2012-09-02 13:23:29

Papst Benedikt: Nähe zu Gott muss von innen kommen


RealAudioMP3 An diesem Sonntag neigt sich in Castel Gandolfo das traditionelle jährliche Treffen des „Schülerkreises“ seinem Ende zu. Drei Tage lang haben sich ehemalige Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter Joseph Ratzingers mit dem Thema Ökumene beschäftigt, bei einigen der Veranstaltungen war auch der Papst selbst anwesend. Offiziell wird das Treffen am Montag mit einer gemeinsamen Messe beendet. Auch am Sonntagmorgen stand der Papst einer feierlichen Messe für die Mitglieder des alten und neuen Schülerkreises in der Kapelle des Zentrums Mariapoli in Castel Gandolfo vor. Bei dieser Gelegenheit hat er, wie beim anschließenden Angelus im Innenhof von Castel Gandolfo, über das Wort Gottes, das seinem Volk als Gesetz geschenkt wurde, reflektiert:

„Da ist im Deuteronomium die „Freude am Gesetz“: Gesetz nicht als Fessel, als etwas, das uns Freiheit nimmt, sondern als Geschenk und Gabe. Wenn die anderen Völker zu diesem großen Volk hinschauen werden – so sagt die Lesung, so sagt Mose -, dann werden sie sagen: Welch ein weises Volk! Sie werden die Weisheit dieses Volkes bewundern, die Gerechtigkeit des Gesetzes bewundern und die Nähe des Gottes, der zu ihm steht und ihm antwortet, wenn er angerufen wird. Dies ist die demütige Freude Israels, beschenkt zu sein von Gott. Das ist etwas anderes als Triumphalismus, als Stolz auf das Eigene: Es ist nicht stolz auf das eigene Recht, wie etwa Rom auf das römische Recht als Gabe an die Menschheit stolz sein durfte, wie Frankreich vielleicht auf den „Code Napoléon“, Preußen auf das Preußische Landrecht usw. stolz ist – Rechtsleistungen, die wir anerkennen.“

Israel wisse jedoch genau, so der Papst weiter, dass das Gesetz nicht selbst gemacht und nicht Frucht seiner eigenen Genialität sei, es sei vielmehr ein Geschenk Gottes. Die geschenkte Weisheit könne nur durch das Eingreifen des Menschen ihrer Würde beraubt werden, zur Fessel werden oder zur Selbstgerechtigkeit führen. Die Kirche selbst sei das universal gewordene Israel, das sich auf seinen Kern zurückbesinnen müsse: Auf Christus, der selbst das Leben und die Wahrheit sei. Sie müsse dankbar dafür sein, durch Christus aus der Dunkelheit geführt worden zu sein. Dabei sei jedoch auch sie nicht gefeit vor dem Phänomen der Selbstgerechtigkeit und des unverdienten Triumphalismus.

„Was sollen wir tun, was sollen wir sagen? Wir sind, glaube ich, gerade in dieser Phase, dass wir nur noch das Selbstgemachte an der Kirche sehen und uns die Freude am Glauben verdorben ist. Dass wir nicht mehr glauben und wagen, zu sagen: Er hat uns gezeigt, wer die Wahrheit ist, was die Wahrheit ist, er hat uns gezeigt, was der Mensch ist, er hat uns die Gerechtigkeit des rechten Lebens geschenkt. Wir fürchten, dass wir nur uns selber rühmen, und wir fürchten, dass wir nur uns fesseln lassen von Vorschriften, die uns an der Freiheit und Neuheit des Lebens hindern.“

Die Wahrheit müsse wieder als das entdeckt werden, das sie sei. Sie sie kein Gut, das man besitzen könne, sondern vielmehr besitze sie uns: erst dann werde sie wieder leuchten, wenn sie selbst uns führe und durchdringe, ohne dem Intellektualisieren zum Opfer zu fallen.

„Liebe Freunde, wir wollen den Herrn darum bitten, dass uns dies geschenkt werde. Der hl. Jakobus sagt heute in der Epistel: „Ihr dürft das Wort nicht nur hören, ihr müsst es tun.“ Das ist eine Warnung vor der Intellektualisierung des Glaubens und der Theologie. Das ist meine Befürchtung in dieser Zeit, wenn ich soviel Gescheites lese: dass das zu einem Spiel des Intellekts wird, in dem wir uns die Bälle zuwerfen, in dem das alles nur noch intellektuelle Welt ist, die unser Leben nicht durchdringt und formt, uns daher nicht in die Wahrheit hineinführt. Ich glaube, gerade uns als Theologen betrifft dieses Wort des heiligen Jakobus: Nicht bloss hören, nicht bloss hören – tun, sich von der Wahrheit formen lassen, sich von ihr führen lassen!“

Die Annäherung an Gott könne nur auf der inneren Ebene geschehen. Dabei müsse es stets aufs Neue überraschen und erfreuen, wenn nicht sogar bestürzen, dass Gott uns so nahe gekommen sei, dass er tatsächlich Mensch geworden sei.

„Lassen wir uns von dieser Freude wieder neu erfüllen: Wo ist ein Volk, dem sein Gott so nahe ist wie uns der unsrige? So nahe, dass er einer von uns ist; dass er mich von innen her anrührt; ja, dass er in der heiligen Eucharistie in mich hereintritt. Ein geradezu bestürzender Gedanke... Der heilige Bonaventura hat in seinen Kommuniongebeten einmal aus der Erschütterung über diesen Vorgang eine Formulierung gebraucht, die einen fast erschreckt; er sagt: Mein Herr, wie konntest du darauf kommen, in die schmutzige Latrine meines Leibes einzutreten? Ja, er tritt herein in unsere Armseligkeit, er tut es wissend, und er tut es, um uns zu durchdringen, zu reinigen und zu erneuern, damit durch uns, in uns Wahrheit in der Welt sei und Heil werde. Bitten wir den Herrn um Vergebung für unsere Gleichgültigkeit, für unsere Armseligkeit, die nur an sich selber denkt, für unsere Selbstsucht, die nicht der Wahrheit nachgeht, sondern der eigenen Gewohnheit und Christentum vielleicht oft nur als ein System von Gewohnheiten erscheinen lässt. Bitten wir Ihn, dass er mit Macht in unsere Seelen eintritt, dass Er da ist in uns und durch uns – und dass somit auch in uns die Freude entstehe: Gott ist da, und er liebt mich, er ist unser Heil! Amen.“

(rv 02.09.2012 cs)







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