2012-08-30 16:28:37

Kardinal Schönborn über den Ratzinger-Schülerkreis


RealAudioMP3 Über Ökumene mit den Lutheranern und Anglikanern sprechen in diesem Jahr die Angehörigen des Ratzinger-Schülerkreises; das Treffen unter Anwesenheit von Papst Benedikt beginnt am Freitag in Castel Gandolfo. Es ist bereits die 36. Zusammenkunft des Ratzinger-Schülerkreises, und einer seiner prominentesten Angehörigen ist der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. Er sagte uns:

„Bischof Ulrich Wilckens, der lutheranische Referent, wird vermutlich über das Rechtfertigungsthema sprechen und über das bevorstehende Gedenkjahr 500 Jahre Reformation. Natürlich bringt jeder das ein, was ihm die wichtigen Schwerpunkte sind. Bei den Anglikanern ist verständlicherweise zu erwarten, dass Bischof Charles Morerod, der Referent für die anglikanischen Fragen, die Möglichkeit für anglikanische Gruppen reden wird, dass sich Gemeinschaften als solche der katholischen Kirche anschließen, und wie sich das entwickelt.“

Zur Vorbereitung haben alle ein Buch von Kardinal Walter Kasper gelesen, „Die Früchte ernten - Grundlagen christlichen Glaubens im ökumenischen Dialog". Auch Kaspers Nachfolger als Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, wird diesmal als Gastredner beim Schülerkreis referieren. Die rund 25 Angehörigen des Kreises sind ehemalige Doktoranden von Professor Ratzinger aus Regensburger Zeiten. Mit besonderer Aufmerksamkeit werden sie den ersten Tagungspunkt verfolgen: den Jahresrückblick von Papst Benedikt auf die Ereignisse in Vatikan und Weltkirche.

„Das ist immer ein ganz wichtiger Moment, wenn der Papst zu Beginn des Schülerkreistreffens seine Tour d´horizon macht, da warten alle darauf, weil das Spannende daran seine Gabe ist, aus den konkreten Ereignissen des vergangenen Jahres Wichtiges hervorzuheben und es in ein Licht der Weisheit und der Unterscheidung zu stellen. Was er heuer besprechen wird, weiß ich nicht, ob er über die Interna des Vatikans sprechen wird oder über seine Reisepläne, über die bevorstehende Synode... das ist immer die Überraschung, welche Themen ihm wichtig sind. Vielleicht wird er etwas über die großen theologischen Themen sagen, die anstehen, über die schwierigen Gespräche mit der Piusbruderschaft. Vermutlich wird er etwas dazu sagen, aber das werden wir dann am Samstag sehen.“

Hier lesen Sie das gesamte Interview mit Kardinal Schönborn
Wie ist die Debattenkultur im Schülerkreis? Vielleicht hat die sich auch im Lauf der Jahre entwickelt? Neigt man da nach einer Zeit der Debatte einer Mehrheitsmeinung zu, oder ist jeder willkommen mit seiner persönlichen Meinung, auch wenn sie originell ist?

„Der Schülerkreis ist ein Kreis von Schülern, die bei Professor Ratzinger studiert haben und die gewohnt sind, in diesem Kreis zu argumentieren. Was zählt, ist die Kraft der Argumente. Es ist ein akademischer Kreis, da geht es nicht um Statistiken und Mehrheitsmeinungen, sondern um die Überzeugungskraft von Argumenten. Das heißt, es ist ein gemeinsames Suchen nach der Wahrheit, der historischen, philosophischen, theologischen Wahrheit. Man argumentiert miteinander, auch der Heilige Vater klinkt sich ein mit seinen Argumenten und seiner Teilnahme an der Debatte, die natürlich für unseren Schülerkreis auch so etwas hat wie das Wort des Meisters. Wie es das eben früher war, als wir als Doktoranden bei ihm waren, dass man sich ein Argument anschaut und dann sich freut, wenn er eine Synthese gibt. Die Gabe von Profoessor Ratzinger, von Papst Benedikt, eine Diskussion zusammenzufassen und das Wichtigste herauszuheben, ist ja weit über den Schülerkreis hinaus bekannt. Das ist diese unglaubliche Gabe, die er hat, zu synthetisieren, zusammenzufassen, und was wir sehr oft erlebt haben, manchmal wirklich mit großem Erstaunen: Wenn er so eine Debatte zusammenfasst, fragt man sich nachher selber, habe ich wirklich etwas so Gescheites gesagt? Weil in seiner Zusammenfassung eigentlich der gute, starke Kern eines Arguments herausgeschält und nocheinmal verstärkt wird, sodass ich das immer wieder erlebt habe, dass wir sagen, aha, das ist eigentlich ganz gescheit gewesen, was ich da gesagt habe, aber so gescheit habe ich das noch gar nicht verstanden gehabt! Da ist er nach wie vor wirklich ein unvergleichlich begabter Lehrer und Meister.“

Warum kommen Sie seit so vielen Jahren immer und wieder zusammen?

„Ja, warum tun wir das? Jetzt könnte man sagen, weil er der Papst ist, aber wir haben das ja auch gemacht, als er noch nicht Papst war, als er die Glaubenskongregation geleitet hat und die öffentlich Meinung oft sehr kritisch und negativ über ihn als den Glaubenshüter und so weiter gesprochen hat. Wir kommen, weil wir von unserem Lehrer einfach fasziniert sind und es jedes Mal eine große Bereicherung ist, mit ihm ein Thema durchzuarbeiten. Darum kommen wir seit Jahrzehnten zusammen. Das ist ja auch ein ziemlich einzigartiges Phänomen in der akademischen Welt.“

Die Theologie aus dem deutschen Sprachraum gilt als eine besonders entwickelte und facettenreiche Theologie. Der Schülerkreis ist international zusammengesetzt, auch wenn die Ratzingerschüler deutscher Muttersprache in der Mehrheit sind. Wie würden Sie den Beitrag von nichtdeutschen Theologen zum Schülerkreis einschätzen?

„Durchaus wichtig und prägend unter den nichtdeutschen Schülern sind Leute aus allen Kontinenten, auch aus unterschiedlichen theologischen Richtungen. Ich denke an den englischsprachigen Beitrag des Schülerkreises, ein Pater Fessio, Jesuit in Amerika, der große Verleger der Werke von Joseph Ratzinger seit inzwischen Jahrzehnten, oder ein Father Vincent Twomey in Irland, der einer der führenden Moraltheologen in Irland ist, oder ein Barthelemy Adoukonou aus Benin, der jetzt in der Kurie als Sekretär des Kulturrates wirkt, oder eine Voctoria Kim, die in Korea professorin an einer staatlichen Universität war, inzwischen auch schon in Pension wie die meisten von uns. Der Schülerkreis geht rund um die Welt und geht hinein zu den Orthodoxen, er hatte ja einige orthodoxe Doktoranden. Ich denke, der Schülerkreis ist weit über den deutschen Sprachraum wirksam und prägend geblieben, auch wenn wir jetzt alle schon etwas betagtere Herrschaften sind!“

(rv 30.08.2012 gs)








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