In der gegenwärtigen Krise Europas können theologisch begründete Antworten Alternativen
für eine ethische Bewertung anbieten. Solche Antworten würden sich nicht von Stimmungsbarometern,
Machtstrategien oder ökonometrischen Modellen leiten lassen. Das schreibt der Sozialethiker
Elmar Nass in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom Freitag. Auftrag
christlicher Sozialethik sei es, „mit ihren Werten und Prinzipien dem Schöpfungsplan
Gottes entsprechend die Gesellschaft mitzugestalten und ihr plausible ethische Orientierungen
an die Hand zu geben“. Nass will mit seiner Position die Relevanz christlicher Mitverantwortung
bei der „Lösung aktuell drängender Fragen starkmachen.“ Eine offizielle Stellungnahme
der Kirche fehle bisher. Seiner Meinung nach führt ein Weg aus der Krise nur über
die Solidarität. Diese sei aber durch die Ernüchterung getrübt: Im Süden Europas sehe
man Deutschland als Buhmann, während gleichzeitig in Deutschland nicht eingelöste
Sparversprechen der Südländer wahrgenommen würden. Das dürfe man nicht allein pragmatisch
oder politisch angehen, so Nass. Sein Plädoyer für die Solidarität müsse aber
immer unter Einschluss des Prinzips der Subsidiarität gesehen werden, in der aktuellen
Krise dürften deswegen Geldwertstabilität und Solidität nicht außer Acht gelassen
werden, auch wenn dies auf den Widerstand betroffener Länder stoße. Ein außer-acht-Lassen
gebe das gegenseitige Vertrauen preis, ohne das Europa nicht existieren könne. Nass
wirbt für ein katholisch begründetes, freiheitliches Verständnis einer Solidarität
der Verantwortung. Solch eine Solidarität schließe auch eine gewisse Härte nicht aus:
Wenn ein Land seine Konsolidierung nicht schaffe, dürfe es auch nicht weiter von den
anderen alimentiert werden. Eine Aufgabe der Kirchen läge hier in der Anprangerung
von Korruption und Verschwendung. Darüber hinaus brauche es den Einsatz in Bildung,
um die Kultur der gemeinsamen Verantwortung zu stärken.