„Der Papst ist so bescheiden – ganz anders als unsere Bischöfe“
Arabischer Frühling,
Krieg in Syrien, Anti-US-Unruhen in der islamischen Welt – ist das wirklich der richtige
Moment für einen Papstbesuch im Nahen Osten? Auch der Libanon selbst erlebt zur Zeit
„Konflikte und Spannungen“, sagt Anis Chahine, früherer Professor an der Pädagogischen
Fakultät der Libanesischen Universität, Beirut. Die Menschen hätten „Angst vor einem
zivilen und religiösen Krieg“, davor, „dass die Unruhen in Syrien sich in den Libanon
verbreiten“. Und doch sagt Chahine:
„Der Papst kommt in der richtigen Zeit
an. Die Libanesen legen viel Wert auf seinen Besuch im Libanon, denn unsere Gesellschaft
ist vom Hass zersetzt. Deshalb empfinden wir Sehnsucht nach Ruhe, Sicherheit und Solidarität.“
Eine
Sehnsucht, die der Papst stillen soll – wie ein Heilsbringer von außen. Und eine Sehnsucht,
in der sich Libanesen aller Gruppen und Glaubensrichtungen einigermaßen einig sind.
Darum, so meint der Professor, sind „alle Libanesen sehr begeistert, den Papst zu
empfangen“.
„Alle wissen, dass der Papst das größte religiöse Oberhaupt
der Welt ist. Trotzdem ist er ganz bescheiden! Man merkt das an seinem Benehmen, seinem
natürlichen Lächeln, seiner Kleidung usw.“.
Was für ein Kontrast zu den
Christenführern im Libanon, findet Chahine:
„Unsere Bischöfe sind immer
mit Gold verziert und werden mit Sang und Klang begleitet...“
Die Libanesen
machten in diesen Tagen eine echte Anstrengung, ihre ganzen Konflikte einmal beiseite
zu schieben.
„Wir müssen die anderen Leute verstehen, akzeptieren und sogar
lieben, wenn sie auch von uns verschieden denken und einen anderen Glauben haben.
Es wäre der Gipfel der Zivilisation! Der Libanon sollte immer ein Vorbild in diesem
Gebiet bleiben.“
Überraschenderweise findet Chahine, dass der Papstbesuch
„für die Moslems sogar einen größeren Wert hat als für die Christen selber“. Nicht
alle Christen im Land seien begeistert von Benedikt:
„Ein Teil von diesen,
die Orthodoxen, sehen misstrauisch aus.“
Hingegen hätten alle „gemäßigten
Moslems“ dem Papst einen „herzlichen Empfang“ bereitet:
„In der Tat sind
die Moslems des Libanon nicht so fanatisch als die anderen Moslems in den orientalischen
Ländern.“
Chahine doziert derzeit, als fast einziger Christ, an einer schiitischen
Universität von Beirut. Und kommt dort mit Studenten und anderen Professoren bestens
aus. Trotzdem urteilt er:
„Ich glaube, dass die Begriffe von Liebe, Vergeben
und Frieden ein bisschen fremd in der islamischen Religion sind, die zum „Jihad``,
dem Heiligen Krieg gegen die Nicht-Moslems aufruft. Was passiert denn jetzt in den
islamischen Ländern Irak, Ägypten, Iran, Pakistan usw.?“
In all diesen
Ländern seien „die Zukunft und das Schicksal der Christen“ bedroht, müssten sie „immer
Angst vor dem Fortschreiten der Fundamentalisten haben“.
„Auf jeden Fall
sollen die Christen sich nie verzweifelt fühlen. Man muss immer hoffen und moralisch
kämpfen. Oft denke ich an die Worte von Hermann Hesse: Damit das Mögliche entsteht,
muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“