Mali: „Die Militärs sind nervös“ – Flüchtlingskrise
Bewaffnete Aufständische
rekrutieren Hunderte von Kindern, Hunderttausende von Menschen flüchten vor der Gewalt:
Wir reden nicht von Syrien, sondern von Mali. Dort halten seit Ende März Islamisten
und aufständische Tuareg den ganzen Norden besetzt, das sind zwei Drittel des Landes.
Den Rebellen kommt zugute, dass in der malischen Hauptstadt Bamako gerade eine Regierungskrise
herrscht, die auch die Armee lähmt. Seit Mitte Januar sind etwa 436.000 Menschen aus
dem Norden geflohen, und allein 32.500 von ihnen landeten in der Stadt Mopti genau
auf der Grenze von Nord nach Süd.
Leopold Diedere ist der Generalvikar von
Mopti. „Sie sind völlig überstürzt von zu Hause aufgebrochen“, sagt er im Gespräch
mit Radio Vatikan über die Flüchtlinge, „und haben deswegen alles zurückgelassen.
Die Caritas des Bistums arbeitet unglaublich, um ihnen zunächst mal irgendeine Wohnung,
irgendein Dach über dem Kopf zur Verfügung zu stellen. Dabei helfen der „catholic
relief service“ und die deutsche Caritas. Wir brauchen im Handumdrehen Zelte, Toiletten
und Nahrungsmittel. Die Flüchtlinge kommen ja mit buchstäblich nichts in der Hand
hier an.“
Die unsichere Lage im Norden hat zu einer schweren humanitären
Krise geführt: Zwischen Gao und der Grenze zu Niger ist vor kurzem die Cholera ausgebrochen,
in Timbuktu waren es die Röteln. Aber die Menschen, die den Norden Hals über Kopf
verlassen, halten sich in der Nähe der Grenze zwischen Nord und Süd auf – „sie wollen
nicht weiter gen Süden ziehen, denn da haben sie niemanden, der auf sie warten würde“,
erklärt der Generalvikar von Mopti.
„Die einzigen, die weiterziehen, sind
Leute aus dem Süden, die im Norden gearbeitet hatten; alle anderen Flüchtlinge bleiben
hier in Mopti. Sie erzählen uns von der Gewalt in ihren Dörfern: von Vergewaltigungen,
Raub, ständigen Demütigungen. Ein normales Leben ist im Norden von Mali offenbar nicht
mehr möglich; diese Leute mussten fliehen, um ihr Leben zu retten.“
In
vielen Städten und Dörfern des Nordens wenden die Islamisten, die mit al-Quaida verbunden
sind, mittlerweile das islamische Recht der Scharia in seiner strengsten Variante
an: Handabhacken für Diebe zum Beispiel. Taliban auf afrikanisch. Das Kinderhilfswerk
Unicef wies an diesem Wochenende auch darauf hin, dass die Bewaffneten im Norden zwangsweise
Hunderte von Kindern als Soldaten oder Helfer rekrutierten; allein im Juli habe es
mindestens 175 Jungen im Alter zwischen zwölf und 18 getroffen. Allerdings, so Unicef,
gingen einige Kinder auch freiwillig zu den Rebellen – wegen der großen Armut in ihren
Familien.
„Übrigens: Wenn wir den Flüchtlingen zu essen geben, dann sagen
sie, darum geht es uns eigentlich nicht. Die Regierung sollte im Norden wieder Ruhe
und Ordnung herstellen, damit wir schnell zurückkehren können – das ist das einzige,
an was sie denken. Sie wollen uns, ihren Helfern, nicht auf der Tasche liegen.“
Ob
die Flüchtlinge bald zurück in den Norden können, hängt davon ab, ob Malis Regierung
und Militär wieder handlungsfähig werden. In Bamako sind Verhandlungen im Gang, um
die ewige Regierungskrise zu beenden; erst wenn das gelingt, kann das Militär eingreifen.
Generalvikar Didiere betont:
„Keiner, wirklich keiner, will wirklich eine
Spaltung des Landes. Das kann sich keiner vorstellen, die öffentliche Meinung in Mali
ist ganz gegen diese Möglichkeit. Allerdings – was das Knäuel an Problemen in Mali
im Moment betrifft - da gibt es leider eine Blockade in der Politik. Wir haben hier
das Militär, mit dessen Vertretern ich mich oft treffe, und uns allen ist klar: Wir
sind hier das letzte Bollwerk zum Süden von Mali. Die Militärs sind nervös, sie warten
auf eine Lösung der politischen Wirren, um endlich das nationale Territorium wiedererobern
und die Einheit des Landes wiederherstellen zu können.“