Österreich/Russland: „Grundrechtskonflikt, der Abwägung verlangt“
Als aus der Sicht der katholischen Kirche „inakzeptabel“ hat die österreichische kirchliche
Menschenrechtsexpertin Ingeborg Gabriel das Urteil eines Moskauer Gerichts gegen die
Punkband „Pussy Riot“ bezeichnet - auch wenn die Störung eines Gottesdienstes für
politische Zwecke grundsätzlich nicht gutgeheißen werden kann. Das Urteil verstoße
gegen die Menschenrechte, sagte die Direktorin der österreichischen Kommission „Iustitia
et Pax“ am Sonntag gegenüber Kathpress. Die katholische Kirche habe die Menschenrechte
am Zweiten Vatikanischen Konzil anerkannt und damit das Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit.
Sie habe zudem viel zu ihrer Durchsetzung in den ehemals kommunistischen Ländern beigetragen.
Gleiches gelte heute in Asien und Afrika. Die drei jungen Musikerinnen Marija
Aljochina, Jekaterina Samuzewitsch und Nadeschda Tolokonnikowa hatten im Februar mit
einem „Punk-Gebet“ in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau gegen eine
Wiederwahl Wladimir Putins als Staatspräsident protestiert. Am Freitag wurden sie
wegen „Rowdytums aufgrund von Religionshass“ zu zwei Jahren Straflager verurteilt,
was breite internationale Proteste auslöste.
„Grundrechtskonflikt, der
Abwägung verlangt“ Abseits der Kritik an dem Moskauer Urteil bleibe die
Frage, wie mit der Störung eines Gottesdienstes umzugehen ist, mit einer politischen
Demonstration im Kirchenraum, selbst wenn einem diese sympathisch sein sollte und
in religiöser Sprache vorgebracht werde, führte Gabriel aus. Aus Gründen der Religionsfreiheit,
„zu der auch die Kultfreiheit und damit die Ungestörtheit von Gottesdiensten gehört“,
sei eine solche Störung grundsätzlich nicht vertretbar. „Aus Gründen der öffentlichen
Ordnung können nicht Gruppen verschiedenster Provenienz in Kulträume eindringen und
dort ihre Parolen verkündigen“, betonte Gabriel. Es handle sich hier „um einen Grundrechtskonflikt,
der wie alle derartigen Konflikte eine Abwägung verlangt - in dem Fall zwischen dem
Recht auf Meinungs- und jenem auf Religionsfreiheit“. In Österreich würde man sich
in einem solchen Fall wohl auf einen kirchlichen Protest gegen die Störung des Gottesdienstes
beschränken. In Russland sei die politische Lage freilich eine ganz andere. Amnesty
International habe die Frauen daher zu Recht als Gewissensgefangene eingestuft.