2012-09-16 10:02:47

„Der Papst ist so bescheiden – ganz anders als unsere Bischöfe“


RealAudioMP3 Arabischer Frühling, Krieg in Syrien, Anti-US-Unruhen in der islamischen Welt – ist das wirklich der richtige Moment für einen Papstbesuch im Nahen Osten? Auch der Libanon selbst erlebt zur Zeit „Konflikte und Spannungen“, sagt Anis Chahine, früherer Professor an der Pädagogischen Fakultät der Libanesischen Universität, Beirut. Die Menschen hätten „Angst vor einem zivilen und religiösen Krieg“, davor, „dass die Unruhen in Syrien sich in den Libanon verbreiten“. Und doch sagt Chahine:

„Der Papst kommt in der richtigen Zeit an. Die Libanesen legen viel Wert auf seinen Besuch im Libanon, denn unsere Gesellschaft ist vom Hass zersetzt. Deshalb empfinden wir Sehnsucht nach Ruhe, Sicherheit und Solidarität.“

Eine Sehnsucht, die der Papst stillen soll – wie ein Heilsbringer von außen. Und eine Sehnsucht, in der sich Libanesen aller Gruppen und Glaubensrichtungen einigermaßen einig sind. Darum, so meint der Professor, sind „alle Libanesen sehr begeistert, den Papst zu empfangen“.

„Alle wissen, dass der Papst das größte religiöse Oberhaupt der Welt ist. Trotzdem ist er ganz bescheiden! Man merkt das an seinem Benehmen, seinem natürlichen Lächeln, seiner Kleidung usw.“.

Was für ein Kontrast zu den Christenführern im Libanon, findet Chahine:

„Unsere Bischöfe sind immer mit Gold verziert und werden mit Sang und Klang begleitet...“

Die Libanesen machten in diesen Tagen eine echte Anstrengung, ihre ganzen Konflikte einmal beiseite zu schieben.

„Wir müssen die anderen Leute verstehen, akzeptieren und sogar lieben, wenn sie auch von uns verschieden denken und einen anderen Glauben haben. Es wäre der Gipfel der Zivilisation! Der Libanon sollte immer ein Vorbild in diesem Gebiet bleiben.“

Überraschenderweise findet Chahine, dass der Papstbesuch „für die Moslems sogar einen größeren Wert hat als für die Christen selber“. Nicht alle Christen im Land seien begeistert von Benedikt:

„Ein Teil von diesen, die Orthodoxen, sehen misstrauisch aus.“

Hingegen hätten alle „gemäßigten Moslems“ dem Papst einen „herzlichen Empfang“ bereitet:

„In der Tat sind die Moslems des Libanon nicht so fanatisch als die anderen Moslems in den orientalischen Ländern.“

Chahine doziert derzeit, als fast einziger Christ, an einer schiitischen Universität von Beirut. Und kommt dort mit Studenten und anderen Professoren bestens aus. Trotzdem urteilt er:

„Ich glaube, dass die Begriffe von Liebe, Vergeben und Frieden ein bisschen fremd in der islamischen Religion sind, die zum „Jihad``, dem Heiligen Krieg gegen die Nicht-Moslems aufruft. Was passiert denn jetzt in den islamischen Ländern Irak, Ägypten, Iran, Pakistan usw.?“

In all diesen Ländern seien „die Zukunft und das Schicksal der Christen“ bedroht, müssten sie „immer Angst vor dem Fortschreiten der Fundamentalisten haben“.

„Auf jeden Fall sollen die Christen sich nie verzweifelt fühlen. Man muss immer hoffen und moralisch kämpfen. Oft denke ich an die Worte von Hermann Hesse: Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“

(rv 16.09.2012 sk)







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