Der frühere Erzbischof
von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini, ist tot. Er starb am Freitagnachmittag
im Alter von 85 Jahren nach einer langen Parkinson-Krankheit. Der Jesuit und international
renommierte Bibelwissenschaftler leitete die Mailänder Erzdiözese von 1979 bis 2002.
Er galt als eine der prägenden Figuren der Weltkirche und zeitweise als aussichtsreicher
Kandidat für das Papstamt. In Kontroversen um die Praxis und Lehre der katholischen
Kirche trat er oft mit betont pastoralen Positionen hervor und ging besonders auf
Nichtglaubende zu. Martini lebte nach seiner Emeritierung 2002 abwechselnd in Jerusalem
und Italien, bis ihn seine Krankheit 2008 endgültig zur Rückkehr in seine Heimat zwang.
Mit 52 Jahren wurde Martini Ende 1979 Erzbischof von Mailand. Papst Johannes
Paul II. persönlich weihte ihn am 6. Januar 1980 im Petersdom zum Bischof. Drei Jahre
später erhielt er das Kardinalsbirett. In Mailand kümmerte er sich um die großen kirchenpolitischen
Fragen ebenso wie um die Jugendarbeit oder die Ausländerpastoral. Große Beachtung
fand seine Methode der „lectio divina", die jungen und älteren Menschen auf der Suche
nach dem Sinn ihres Lebens im Mailänder Dom einen neuen Zugang zur Heiligen Schrift
erschloss. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Martini außerdem durch die Publikation
eines Briefwechsels mit Umberto Eco bekannt. Ihre geistreiche Diskussion über die
Frage „Woran glaubt, wer nicht glaubt?" erschien 1998 in Buchform. In Mailand richtete
Martini einen so genannten Lehrstuhl für die Nichtglaubenden ein, eine Serie von Begegnungen
und Gesprächen, in denen Glaubende und Nichtglaubende Fragen aneinander formulierten
und sich um Antworten bemühten.
Martinis Stellungnahmen zu vielen aktuellen
Fragen, zur Ökumene oder zur Säkularisierung, zu Korruptionsskandalen wie zur Bedeutung
der Medien machten den Mailänder Kardinal in den 1980er und 1990er Jahren zu einem
kirchlichen Vordenker in Italien, viele sahen in ihm einen Hoffnungsträger. Internationale
Beachtung fanden seine Stellungnahmen zum Islam, in denen er als erster eine „gerechte
Wechselseitigkeit" zwischen Christen und Muslimen einforderte: Was den Muslimen in
christlich geprägten Staaten zustehe, müsse auch den Christen in muslimisch geprägten
Staaten zugestanden werden.
(kap 31.08.2012 gs)
In unserem Audio-Angebot
hören Sie Auszüge aus einer Predigt, die Kardinal Martini in den neunziger Jahren
bei einem Besuch in St. Gallen auf deutsch gehalten hat.