Nuntius in Beirut warnt vor politischer Auslegung der Papstworte
Der Apostolische Nuntius in Beirut hat davor gewarnt, die Gesten und Worte des Papstes
im Libanon politisch auszulegen. Für das Land sei der Besuch eine Chance, „erneut
die Größe und Schönheit der eigenen Berufung als Nation“ zu erkennen, nämlich die
Aufgabe, als „verschiedene Identitäten in gegenseitigem Respekt zusammenleben“, so
Erzbischof Gabriele Giordano Caccia im Interview mit dem Fides-Dienst.
Der
Besuch des Papstes findet in einer Zeit statt, in der das fragile politische Gleichgewicht
des Landes durch die Ereignisse in Syrien, die soziale Unzufriedenheit und die Wirtschaftskrise
auf eine harte Probe gestellt wird. Dazu der Vatikan-Diplomat: „Es kann sein, dass
es hier und da jemanden gibt, der verschiedene Aspekte des Papstes für sich vereinnahmen
will. Doch es wäre gut für alle, wenn man den weiteren Horizont des Papstbesuchs berücksichtigen
würde, der alle Problematiken im ganzen Nahen Osten umfasst und nicht nur die politische
Lage im Libanon.“
Das Nachsynodale Apostolische Schreiben, dass der Papst
den Bischöfen des Nahen Ostens überreichen wird, enthalte „Vorschläge und Richtlinien,
die die Ortskirchen im jeweils eigenen Kontext im Bereich der Erziehung, der Wirtschaft
des Sozialen, der humanitären Hilfe und der Politik umsetzen sollen. Unter anderem
fanden seit der Sondersynode für den Nahen Osten in der Region große und oft verworrene
Veränderungen statt, die noch nicht abgeschlossen sind.“ Papst Benedikt wird das postsynodale
Schreiben an diesem Freitagabend unterzeichen und damit veröffentlichen. Am Sonntag
überreicht er es dann persönlich den Bischöfen bei einer großen Messe in Beirut.
Angesichts
einer geforderten „Stellungnahme“ der Kirche im Hinblick auf den Konflikt in Syrien
und die Aufstände im Nahen Osten erklärte Erzbischof Caccia in dem Interview, welche
Kriterien der Heilige Stuhl bei der Einordnung der Ereignisse zugrunde legt. Nach
Ansicht des Nuntius sollte man auf die jüngsten Äußerungen von Papst Benedikt XVI.
zu den Ereignissen im Nahen Osten zurückblicken, bis hin zu seinen Worten beim Angelusgebet
am vergangenen Sonntag. An erster Stelle stehe dabei das Leid der Völker. „Alle beteiligten
Parteien sollten sich deshalb dafür einsetzen, dass die Spirale der Gewalt beendet
wird, damit sich die Ereignisse in eine andere Richtung entwickeln. Dabei sollten
alle Handelnden an einer gemeinsamen Initiative der internationalen Staatengemeinschaft
beteiligt werden. Eine erste Initiative der Mittlertätigkeit von Kofi Anann ist leider
gescheitert, doch seine Argumente sind weiterhin gültig. Außerdem sollte man im Hinblick
auf die Ereignisse in Syrien berücksichtigen, dass es, abgesehen von den Geschehnissen
vor Ort um eine Neuausrichtung der Achse der regionalen Mächte geht.“
Mit
Blick auf ein solches globales Szenarium seien auch die Vorwürfe gegen die Christen
im Nahen Osten, die auf der Seite des Regimes stehen sollen, ganz offensichtlich falsch.
„Man sollte stets auf der Seite derjenigen stehen, die die Achtung und die Umsetzung
der Prinzipien der Freiheit und der Menschenwürde fordern. Doch diese Unterstützung
sollte auch die tatsächliche Wirklichkeit in Betracht ziehen“, sagte Erzbischof Caccia.
Wie bereits der maronitische Patriarch Bechara Boutros Rai betont habe, unterstützen
Christen keine autoritären Systeme, fürchteten aber die Auflösung der Staaten.
„Man
hat Angst davor, dass es eine ähnliche Entwicklung wie im Irak geben könnte, wo im
Alltag keinerlei Sicherheit mehr gewährleistet ist“, so der Nuntius in Beirut. Die
syrischen Christen befürchteten den Fall jener zivilen Ordnung, die ein Minimum an
Sicherheit im Alltag garantiert. „Aus diesem Grund muss die internationale Staatengemeinschaft,
so schwierig dies auch sein mag, nach möglichen Wegen suchen, die dazu führen, dass
die beteiligten Parteien die Willkür der Gewalt beenden“, betonte Caccia, „denn die
Alternative lautet Leid und Schmerz für alle. Gewalt macht vor niemandem Halt. Dies
wird auch an der traurigen Situation der Flüchtlinge deutlich, die unterschiedslos
aus allen Religionsgruppen kommen.“