Kolumbiens Präsident
Juan Manuel Santos bemüht sich um Friedensverhandlungen mit der linksgerichteten Guerilla-Truppe
FARC. Entsprechende Gespräche werden, und das stellt vielleicht eine Überraschung
dar, auf norwegischem Boden stattfinden. Susanne Breuer ist seit 2007 Kolumbienreferentin
beim katholischen Hilfswerk Misereor. Im Radio-Vatikan-Interview erklärt sie die Hintergründe
der neuen Entwicklungen. Wie kam es zu dieser Wende in dem Konflikt, der ja
nun seit Jahrzehnten andauert? „Grundsätzlich ist das eigentlich keine überraschende
Wende - nur die Ankündigung, dass tatsächlich schon Sondierungsgespräche stattgefunden
haben und ganz konkret ein Datum für den Beginn der Verhandlungen, also der 5. Oktober,
angekündigt wird. Das kam jetzt schon überraschend, weil die Vorbereitungen doch ganz
im Geheimen und nur unter Regie der kolumbianischen Regierung stattgefunden haben.
Dennoch kann man bemerken, dass im Vorfeld vieles darauf hingewiesen hat, dass zumindest
in diesen Prozess etwas Bewegung gekommen ist. Auf der einen Seite hat Präsident Santos
nach seiner Wahl im Jahr 2010 schon angekündigt, dass er die Opfer des Konflikts mehr
berücksichtigen und entschädigen will, dafür hat er auch ein entsprechendes Opfergesetz
verabschiedet. Auf der anderen Seite hat er im Gegensatz zu seiner Vorgängerregierung
die Existenz eines bewaffneten Konfliktes überhaupt erst anerkannt. Unter der Vorgängerregierung
wurden die FARC und die linksgerichteten Rebellen überhaupt nur als Terroristen bezeichnet,
und es gab ausschließlich die Option einer militärischen Lösung des Konflikts. Die
Anerkennung, dass es einen internen, bewaffneten Konflikt gab, war zumindest ein erstes
Anzeichen dafür, dass Verhandlungen irgendwann wieder möglich sein könnten."
Warum
hat man sich dafür entschieden, die Verhandlungen im Ausland und gerade in Norwegen
zu führen?
„Da alles im Geheimen abgehalten wurde, haben wir keine konkreten
Informationen darüber, aber der eine Grund dafür, dass die Verhandlungen auf jeden
Fall im Ausland geführt werden sollen, sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit.
Es gab unter Präsident Pastrana schon einmal den Versuch, Frieden mit der FARC zu
schließen. Dazu hat man eine militärfreie Zone im Land bestimmt, wo die Verhandlungen
stattgefunden haben - und dieser Prozess ist gescheitert. Er hat eigentlich nur dafür
geführt, dass die FARC nur mehr erstarkt ist. Man will also aus den Fehlern der Vergangenheit
lernen und hat deswegen entschieden, dass die Verhandlungen im Ausland stattfinden
müssen. Norwegen ist wahrscheinlich aus dem Grund dabei, weil es viel Erfahrung in
internationalen Friedensverhandlungen hat. Die Norweger haben in vielen Konflikten
eine vermittelnde Rolle eingenommen, und es ist zu vermuten, dass aus diesem Grund
Norwegen wieder eine Rolle spielen soll."
Welche Rolle könnte Ihrer
Ansicht nach die katholische Kirche gespielt haben, die sich ja schon von Anfang an
als Vermittlungspartner angeboten hat und auch erste Vermittlungserfolge, vor allem
was die Freilassung von Geiseln betrifft, erzielt hat? Beziehungsweise welche Rolle
kann und muss die Kirche noch in Zukunft spielen?
„Die Kirche, vor allem
in Person des Vorsitzenden der Bischofskonferenz in Kolumbien, Rubén Salazar Gomez,
hat immer einen engen Dialog mit dem Präsidenten, gerade auch zu diesem Thema, geführt.
Santos hat aber gesagt, er allein halte die Schlüssel zu den Friedensverhandlungen
in der Hand, wollte diese also erst einmal nur von Regierungsseite einleiten. Er hat
der Kirche aber durchaus signalisiert, dass sie zu einem gegebenen Moment eingeladen
werden kann, eine Rolle zu spielen. Ganz konkret bei diesen Verhandlungen ist sie
aber nicht eingeladen worden! Generell hat die Kirche aber immer eine große Rolle
bei dem Thema Friedensentwicklung in Kolumbien gespielt, vor allem auf lokaler und
regionaler Ebene. Die Kirche ist ja eine der wenigen Institutionen, die im ganzen
Land präsent sind und dementsprechend Kontakte auch zu bewaffneten Gruppen haben und
somit auch oft zur Entlassung von Geiseln beigetragen haben. Die Kirche hat 1995 eine
nationale Versöhnungskommission gegründet, und diese Kommission ist weiterhin existent.
In ihr finden sich nicht nur Kirchenvertreter, sondern auch Vertreter aus Gesellschaft
und Politik. Diese Kommission könnte in Zukunft noch eine wichtige Rolle hinsichtlich
der Schaffung eines dauerhaften Friedens spielen. Man muss durchaus sehen, dass ein
Waffenstillstand noch lange nicht bedeutet, dass ein dauerhafter Frieden in Kolumbien
geschaffen werden kann. Vor allem in der folgenden Zeit wird die Kirche bei der Schaffung
von Frieden, das heißt für die soziale Gerechtigkeit oder bei Themen wie den Opfern
des Konfliktes, eine wichtige Rolle spielen. Was aber auch zu beobachten ist, ist
die Tatsache, dass sich in der kolumbianischen Zivilgesellschaft in Richtung Friedensbewegungen
viel getan hat. Die sozialen Bewegungen, Basisorganisationen und Kleinbauern haben
sich in den letzten beiden Jahren verstärkt zu Wort gemeldet, nationale Friedenstreffen
veranstaltet und immer wieder eine Verhandlungslösung eingefordert. Daher sind diese
Gruppierungen auch ein wichtiger Teil der Gesellschaft, die unbedingt in Friedensverhandlungen
mit einbezogen werden müssen.“
Welche Chancen sehen Sie für einen Erfolg
der jüngsten Verhandlungsversuche?
„Auf der einen Seite sind diese Gespräche
sicher ein sehr positives Zeichen und ein wirklich konkreter Schritt, den es so im
letzten Jahrzehnt nicht gegeben hat. Auf der anderen Seite gibt es noch viele Herausforderungen
und auch Hindernisse für diesen Prozess. Von der Gesetzeslage her sind Bedingungen
geschaffen worden. Die Regierung Santos hat einen sogenannten juristischen Rahmen
für den Frieden verabschiedet bzw. reformiert, den es eigentlich auch schon unter
Präsident Pastrana gegeben hat. Dieser lässt aber noch ganz viele Fragen offen. Eine
der großen Fragen ist nactürlich die Frage nach den Menschenrechten, die Rechte der
Opfer, die Amnestie für Kämpfer der Guerilla - und letzlich auch, wie diese Kämpfer
reintegriert werden können in die kolumbianische Zivilgesellschaft. Es gibt auch einige
Kräfte in der kolumbianischen Gesellschaft, die diesem Prozess nicht positiv gegenüber
stehen, weil sie sagen, dass man die Guerilla nur militärisch bekämpfen kann. Insofern
ist das ein wichtiges Signal und ist ein großer, wichtiger Schritt getan, aber es
wird sicherlich eher ein langwieriger Prozess, und es ist kein einfacher Weg, tatsächlich
zu einem dauerhaften Frieden zu kommen.“