Vatikanberater Winkler: Differenzierter Blick auf Nahost-Roadmap
Die jüngst von Papst
Benedikt XVI. im Libanon unterzeichnete „kirchliche Nahost-Roadmap“ ist nach Meinung
des Salzburger Kirchenhistorikers Dietmar Winkler eine gute Grundlage für eine engere
Zusammenarbeit der unterschiedlichen katholischen Gemeinden im Nahen Osten. Das sagte
der Ostkirchenexperte und Berater des Päpstlichen Einheitsrates, der auch Beobachter
bei der Nahost-Bischofssynode von 2010 war, der Nachrichtenagentur kathpress. Das
Apostolische Schreiben „Ecclesia in Medio Oriente“, das die Nahost-Synode zusammenfasst,
enthalte eine Wegweisung für das Miteinander mit Juden und Muslimen, ohne dabei politische
Stellungnahmen mitzuliefern. „Das wäre auch nicht klug, denn es sind die Christen
vor Ort, die das ausbaden müssten“, so Winkler.“
Das Dokument enthalte einen
drängenden Appell zur Zusammenarbeit der mit Rom unierten Ostkirchen, die jeweils
eigene Patriarchen und Bischöfe haben, auf Eigenständigkeit bedacht sind, aber insgesamt
unter Schrumpfung aufgrund des Exodus in den Westen leiden, so Winkler. Dabei hätte
er sich allerdings eine stärkere Konkretisierung der künftigen Kooperationen gewünscht.
Zwar betone das Schreiben, dass die Christen in den meist muslimisch geprägten Ländern
bleiben und ihre Heimat nicht verlassen sollten, aber es zeige auch Verständnis für
jene, die aufgrund existenzieller Probleme den Exodus wählten. Diesen ausgewanderten
Nahost-Christen sind mehrere Abschnitte gewidmet, die jedoch nach Meinung Winklers
im Blick auf Strukturfragen zu unpräzise geblieben seien. Die Probleme seien bei der
Synode 2010, an der Winkler als einer von 36 Experten teilnahm, sehr offen diskutiert
worden - allerdings habe sich auch dort keine Lösung aufgetan.
Dabei gehe
es oft um den Zölibat, denn die Priester der katholischen Ostkirchen seien in der
Regel verheiratet. Wenn sie vor der Weihe in den Westen kämen, sei weiterhin unklar,
welche Jurisdiktion über ihren Stand - Ehe oder Ehelosigkeit - entscheiden solle:
ihr Patriarch oder der Bischof der Diözese, in der sie studierten. Die aktuelle Lösung
- das Erteilen von Sondergenehmigungen (Dispensen) - sei jedenfalls unbefriedigend.
„Es wird noch vieler Diskussionen bedürfen, um zu Lösungen zu kommen, wie die Probleme
der katholischen Ostkirchen in der Diaspora bewältigt werden können“, so Winkler.
Der
Theologe wies gleichzeitig darauf hin, dass im Synodenschlussdokument nicht nur die
katholische Auswanderung, sondern auch die katholische Einwanderung - etwa in die
Golfstaaten - thematisiert werde. Weil es in den Zielländern oft wenig innerkatholische
Zusammenarbeit gebe und sich die Ostkirchen oft nicht an der pfarrlichen Integration
von christlichen Arbeitsmigranten beteiligten, fokussiere das Dokument die Koordinationsaufgabe
des jeweiligen lateinischen Ortsbischofs.
In ökumenischer Hinsicht gebe es
in dem Dokument sehr gute und theologisch profunde Stellen gleich zu Beginn, urteilte
Winkler. Damit werde auch einer Realität Rechnung getragen, die heute noch augenfälliger
sei als früher. Der Theologe erinnerte dabei an die drei Tage des Papstes im Libanon
und die dort auffallend starke Ökumene-Präsenz. Praktisch alle nichtkatholischen Metropoliten
der Region hätten erklärt, dass der Besuch Benedikts XVI. „hochgradig willkommen“
sei.
Im „Kathpress“-Gespräch wies Winkler auch darauf hin, dass es im Dezember
2012 im Libanon zu einem Zusammentreffen aller katholischen Patriarchate des Nahen
Ostens kommen werde. Dabei stehe die Weiterarbeit auf Grundlage des Synoden-Abschlussdokuments
auf dem Programm. Er werde ebenfalls an dem Symposion teilnehmen, sagte der Salzburger
Theologe.