In keinem Land weltweit
wird in diesen Tagen so ausgiebig gegen Mohammed-Karikaturen und ein Mohammed-Schmähvideo
protestiert wie in Pakistan. Dort hat sogar ein Minister eine Prämie von 100.000 US-Dollar
für den Mord am Produzenten des Films versprochen. Er lade die Taliban und al-Quaida
ein, „sich diese Mission zu eigen zu machen“, so Eisenbahnminister Ghulam Ahmad Bilor.
Ein Sprecher der pakistanischen Regierung machte allerdings klar, dass sich die Behörden
des Landes von diesem Mordaufruf distanzieren. Einen ähnlichen Mordaufruf lancierte
am Sonntag ein Mufti, der eine islamische Partei in Pakistan führt. Wir haben den
islamischen Theologen Adnane Mokrani auf die Proteste in der islamischen Welt angesprochen.
Der gebürtige Tunesier unterrichtet derzeit an der Päpstlichen Universität Gregoriana
in Rom.
„Mein Eindruck ist, dass es im Westen kleine Gruppen gibt, die aktiv
daran arbeiten, den Hass gegen die Muslime zu schüren, und andere, die das ausnutzen,
um auf sich aufmerksam zu machen. Auf der anderen Seite gibt es aber in der islamischen
Welt fundamentalistische Gruppen, die ebenfalls in Hass investieren: Sie werden gewalttätig,
um auf der neuen politischen Bühne der islamisch-arabischen Welt einen Platz zu finden.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es die Mehrheit von Muslimen und Christen, die
im Westen wie im Orient für Frieden eintreten.“
Professor Mokrani findet,
die klügste Reaktion von Muslimen auf die Mohammed-Schmähungen wäre es im Moment,
„die Provokation einfach zu ignorieren“:
„Und zwar deshalb, weil die Produzenten
dieses Videos es ja genau auf diese gewalttätige Reaktion abgesehen hatten! Dadurch
wird paradoxerweise der vermeintlich „gewalttätige Charakter“ des Islam bestätigt.
Wer den Propheten mit Gewalt verteidigt, tut in Wirklichkeit nichts anderes, als den
Propheten ebenfalls zu beleidigen und das zu bestätigen, was gegen den Propheten gesagt
wird. Das ist der große Widerspruch, das Paradox. Die richtige Antwort wäre es also,
nicht in diese Falle zu tappen und die Schmähungen Mohammeds zu ignorieren. Es gibt
andere, reale Herausforderungen: vor allem die, Länder wie Tunesien und Libyen jetzt
nach ihren Revolutionen neu aufzubauen. Oder die, dem syrischen Volk zu helfen. Wie
kann man denn gegen ein Video von so erbärmlicher Qualität demonstrieren, aber dem
Massaker in Syrien tatenlos zuschauen?“
Derweil hat die Staatsanwaltschaft
in Pakistan ein christliches Mädchen entlastet, dem Gotteslästerung vorgeworfen worden
war. Bei der Untersuchung seien keine Beweise für die Anschuldigungen gegen die etwa
14 Jahre alte Rimsha Masih gefunden worden, sagte der Ermittler Munir Jafferey am
Sonntag in Islamabad. Ein Imam hatte das geistig offenbar zurückgebliebene Mädchen
angezeigt und ihm vorgeworfen, den Koran geschändet zu haben. Rimsha saß drei Wochen
in Untersuchungshaft, bevor sie Anfang September auf Kaution freikam. Zuvor war der
Imam festgenommen worden, weil er dem Mädchen, das als Müllsammlerin arbeitete, halbverbrannte
Koranseiten in die Tasche geschmuggelt haben soll. „Es gibt stichhaltige Belege, dass
der Imam die Beweise gefälscht hat, um das christliche Mädchen zu belasten“, sagte
der Ermittler.