2012-09-29 13:57:12

Kardinal Kasper: „Erneuerung aus dem Ursprung“


Kardinal Walter Kasper ermuntert zu einem Wiederentdecken des Zweiten Vatikanischen Konzils. „Das Konzil hat nicht einen Übergang zu einer liberal angepassten Kirche eingeleitet, sondern zu einer aus ihren Wurzeln geistlich erneuerten und zugleich dialogoffenen, für das Heil der Menschen engagierten Kirche.“ Das schreibt der frühere Präsident des Päpstlichen Einheitsrates in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von diesem Samstag. Auch heute könne das Konzil „Kompass“ sein und „Zuversicht aus dem Glauben“ wecken. „Grabenkämpfe zwischen Konservativen und Progressiven“ hülfen der Kirche hingegen nicht weiter.

Dass die „Interpretation des Konzils in vielem noch strittig ist“, nennt Kardinal Kasper nicht verwunderlich: „Wer die Geschichte der insgesamt zwanzig als ökumenisch anerkannten Konzilien kennt, wird nicht überrascht sein. Nachkonziliare Zeiten waren fast immer turbulent.“ Es sei jedoch „kurzschlüssig zu meinen, dass alles, was nach dem Konzil geschah, auch wegen des Konzils geschehen ist“. Statt „Krisenlamento“ zählt Kasper positive Früchte des Konzils auf: „die liturgische Erneuerung“, „die stärkere Teilhabe und Mitwirkung der Laien am Leben der Kirche, die ökumenischen Annäherungen, die Öffnungen zur modernen Welt und ihrer Kultur“ sowie die neuen geistlichen Bewegungen, das neue Kirchenrecht von 1983 und der Weltkatechismus.

„Die Konzilsdokumente sind kein toter Buchstabe geblieben“, resümiert der Kardinal. Er spricht aber auch von „Schattenseiten“: „Viele Impulse des Konzils, etwa die Betonung der Orts- beziehungsweise Einzelkirchen, die Kollegialität des Episkopats und die Mitverantwortung der Laien, sind bisher nur halbherzig verwirklicht worden. Dagegen hat der kuriale Zentralismus zugenommen.“ Eine „Reihe jüngerer Erfahrungen“ zeige aber, „wie sehr die römische Kurie selbst einen Reform- und Modernisierungsschub nötig hätte“.

Von den immer wieder innerkirchlich aufkommenden Reformforderungen hält der Kardinal einige für „bedenkenswert“, etwa was Verbesserungen in der kirchlichen Rechtskultur betrifft. Anderen Forderungen, etwa der nach Frauenordination, könne die Kirche nicht nachkommen, „weil sie sich an die ihr vorgegebene Glaubensgrundlage gebunden weiß“. Doch die „Zukunftsfähigkeit der Kirche“ hänge „nicht vorrangig von diesen Fragen ab“, sondern davon, ob sie „ihre eigene Sache glaubwürdig und überzeugend zur Geltung bringt“. Dabei dürfe die Kirche durchaus als „Widerlager zur weithin gleichgeschalteten öffentlichen Meinung“ wirken. Die Texte des Konzils sollten sorgfältig gelesen werden, sie seien „kein Steinbruck, aus dem man Material für die jeweils gewünschte These holen darf“.

Deutlich wendet sich Kardinal Kasper gegen einen „Rückfall in nationalkirchliches Denken“. Das Papstamt als Einheitsfaktor sei wichtig, brauche allerdings heute „neue Formen der Ausübung des Primats“. Entscheidend für die Kirche sei, dass sie zu den Menschen von heute von Gott spreche: „Ohne ein solides Glaubensfundament hängt alles andere buchstäblich in der Luft.“

(faz 29.09.2012 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.