2012-08-30 14:19:13

Kolumbien: Schritt in die richtige Richtung


RealAudioMP3 Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos bemüht sich um Friedensverhandlungen mit der linksgerichteten Guerilla-Truppe FARC. Entsprechende Gespräche werden, und das stellt vielleicht eine Überraschung dar, auf norwegischem Boden stattfinden. Susanne Breuer ist seit 2007 Kolumbienreferentin beim katholischen Hilfswerk Misereor. Im Radio-Vatikan-Interview erklärt sie die Hintergründe der neuen Entwicklungen.
Wie kam es zu dieser Wende in dem Konflikt, der ja nun seit Jahrzehnten andauert?
„Grundsätzlich ist das eigentlich keine überraschende Wende - nur die Ankündigung, dass tatsächlich schon Sondierungsgespräche stattgefunden haben und ganz konkret ein Datum für den Beginn der Verhandlungen, also der 5. Oktober, angekündigt wird. Das kam jetzt schon überraschend, weil die Vorbereitungen doch ganz im Geheimen und nur unter Regie der kolumbianischen Regierung stattgefunden haben. Dennoch kann man bemerken, dass im Vorfeld vieles darauf hingewiesen hat, dass zumindest in diesen Prozess etwas Bewegung gekommen ist. Auf der einen Seite hat Präsident Santos nach seiner Wahl im Jahr 2010 schon angekündigt, dass er die Opfer des Konflikts mehr berücksichtigen und entschädigen will, dafür hat er auch ein entsprechendes Opfergesetz verabschiedet. Auf der anderen Seite hat er im Gegensatz zu seiner Vorgängerregierung die Existenz eines bewaffneten Konfliktes überhaupt erst anerkannt. Unter der Vorgängerregierung wurden die FARC und die linksgerichteten Rebellen überhaupt nur als Terroristen bezeichnet, und es gab ausschließlich die Option einer militärischen Lösung des Konflikts. Die Anerkennung, dass es einen internen, bewaffneten Konflikt gab, war zumindest ein erstes Anzeichen dafür, dass Verhandlungen irgendwann wieder möglich sein könnten."

Warum hat man sich dafür entschieden, die Verhandlungen im Ausland und gerade in Norwegen zu führen?

„Da alles im Geheimen abgehalten wurde, haben wir keine konkreten Informationen darüber, aber der eine Grund dafür, dass die Verhandlungen auf jeden Fall im Ausland geführt werden sollen, sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Es gab unter Präsident Pastrana schon einmal den Versuch, Frieden mit der FARC zu schließen. Dazu hat man eine militärfreie Zone im Land bestimmt, wo die Verhandlungen stattgefunden haben - und dieser Prozess ist gescheitert. Er hat eigentlich nur dafür geführt, dass die FARC nur mehr erstarkt ist. Man will also aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und hat deswegen entschieden, dass die Verhandlungen im Ausland stattfinden müssen. Norwegen ist wahrscheinlich aus dem Grund dabei, weil es viel Erfahrung in internationalen Friedensverhandlungen hat. Die Norweger haben in vielen Konflikten eine vermittelnde Rolle eingenommen, und es ist zu vermuten, dass aus diesem Grund Norwegen wieder eine Rolle spielen soll."


Welche Rolle könnte Ihrer Ansicht nach die katholische Kirche gespielt haben, die sich ja schon von Anfang an als Vermittlungspartner angeboten hat und auch erste Vermittlungserfolge, vor allem was die Freilassung von Geiseln betrifft, erzielt hat? Beziehungsweise welche Rolle kann und muss die Kirche noch in Zukunft spielen?

„Die Kirche, vor allem in Person des Vorsitzenden der Bischofskonferenz in Kolumbien, Rubén Salazar Gomez, hat immer einen engen Dialog mit dem Präsidenten, gerade auch zu diesem Thema, geführt. Santos hat aber gesagt, er allein halte die Schlüssel zu den Friedensverhandlungen in der Hand, wollte diese also erst einmal nur von Regierungsseite einleiten. Er hat der Kirche aber durchaus signalisiert, dass sie zu einem gegebenen Moment eingeladen werden kann, eine Rolle zu spielen. Ganz konkret bei diesen Verhandlungen ist sie aber nicht eingeladen worden! Generell hat die Kirche aber immer eine große Rolle bei dem Thema Friedensentwicklung in Kolumbien gespielt, vor allem auf lokaler und regionaler Ebene. Die Kirche ist ja eine der wenigen Institutionen, die im ganzen Land präsent sind und dementsprechend Kontakte auch zu bewaffneten Gruppen haben und somit auch oft zur Entlassung von Geiseln beigetragen haben. Die Kirche hat 1995 eine nationale Versöhnungskommission gegründet, und diese Kommission ist weiterhin existent. In ihr finden sich nicht nur Kirchenvertreter, sondern auch Vertreter aus Gesellschaft und Politik. Diese Kommission könnte in Zukunft noch eine wichtige Rolle hinsichtlich der Schaffung eines dauerhaften Friedens spielen. Man muss durchaus sehen, dass ein Waffenstillstand noch lange nicht bedeutet, dass ein dauerhafter Frieden in Kolumbien geschaffen werden kann. Vor allem in der folgenden Zeit wird die Kirche bei der Schaffung von Frieden, das heißt für die soziale Gerechtigkeit oder bei Themen wie den Opfern des Konfliktes, eine wichtige Rolle spielen. Was aber auch zu beobachten ist, ist die Tatsache, dass sich in der kolumbianischen Zivilgesellschaft in Richtung Friedensbewegungen viel getan hat. Die sozialen Bewegungen, Basisorganisationen und Kleinbauern haben sich in den letzten beiden Jahren verstärkt zu Wort gemeldet, nationale Friedenstreffen veranstaltet und immer wieder eine Verhandlungslösung eingefordert. Daher sind diese Gruppierungen auch ein wichtiger Teil der Gesellschaft, die unbedingt in Friedensverhandlungen mit einbezogen werden müssen.“

Welche Chancen sehen Sie für einen Erfolg der jüngsten Verhandlungsversuche?

„Auf der einen Seite sind diese Gespräche sicher ein sehr positives Zeichen und ein wirklich konkreter Schritt, den es so im letzten Jahrzehnt nicht gegeben hat. Auf der anderen Seite gibt es noch viele Herausforderungen und auch Hindernisse für diesen Prozess. Von der Gesetzeslage her sind Bedingungen geschaffen worden. Die Regierung Santos hat einen sogenannten juristischen Rahmen für den Frieden verabschiedet bzw. reformiert, den es eigentlich auch schon unter Präsident Pastrana gegeben hat. Dieser lässt aber noch ganz viele Fragen offen. Eine der großen Fragen ist nactürlich die Frage nach den Menschenrechten, die Rechte der Opfer, die Amnestie für Kämpfer der Guerilla - und letzlich auch, wie diese Kämpfer reintegriert werden können in die kolumbianische Zivilgesellschaft. Es gibt auch einige Kräfte in der kolumbianischen Gesellschaft, die diesem Prozess nicht positiv gegenüber stehen, weil sie sagen, dass man die Guerilla nur militärisch bekämpfen kann. Insofern ist das ein wichtiges Signal und ist ein großer, wichtiger Schritt getan, aber es wird sicherlich eher ein langwieriger Prozess, und es ist kein einfacher Weg, tatsächlich zu einem dauerhaften Frieden zu kommen.“

(rv 30.08.2012 cs)







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