„Pilger des Friedens“:
Diese große Überschrift prangt am Samstag auf dem Titel des englischsprachigen „Daily
Star“. Das Papstfoto, das über der Hälfte der Titelseite liegt, lässt sich anheben,
und darunter kommt dann die andere Hälfte der Titelseite zum Vorschein: „Antiamerikanische
Ausschreitungen in der islamischen Welt“. Der „Daily Star“ betont, dass Benedikt den
ganzen Nahen Osten eindringlich zur Versöhnung aufgerufen habe. „Man täuscht sich,
wenn man denkt, die Worte eines Papstes hätten keinerlei Auswirkungen“, urteilt ein
Editorial im Innenteil des Blattes: „Benedikt ist gerade erst angekommen in Beirut
und hat schon eine sehr vielfältige Botschaft lanciert. Er hat die Gläubigen vor Fundamentalismus
und Krieg gewarnt, er hat die Stimme gegen Ungerechtigkeit erhoben, und er hat den
Christen in Nahost signalisiert, dass sie nicht alleine sind… Doch er und die Welt
haben weiterhin die eklatante Ungerechtigkeit vor Augen, deren Opfer die Palästinenser
sind. Als politische Institution hat der Vatikan sich für Lösungen für diese Ungerechtigkeit
eingesetzt – aber Reden ist nur die eine Seite der Medaille. Der Vatikan sollte endlich
auch seine Verantwortung im Einsatz gegen Ungerechtigkeit wahrnehmen, indem er die
Palästinenserfrage zu einem konkreten Punkt auf seiner Tagesordnung macht… Libanons
hoher Staatsgast und der Vatikan sollten bei ihrem Einsatz für Frieden also auch ein
Auge darauf haben, dass handfeste Resultate gebraucht werden.“
Interessant
ist eine Reportage des „Daily Star“: Die südlichen Stadtteile von Beirut, die mehrheitlich
von Schiiten bewohnt werden, hätten dem Papst „einen ausgesprochen herzlichen Empfang
bereitet“. „Hisbollah-Pfadfinder und vollverschleierte Schülerinnen schwenkten Fahnen
und winkten, als sich der Konvoi des Papstes näherte…. Hisbollah-Poster hießen den
Papst „im Land des Widerstands“ willkommen, während andere von den Amal-Milizen den
Papst um Hilfe gegen Israel baten.“ Die Hisbollah, die den USA und anderen westlichen
Staaten als Terrororganisation gilt, hätten „ihr Versprechen gehalten“, den Papst
gut zu empfangen. „So etwas sieht man nicht jeden Tag“, mit diesen Worten zitiert
die Zeitung einen Ladeninhaber im Schiitenviertel: „Das wird die Lage hier vielleicht
etwas beruhigen und zum Frieden und zum Zusammenleben beitragen.“ Ein anderer Verkäufer
äußert: „Uns ist jeder friedliche Mensch willkommen. Wir sind mit Christen zusammen
aufgewachsen, und damals gab es keinen Fanatismus.“
„L`Orient le Jour“,
die französischsprachige Zeitung Beiruts, titelt: „Habt keine Angst, ruft der Mann
in Weiß.“ Die „übertriebene Sicherheit“ hindere die Libanesen daran, den Papst zu
„begleiten“. Anders als der „Daily Star“ berichtet das Intellektuellenblatt ausführlich
über die Apostolische Exhortation, die Benedikt am Abend des ersten Besuchstags in
Harissa unterzeichnete. Der melkitische Patriarch Gregorius III. habe eine politische,
der Papst eine pastorale Rede gehalten: „Zwei Ansprachen ohne Verbindung untereinander,
das ist der vorherrschende Eindruck von der Feier in Harissa.“ „Ob der Papst will
oder nicht, Exhortation hin oder her: Allein schon durch ihr Timing – syrische Krise,
Revolte über eine Youtube-Video – ist diese Papstreise viel mehr politisch als pastoral“,
das findet ein Kommentator. „Dem Papst ist das völlig klar… Wohl noch nie ist eine
Apostolische Exhortation so auf ihren politischen Gehalt abgeklopft worden. Ihre Worte
antworten auf tiefe Ängste und Zweifel der libanesischen Gesellschaft. Das scheinen
alle Teile des libanesischen Patchworks zu spüren, sogar die Hisbollah-Miliz… Sie
hat ihre Frauen im Tschador losgeschickt, um dem Papst zuzujubeln. Ob das nun eine
ehrliche oder eine scheinheilige Geste war, jedenfalls hat die schiitische Gemeinschaft
damit einen großen Punkt in diesem Krieg der Bilder gemacht.“ Tadelnd vermerkt der
Kommentator allerdings, dass der Mufti der Republik, die höchste Autorität des sunnitischen
Islam, „auf dem roten Teppich am Flughafen durch Abwesenheit geglänzt“ habe – dabei
sei er doch „ein Staatsangestellter“. Wieder einmal zeige sich hier „die chronische
Unfähigkeit der sunnitischen Führer, ihre kleine Minderheit“ von Radikalen „unter
Kontrolle zu halten.“
Dem guten Empfang für den Papst im Schiitenviertel scheint
eine Journalistin nicht ganz zu trauen: „Ein diszipliniertes, aber orchestriertes
Willkommen“ heißt ihre Reportage. „Der Szene fehlte Spontanität und echter Enthusiasmus,
alles wurde von den Ordnern der schiitischen Parteien geregelt.“ Ein Hisbollah-Pfadfinder
mit Papstmütze und einem Button von Ayatollah Khomeini erklärt der Reporterin: „Mein
Vater hat gesagt, steck mal diesen Button an, damit kannst du den Papst erschrecken.“
Kein Wunder, dass sie zu dem Urteil kommt: „Das gute Auskommen ist nur oberflächlich.“
Breiten Raum gibt „L`Orient le Jour“ den aus ihrer Sicht „mehr als intensiven und
für die Bürger extrem hinderlichen“ Sicherheitsmaßnahmen rund um Benedikt XVI.: „Nur
einige wenige Privilegierte konnten den Konvoi des Papstes in Harissa sehen.“ Das
habe die Gläubigen „frustriert“. Die Zeitung bringt einige Reaktionen von wartenden
Christen: „Ich hätte gewollt, dass man die Libanesen den Papst empfangen lässt, nicht
nur ein paar Wichtigtuer… Ich bin enttäuscht.“ Eine Frau, die den Papst zumindest
flüchtig gesehen hat, erklärt: „Ich war den Tränen nahe, mein Herz klopfte zum Zerspringen.
Er hat auf mich müde gewirkt. Ich komme auf jeden Fall am Sonntag wieder, um ihn im
Papamobil zu sehen. Schon die Tatsache, dass er hierher gekommen ist zu uns, ist ein
Grund zum Hoffen!“
Unter den arabischen Zeitungen Beiruts ist „Al Nahar“
die wichtigste. Sie titelt: „Benedikt ruft vom Libanon aus zum Kampf gegen Extremismus
auf.“ Im Innenteil spricht sie von einer „Aufnahme des Papstes, die des Zedernlandes
würdig ist“. Die Apostolische Exhortation gebe den Christen im ganzen Nahen Osten
„den Weg vor“. „Al Mustakbal“ hingegen titelt: „Der Papst begrüßt den Arabischen
Frühling, nennt ihn einen Schrei nach Freiheit.“ Auf fünf Seiten werden ausführlich
die Worte Benedikts beim Flug nach Beirut und auf dem Flughafen dokumentiert, dazu
die Erklärungen von Papstsprecher Federico Lombardi. Weitere drei Seiten bringen den
vollständigen Text der Apostolischen Exhortation – so etwas bietet nicht einmal „L`Orient
le Jour“.
Bleibt noch zu erwähnen, dass fast alle libanesischen Fernsehkanäle
alle Papst-Auftritte im Land live übertragen – und dazu pausenlos Dokumentationen
oder Gespräche mit Kirchenleuten. Das gilt auch für den Hisbollah-Fernsehsender „Al
Manar“. Dieser hat übrigens genauso viele Journalisten für die Beobachtung der Papstreise
akkreditiert wie für den kürzlichen Besuch von Irans Präsident Ahmedinedschad in Beirut.