Bilanz unseres Korrespondenten: „Papst Benedikt hat Mut bewiesen“
Mehr als siebzig Mal
wird der Libanon ausdrücklich in der Bibel erwähnt: Es war also Heiliges Land, was
der Papst an diesem Wochenende besuchte. Stefan Kempis von Beirut aus mit einer Bilanz
von Benedikts 24. Auslandsreise – der vierten auf den asiatischen Kontinent.
Eigentlich
hätte Papst Benedikt in den Irak fahren müssen: Das gemarterte Land Abrahams, aus
dem Christen zu Zehntausenden geflohen sind und immer noch fliehen, wäre der perfekte
Ort gewesen, um den Gläubigen im Nahen Osten Mut zu machen. Doch wie schon bei Johannes
Paul II., der sich mehrfach vergeblich um eine Irak-Visite bemühte, hat die wackelige
Sicherheitslage auch seinem Nachfolger keinen Trip nach Bagdad erlaubt. Also wurde
es der Libanon. Immerhin gab es für Benedikt hier doch eine wichtige Premiere – er
konnte sich zu einem Gespräch mit Vertretern der wichtigsten islamischen Gruppen des
Libanon treffen. Johannes Paul II. war das in Beirut sieben Jahre nach dem Bürgerkrieg
noch nicht möglich gewesen.
Papst Benedikt hat Mut bewiesen – seine Botschaft
hat er in einem explosiven Moment für den Nahen Osten präsentiert, und keine hundert
Kilometer von den Kämpfen in Syrien entfernt. Er hat auch Geschick bewiesen: Um sich
politisch nicht vereinnahmen zu lassen, äußerte er sich weder zur Palästinenserfrage
noch zum Syrien-Konflikt allzu deutlich oder gar parteiisch. Stattdessen war seine
Botschaft sehr simpel: „Meinen Frieden gebe ich euch“, ein Satz Jesu aus dem Johannesevangelium.
Diese Botschaft konnten im Libanon alle verstehen: Christen aller Riten und Couleurs,
Drusen, Alawiten, Sunniten oder Schiiten.
Was zu vermuten war: Die Libanesen
haben diese Reise, auch wenn sie eigentlich dem ganzen Nahen Osten galt, doch weitgehend
auf sich selbst bezogen. Zedern am Papstaltar, überall die libanesische Landesflagge,
keine Spur von Fahnen anderer Länder der Region. Die Frage ist, ob angesichts dieser
Vereinnahmung der Reise durch Libanesen, nicht zuletzt durch die Christen, auch ein
ägyptischer oder iranischer Christ noch das Gefühl haben kann, die Reise habe auch
ihm gegolten. Warum konnte nicht zum Beispiel bei Benedikts großer Messe in Beirut
statt des maronitischen Patriarchen etwa der Patriarch von Bagdad das Wort ergreifen?
Immerhin,
mein Urteil steht fest: Es war eine große und gelungene Papstreise. Die Region hat
ihr Friedenspotential gezeigt, ihre Sehnsucht nach dem Zusammenleben. Und dafür ist
Beirut als die wohl kosmopolitischste Stadt von Kleinasien und dem Mittelmeerraum
wohl doch der richtige Schauplatz. „Der Libanon ist mehr als ein Land, er ist eine
Botschaft“, hat Johannes Paul II. einmal gesagt. Diese Botschaft hat Benedikt XVI.
in diesen Tagen wieder zum Leuchten gebracht – hoffentlich über den Libanon hinaus.