2012-09-09 11:02:31

Vatikan/Pakistan: Blasphemiegesetz ein Mentalitätsproblem


Erleichterung bei Pakistans Christen: In wenigen Tagen wird die kleine Rimsha gegen Kaution freigelassen und kann zur ihrer Familie zurückkehren. Das 13-jährige Mädchen mit gesitiger Behinderung war wegen Koranverunglimpfung festgenommen worden. Die entscheidende Gerichtsverhandlung, in der über Schuld oder Unschuld des Mädchens befunden wird, steht aber noch aus. Familienmitglieder und christliche Aktivisten haben die etwa 8.000 Dollar gesammelt, die das Gericht als Kaution festgesetzt hatte. Erzbischof Silvano Maria Tomasi, Permanenter Beobachter des Heiligen Stuhls bei der UNO in Genf, äußert sich im Interview mit Radio Vatikan zu dem Kontext des Falles Rimsha:

„Die Situation der religiösen Minderheiten ist problematisch: Zunächst einmal für die Christen, aber auch für andere kleine Minderheiten. Das Problem, das sich nun angesichts dieser Realität ergibt, ist der Gebrauch des Blasphemiegesetzes. Es wird angesehen als ein Mittel zur persönlichen Rache oder für Amtsmissbrauch, aber auch um – wie manch einer sagt, Dörfer von Christen „zu befreien“.“

Vor wenigen Tagen war herausgekommen, dass es ein Imam war, der die angeblichen Beweise gegen das Mädchen fälschte: Er steckte die verbrannten Koranseiten in die Tasche der Müllsammlerin und beschuldigte sie dann der Blasphemie. Der Fall sorge für Aufsehen weit über Pakistan hinaus. Erzbischof Tomasi mutmaßt, dass die Aktion zum Ziel hatte, die christlichen Familien von Islamabad in die Flucht zu treiben, um nicht ihre Häuser brennen zu sehen. Deshalb sei der Fall eine „rote Alarmlampe“, die einige Fragen aufwerfe:

„Zunächst einmal, was wird in den Koranschulen gelehrt, die zum Großteil von islamistischen Kräften geführt werden, die sich weder dem Dialog noch der Toleranz öffnen. Das stellt ein schwieriges Problem für die Regierung Pakistans dar, aber auch für das Zusammenleben in der Gesellschaft. Zweitens wirft es neue Fragen im Hinblick auf das Blasphemiegesetz auf, das vom Gesichtspunkt des internationalen Rechts und der Menschenrechte aus als inakzeptabel gelten muss. Denn aufgrund seiner Vagheit wurde es oft als Mittel missbraucht, um die Rechte religiöser Minderheiten, nicht nur die der Christen, zu verletzen.“

Was in Pakistan in einer solche Lage braucht, ist aus Sicht des Vatikan-Diplomaten eine Art Bildungsinitative:

„Meiner Ansicht nach ist es notwendig, dass die lokale Regierung und Institutionen wirklich große Anstrengungen unternehmen, um eine andere Mentalität zu bilden, die es den Menschen ermögliche, ihre grundlegenden Menschenrechte gewahrt zu sehen.

Erschwerend komme nun hinzu, dass das Mädchen und seine Familie an einem geheimen Ort leben müssten, um nicht von Angriffen der Extremisten getroffen zu werden. Deshalb müsse das Rechtssystem grundlegenden Änderungen unterworfen werden,

„Damit die Entscheidungen, die getroffen werden, nicht zur Zielscheibe von Reaktionen aus dem Volk werden, die schließlich zu grundlegendem Unrecht führen. In diesem Fall habe ich beobachtet, dass die internationale öffentliche Meinung sich wirklich sehr entschieden für dieses behinderte und minderjährige Mädchen ausgesprochen hat. Das kann eine Hilfe sein, die wir alle geben können, um die Regierung und die lokalen Autoritäten Pakistans dabei zu unterstützen, die Rechte aller Personen entschiedener zu verteidigen, ohne eine Unterscheidung in erste und zweite Klasse auf der Basis ihrer religiösen Überzeugung vorzunehmen.“

(rv 09.09.2012 cs)








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