Der Botschafter des Papstes in Deutschland sorgt sich um die Zukunft der katholischen
Kirche in der Bundesrepublik. „Der Papst leidet unter der bisweilen verschlossenen
Haltung ihm gegenüber in Deutschland.“ Das sagte der Apostolische Nuntius, Erzbischof
Jean-Claude Périsset, in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview der in
Bonn erscheinenden Zeit-Beilage „Christ und Welt“. Es sei ein „großer Verlust“, dass
die Kirche in Deutschland so wenig auf den Papst höre.
Zum Dialogprozess,
den die Deutsche Bischofskonferenz in Gang gebracht hat, meinte Périsset: „Es war
von den Bischöfen ein mutiger Schritt, das Gespräch mit dem Kirchenvolk zu suchen.“
Er gab allerdings zu bedenken, man dürfe nicht „die Kirche von den Füßen auf den Kopf
stellen“. Zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen erklärte er: „Ich habe noch
keinen Bischof gefunden, der sagt, dass generell einfach alle wiederverheirateten
Geschiedenen zur Kommunion zugelassen werden können. Es kommt eben immer auf den Einzelfall
an.“ Wer sich alles zu einfach vorstelle, „der kennt die Problematik nicht“. Das gelte
auch mit Blick auf die Rolle von Frauen in der Kirche: „Auch da fehlt es an Verständnis,
ja.“
Mit Blick auf die Debatte um die Kirchensteuer sagte der Nuntius, die
Kirche in der Bundesrepublik sei „manchmal zu viel mit der Verteilung der Mittel beschäftigt
und vergisst dabei die Verkündigung der Frohen Botschaft“. Auf die Frage nach den
Gründen für leere Kirchen und geringen Priesternachwuchs betonte Perisset, es gebe
kein Versagen der Institution Kirche; die Gründe lägen in der Mentalität der Menschen
und in einem fehlenden Glauben. „Wir brauchen eine neue Kultur der Gemeinschaft, des
Miteinanders im Glauben. Deswegen brauchen wir auch große Feiern wie den Weltjugendtag
oder die Papstmesse im Olympiastadion. Die zeigen: Du bist nicht allein“, so der Nuntius.
Deutlich
wies Erzbischof Périsset Kritik an einer Studie zur Missbrauchskrise in der deutschen
Kirche zurück, die die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hat. Auch wenn
protestierende Priester sich als besonders papsttreu sähen: „Es heißt doch nicht,
dass ... sie deswegen recht haben.“ Mit ihrer Kritik hätten die Priester „überzogen“,
es fehle „an einer Vertrauenshaltung ihren Bischöfen gegenüber“.
Die Vatileaks-Affäre
ist aus der Sicht Périssets „ein undenkbarer Vorgang im so nahen Bereich des Papstes“.
Es tue ihm „sowohl für den Papst als auch für den Täter leid“. Wörtlich sagte der
Nuntius: „Da müssen Mesnchen gehandelt haben, die nur sich im Blick hatten, nicht
das Ganze. Es braucht Zeit, diese Krise zu überwinden.“