2012-09-13 11:29:40

Bischof von Tripolis: „Das libysche Volk hat schon genug gelitten“


RealAudioMP3 Als Rückschlag für das libysche Volk auf seinem Weg zu mehr Demokratie und Selbstbestimmung sieht der Apostolische Vikar von Tripolis den blutigen Terroranschlag auf die US-amerikanische Botschaft in Bengasi vom Dienstagabend. Bei der Attacke kamen der US-Botschafter und drei seiner Mitarbeiter ums Leben. Der Anschlag war offenbar von langer Hand geplant. Die professionelle Vorbereitung spreche dafür, dass er bewusst für den Jahrestag des 11. September 2001 geplant war, hieß es aus Washington: Islamistische Terroristen wollten damit unterstreichen, dass sie sich weiterhin in einem Krieg mit den Vereinigten Staaten sehen. Die Mohammed-Satire eines US-Amateurfilmers - die nicht nur in Libyen, sondern auch in Ägypten, im Jemen und im Iran wütende Muslime auf die Straßen trieb - steht so offenbar in keinem kausalen Zusammenhang mit der Ermordung der vier Botschaftsmitarbeiter in Bengasi. Terror könne das libysche Volk gerade jetzt wirklich nicht gebrauchen, sagte Bischof Giovanni Innocenzo Martinelli gegenüber Radio Vatikan:

„Libyen befindet sich auf einem besonderen Weg des Wachstums, wir hatten die Wahlen und es wird eine neue Regierung gebildet. Wir brauchen jetzt eine gewisse Ruhe und Gelassenheit, damit das libysche Volk seine eigenen Entscheidungen treffen und auf eigenen Füßen gehen kann. Was jetzt passiert ist, nützt auf politischer Ebene nichts, es geht gegen die Politik und gegen die Religiosität und Sensibilität dieses Volkes, das doch schon genug gelitten hat. (…) Alle wollen hier eigentlich Frieden, aber es gibt innere Konflikte, die diesen behindern: Extremismen und Fundamentalisten, die sich Gehör verschaffen. Solche Ereignisse, die von außen kommen, erhöhen und fördern die Wut dieses Volkes, das in seiner Gemeinschaft wirklich den Frieden sucht.“

Vatikan und Muslime verurteilen den AnschlagAngesichts des Mordanschlages von Bengasi haben christliche und muslimische Religionsvertreter zu Verständigung, Besonnenheit und Gewaltprävention aufgerufen. Der Vatikan verurteilte die Ermordung der vier Botschaftsmitarbeiter in Bengasi scharf. Vatikansprecher Pater Federico Lombardi sprach von einem „schwerwiegenden, organisierten Attentat“. „Mörderische Gewalt“ und „terroristische Aktivitäten“ seien „durch nichts zu rechtfertigen“, so der Vatikansprecher, der zugleich den Schmerz über die Opfer in Worte fasste. Der Vatikan hoffe, dass die Internationale Gemeinschaft „die besten Wege“ finden möge, mit ihrem Einsatz „zur Förderung des Friedens in Libyen und im gesamten Nahen Osten“ beizutragen, heißt es in der Erklärung weiter. Mit Blick auf den Mohammed-Film rief Lombardi gleichzeitig zu Respekt gegenüber religiösen Überzeugungen auf.

Ähnlich äußerte sich die Leitung der Kairoer Al-Azhar-Universität: Reaktionen auf Verunglimpfungen des Islam müssten die Fakten klarstellen und dürften nicht Unschuldige für die Taten anderer verantwortlich machen, sagte Ahmed Al-Tayeb, Groß-Imam der im sunnitischen Islam prominenten Lehreinrichtung. Er äußerte sich am Mittwoch laut der ägyptischen Zeitung „Ahram Online“.

Auch die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) verurteilte die Gewalt gegen US-Vertretungen in Libyen und Ägypten. Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu erklärte am Mittwoch im saudischen Dschidda, er sei „schockiert“ über den Angriff von Bengasi; die Tat sei unter keinen Umständen hinnehmbar. Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht von Extremisten irgendeiner Seite in Geiselhaft nehmen lassen. Die Staaten müssten die betreffenden Fragen der Religions- und der Meinungsfreiheit auf internationaler Ebene angehen, so der Generalsekretär der Organisation von 57 Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung.

Aufruf zu interreligiöser Verständigung und ToleranzDass eine Verunglimpfung des Propheten Mohammed aus muslimischer Sicht eine schwerwiegende Beleidigung darstellt, daran erinnerte mit Blick auf die Mohammed-Satire des US-Amateurfilmers auch Bischof Innocenzo Martinelli von Tripolis im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Den Propheten anzurühren, mit dem sich die muslimisch-arabische Gemeinschaft identifiziert, ist etwas sehr Schwerwiegendes. Man macht sich das nicht klar: Man kann über politische Fragen sprechen und sich da nicht einig sein, aber wenn man den Propheten anrührt, geht es um Sensibilität und Identifikation. Ich weiß zwar nicht ganz genau, worum es in dem Film geht, aber wenn er die Sensibilität der arabischen Welt verletzt hat und in irgendeiner Weise respektlos über ihn gesprochen hat, tut das sicher nicht gut.“
Der Groß-Imam der Al-Azhar-Universität, Ahmed Al-Tayeb, rief islamische akademische Einrichtungen derweil auf, die Ursachen und steuernde Faktoren von Islamfeindlichkeit zu bestimmen und intellektuelle Mittel gegen solche Aggressionen zu suchen. Zugleich kündigte die Universität eine Kommunikationsinitiative über den Islam an. Diese solle sich vor allem an Nichtmuslime in islamischen Staaten und an islamische Zentren im Westen richten, besonders dort, wo antiislamische Anfeindungen ihren Ausgang nähmen.

(rv/kna 13.09.2012 pr)







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