2012-08-20 12:50:22

Mali: „Die Militärs sind nervös“ – Flüchtlingskrise


RealAudioMP3 Bewaffnete Aufständische rekrutieren Hunderte von Kindern, Hunderttausende von Menschen flüchten vor der Gewalt: Wir reden nicht von Syrien, sondern von Mali. Dort halten seit Ende März Islamisten und aufständische Tuareg den ganzen Norden besetzt, das sind zwei Drittel des Landes. Den Rebellen kommt zugute, dass in der malischen Hauptstadt Bamako gerade eine Regierungskrise herrscht, die auch die Armee lähmt. Seit Mitte Januar sind etwa 436.000 Menschen aus dem Norden geflohen, und allein 32.500 von ihnen landeten in der Stadt Mopti genau auf der Grenze von Nord nach Süd.

Leopold Diedere ist der Generalvikar von Mopti. „Sie sind völlig überstürzt von zu Hause aufgebrochen“, sagt er im Gespräch mit Radio Vatikan über die Flüchtlinge, „und haben deswegen alles zurückgelassen. Die Caritas des Bistums arbeitet unglaublich, um ihnen zunächst mal irgendeine Wohnung, irgendein Dach über dem Kopf zur Verfügung zu stellen. Dabei helfen der „catholic relief service“ und die deutsche Caritas. Wir brauchen im Handumdrehen Zelte, Toiletten und Nahrungsmittel. Die Flüchtlinge kommen ja mit buchstäblich nichts in der Hand hier an.“

Die unsichere Lage im Norden hat zu einer schweren humanitären Krise geführt: Zwischen Gao und der Grenze zu Niger ist vor kurzem die Cholera ausgebrochen, in Timbuktu waren es die Röteln. Aber die Menschen, die den Norden Hals über Kopf verlassen, halten sich in der Nähe der Grenze zwischen Nord und Süd auf – „sie wollen nicht weiter gen Süden ziehen, denn da haben sie niemanden, der auf sie warten würde“, erklärt der Generalvikar von Mopti.

„Die einzigen, die weiterziehen, sind Leute aus dem Süden, die im Norden gearbeitet hatten; alle anderen Flüchtlinge bleiben hier in Mopti. Sie erzählen uns von der Gewalt in ihren Dörfern: von Vergewaltigungen, Raub, ständigen Demütigungen. Ein normales Leben ist im Norden von Mali offenbar nicht mehr möglich; diese Leute mussten fliehen, um ihr Leben zu retten.“

In vielen Städten und Dörfern des Nordens wenden die Islamisten, die mit al-Quaida verbunden sind, mittlerweile das islamische Recht der Scharia in seiner strengsten Variante an: Handabhacken für Diebe zum Beispiel. Taliban auf afrikanisch. Das Kinderhilfswerk Unicef wies an diesem Wochenende auch darauf hin, dass die Bewaffneten im Norden zwangsweise Hunderte von Kindern als Soldaten oder Helfer rekrutierten; allein im Juli habe es mindestens 175 Jungen im Alter zwischen zwölf und 18 getroffen. Allerdings, so Unicef, gingen einige Kinder auch freiwillig zu den Rebellen – wegen der großen Armut in ihren Familien.

„Übrigens: Wenn wir den Flüchtlingen zu essen geben, dann sagen sie, darum geht es uns eigentlich nicht. Die Regierung sollte im Norden wieder Ruhe und Ordnung herstellen, damit wir schnell zurückkehren können – das ist das einzige, an was sie denken. Sie wollen uns, ihren Helfern, nicht auf der Tasche liegen.“

Ob die Flüchtlinge bald zurück in den Norden können, hängt davon ab, ob Malis Regierung und Militär wieder handlungsfähig werden. In Bamako sind Verhandlungen im Gang, um die ewige Regierungskrise zu beenden; erst wenn das gelingt, kann das Militär eingreifen. Generalvikar Didiere betont:

„Keiner, wirklich keiner, will wirklich eine Spaltung des Landes. Das kann sich keiner vorstellen, die öffentliche Meinung in Mali ist ganz gegen diese Möglichkeit. Allerdings – was das Knäuel an Problemen in Mali im Moment betrifft - da gibt es leider eine Blockade in der Politik. Wir haben hier das Militär, mit dessen Vertretern ich mich oft treffe, und uns allen ist klar: Wir sind hier das letzte Bollwerk zum Süden von Mali. Die Militärs sind nervös, sie warten auf eine Lösung der politischen Wirren, um endlich das nationale Territorium wiedererobern und die Einheit des Landes wiederherstellen zu können.“

(rv 20.08.2012 sk)









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