Ungarns Kirchen mit Primas Kardinal Peter Erdö an der Spitze bemühen sich, Armenien
zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Budapest zu bewegen. Jerewan
hatte die Beziehungen am Freitag abgebrochen, weil Ungarn einen aserbaidschanischen
Offizier abgeschoben hat. Dabei war dieser 2006 in Budapest wegen Mordes an einem
armenischen Soldaten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Bei seiner Rückkehr nach
Aserbaidschan wurde dem Abgeschobenen nun ein Staatsempfang bereitet. Dagegen gab
es in Armenien am Wochenende Proteste; in der Hauptstadt Jerewan verbrannten Menschen
auch die ungarische Nationalfahne. Präsident Serge Sarkissian sprach von „abscheulichen
Ereignissen“ in Aserbeidschan und Ungarn. Sarkissian hatte bereits am Freitag den
Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Ungarn beschlossen. Er wirft dem EU-Mitglied
vor, die Spannungen im Südkaukasus anzuheizen. „Wir wollen keinen Krieg. Aber wenn
man uns in einen hineinzieht, dann werden wir standhalten und siegen“, sagte Sarkissian,
der auf Russland als Schutzmacht setzen kann.
Unterdessen bemühen sich die
ungarische Regierung und die Kirchen des Landes um Schadensbegrenzung. Das Außenministerium
verurteilte die Begnadigung des Offiziers durch Aserbeidschan. Dies sei nicht mit
internationalem Recht vereinbar, sagte Außen-Staatssekretär Zsolt Nemeth dem aserbaidschanischen
Botschafter in Budapest. Baku habe vor der Abschiebung des Mannes in seine Heimat
offiziell versprochen, dass dieser dort seine Strafe verbüßen müsse, sagte Nemeth
weiter. Dies gehe aus einem Brief des aserbaidschanischen Justizministers vom 15.
August an seinen ungarischen Kollegen hervor. Die sozialistische Opposition in Ungarn
wirft der rechtsnationalen Regierung vor, Staatsanleihen an das durch seine Öl- und
Gasvorräte extrem reiche Aserbeidschan verkaufen zu wollen. Dabei geht es Medien zufolge
um zwei bis drei Milliarden Euro, die Aserbeidschan an Ungarn für die Obligationen
zu zahlen bereit sei.
Für Ungarns Regierung, die sich auch um einen Brückenbau
zu den christlichen Ländern in Osteuropa bemüht, ist die Affäre höchst unangenehm.
In einer gemeinsamen Stellungnahme des Außen -und Justizministerium heißt es, Ungarn
ehre weitgehend das christliche Armenien, seine Kultur und die Traditionen seines
Volkes. Ungarn bedauere den armenischen Schritt. Auch die führenden christlichen Kirchen
bekundeten ihre Solidarität „mit den armenischen Brüdern und Schwestern“. Kardinalprimas
Peter Erdö richtete als Vorsitzender der Ungarischen Bischofskonferenz am Samstagabend
ein Schreiben an Katholikos-Patriarch Karekin II. Erdö weist in dem Brief jede ethnische
Gewalt und Hass entschieden zurück. „Wir bitten den Allmächtigen, dass durch die Fürsprache
der heiligen Jungfrau Maria das ganze armenische Volk in seinen Schutz nehmen und
uns allen an der Gabe der Gerechtigkeit und des Friedens teilhaben lassen möge“, heißt
es.
Auch führende Vertreter der ungarischen reformierten und lutherischen
Kirche drückten dem Katholikos der armenischen Kirche ihre Solidarität aus. Das von
den Bischöfen Gusztav Bölcskei und Peter Gancs unterzeichnete Schreiben versichert
dem Patriarchen, dass die beiden Bischöfe und ihre Gemeinden auf der Seite der Kirche
und des Volkes von Armenien seien. Sie zweifelten nicht an der Gesetzeskonformität
der Maßnahmen der ungarischen Behörden, verurteilten aber die Folgen.