigung
auch nicht rhetorisch zu überhöhen.
„Zuerst einmal ist es ganz wichtig,
zu sagen: Europa, das europäische Projekt, die Europäische Gemeinschaft usw. ist nicht
das Reich Gottes! Keine politische, staatliche oder gesellschaftliche Wirklichkeit
ist das Reich Gottes. Das Reich Gottes ist mehr und anders – und auch anderswo. Aber
es gibt bessere und schlechtere Entwicklungen, und wenn man auf die Geschichte Europas
mit seinen endlosen Kriegen schaut, dann ist zweifellos das Projekt der europäischen
Integration ein Friedensprojekt.“
Er sei ein „überzeugter Europäer und
überzeugter Anhänger dieses Friedensprojektes“, aber er halte es nicht für möglich,
dass ein politisches Projekt die Lösung aller Probleme sein könne. Es gebe nun mal
„bessere und schlechtere Lösungen“.
„Ob es richtig war, die Währungsunion
schon so schnell und so früh einzuführen oder nicht, das sind Fragen, die nicht direkt
mit dem Reich Gottes zu tun haben, sondern pragmatische Fragen, und das Konzil hat
uns zu Recht daran erinnert, dass es eine relative Autonomie des weltlichen Bereichs
gibt: Das ist etwas, das Ökonomen und Politiker klären müssen, wobei wir natürlich
alle aufgerufen sind, mitzudenken. Aber ob der Euro hält oder nicht hält, daran hängt
weder mein Heil noch mein ewiges Glück.“
Kardinal Schönborn äußerte sich
im Gespräch mit uns auch zum Thema Kirchenkritik.
„Wenn ich höre: ,Die
katholische Kirche müßte etwas unternehmen', dann frage ich immer: Wer ist das? Ich
glaube zwar an die katholische Kirche, und ich bin dankbar, zu ihr zu gehören – aber
wer ist die katholische Kirche? Das sind wir! Also, die Frage müßte lauten: Was sollten
wir Katholiken tun? Nicht: Was muss der andere tun? Sondern: Was muss ich tun?“