Die Bioethikkommission
plädiert mehrheitlich für weitreichende Liberalisierungen in der Fortpflanzungsmedizin.
Ein Minderheitenvotum fordert hingegen, die derzeitigen rechtlichen Grenzen beizubehalten.
Die Stellungnahme, die aus dem Mehrheits- und dem Minderheitenvotum besteht, wurde
am Freitag in Wien von der Vorsitzenden der Bioethikkommission vorgelegt, Christiane
Druml. Sie nannte eine Zulassung von PID – der volle Begriff heißt Präimplantationsdiagnostik
– „überfällig“; eine Gefahr der Selektion oder des Dammbruchs hin zum „Designer-Baby“
sehe sie nicht, sagte Druml, da PID stets eine „Einzelfallentscheidung“ bedeute. Außerdem
bleibe die PID auf den Bereich der künstlichen Befruchtung beschränkt – „und auch
dort sollte sie immer nur ultima ratio sein“. Zulässig sollte die PID laut Kommissionsmehrheit
in jenen Fällen sein, in denen andere Fortpflanzungsmethoden keinen überlebensfähigen
Embryo ergeben hätten und in denen die genetische Disposition der Eltern die Gefahr
einer Fehl- oder Totgeburt mit sich bringt.
Das von 15 der insgesamt 25 Mitglieder
der Kommission unterzeichnete Mehrheitsvotum plädiert für liberale Neuregelungen in
den Bereichen der Samen- und Eizellspende, der Öffnung der Fortpflanzungsmedizin für
alleinstehende Frauen und lesbische Paare sowie im Bereich der Präimplantationsdiagnostik
(PID). Darüber hinaus empfiehlt dieses Votum die Einrichtung einer Datenbank gerade
für die PID, die strikte Reglementierung der Embryonentransferrate bei der In-vitro-Fertilisation,
eine umfassende wissenschaftlich Aufarbeitung durch Studien und eine ebenso umfassende
psychosoziale Begleitung Betroffener.
Minderheit: PID weiter verbieten
Das
von sechs Mitgliedern der Bioethikkommission unterzeichnete Minderheitenvotum plädiert
dagegen dafür, dass es künstliche Befruchtung auch in Zukunft nur bei einer stabilen
Mann-Frau-Beziehung geben sollte. PID gehöre weiterhin verboten, und auch der Import
embryonaler Stammzellen und Eizellspenden, so die Juristin Stephanie Merckens, die
das Minderheitsvotum in Wien erläuterte. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner
genetischen bzw. biologischen Eltern müsse gestärkt werden, dazu brauche es eine entsprechende
Auskunftspflicht. Eine stärkere internationale Zusammenarbeit solle außerdem den etwaigen
„Reproduktionstourismus“ unterbinden.
„Die Kommission ist sich nicht einig“,
brachte Stephanie Merckens die Situation zweier unterschiedlicher Voten in der Stellungnahme
auf den Punkt. Die Fragen seien die gleichen – „Wie weit dürfen wir gehen? Gibt es
ein Recht auf ein gesundes Kind?“ - allein, die Antworten seien gänzlich unterschiedlich.
Man habe es sich auch auf Seiten des kritischen Votums nicht leicht gemacht und die
Not der Betroffenen durchaus ernst genommen, so Merckens. Zugleich habe man jedoch
auch zahlreiche „Warnzeichen“ aus der Wissenschaft und aus aktuellen Studien ernstgenommen,
die vor schwerwiegenden Folgen insbesondere bei der PID warnen. „PID ist nie Therapie,
sondern immer Selektion“, so Merckens. Unterschlagen werde bei der Diskussion der
PID etwa oftmals das Risiko der Fehlbildung durch PID-geschädigte Zellen; außerdem
bedeute die Testung einer einzelnen Zelle keine Garantie auf ein insgesamt gesundes
Kind.
Reiche Frau aus dem Westen...
Darüber hinaus verwies
Merckens auf mögliche psychosoziale Probleme durch eine doppelte Mutterschaft bei
der Eizellspende, durch Probleme, die bei hormoneller Stimulierung der Frauen vor
einer Eizellspende auftreten - sowie auf die Gefahr des „Medizintourismus“ nach dem
Motto: „Reiche Frau aus dem Westen bekommt Kind von armer Frau aus dem Osten.“
Einig
zeigten sich die Vertreter beider Seiten vor allem darin, dass nun die Öffentlichkeit
und die Politik am Zuge sei, durch eine breite Debatte die aufgeworfenen Fragen zu
vertiefen. Einhellig abgelehnt wird von der Kommission die Ermöglichung des Kinderwunsches
bei männlichen homosexuellen Paaren durch Leihmutterschaft. Dies bringe zu komplexe
soziale und psychische Probleme mit sich, so Druml. Ebenfalls nicht wünschenswert
sei eine insgesamt breite Öffnung der Leihmutterschaft für alle. Dies könnte u.a.
der Ausbeutung von Frauen Tür und Tor öffnen.
Schönborn: Sich an den
Schwächsten orientieren
Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn,
sieht in der Uneinigkeit der Bioethikkommission ein Zeichen dafür, „wie tief die hier
behandelten Fragen gehen“. In Fragen der Menschenwürde sei es „ein guter Weg, sich
an den Schwächsten zu orientieren“, Schönborn: „Deshalb plädiere ich dafür, an erste
Stelle der Überlegungen das Kindeswohl und das Prinzip zu setzen, dass Menschenleben
nicht verzweckt werden dürfen. Das Schlagwort vom, Recht auf ein Kind‘ darf sich nicht
gegen das Kind richten.” Wenn es ernsthaft um das Kindeswohl ginge, dann müsse man
„vom Recht des Kindes auf Vater und Mutter sprechen, das nicht von vornherein ausgehebelt
werden darf und das Eizellspende, aber auch Samenzellspende und In-vitro-Befruchtung
für gleichgeschlechtliche Paare und alleinstehende Personen ausschließt.“ Der Gesetzgeber
hatte aus Schönborns Sicht zu Recht „schwere Bedenken, die ihn dazu gebracht haben,
nicht alles Machbare in der Fortpflanzungsmedizin zuzulassen“. Er hoffe, „die Politiker
nehmen diese Bedenken auch künftig ernst und halten den bestehenden gesetzlichen Schutz
des Kindeswohls und der Menschenwürde aufrecht“.