Subsaharisches Afrika: Konfliktbarometer im roten Bereich
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen
im subsaharischen Afrika sind zahlreich und scheinen gerade für ausländische Beobachter
oft extrem undurchschaubar zu sein. Auch die Medien sind davor nicht gefeit. Immer
wieder waren die Staaten Mali, Kongo, Ruanda und Nigeria mit verschiedenen Krisenberichten
in der Presse. Und spätestens, seit an diesem Mittwoch auch die Internationale Konferenz
der Region der Großen Seen (ICGLR) in Kampala zu keinem Fortschritt gekommen ist,
wird klar, wie schwierig eine Auseinandersetzung mit den Konflikten in Afrika ist.
Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) erstellt jedes
Jahr die „Konfliktbarometer“-Analyse, die sich durch genaue Beobachtung und Analyse
bemüht, mehr Klarheit in die Situation zu bringen. HIIK Afrikaexperte und Teamleiter
Simon Ellerbruck erklärt im Radio Vatikan-Interview die Vorgehensweise seines Instituts:
„Das
versuchen wir dadurch, dass wir in unserer jährlichen Publikation, dem „Konfliktbarometer“,
alle politischen Konflikte weltweit erfassen und diese in Intensitätsstufen kategorisieren,
sie genauer beschreiben und sie dadurch einstufbar machen. Das tun wir, indem wir
jede Form von Datenmaterial (von Datenbanken über Zeitungsartikel bis hin zu größeren
Publikationen) analysieren, auf Richtigkeit überprüfen und dann alle Ergebnisse in
unsere eigene Datenbank eingeben. Auf Basis dieser Datenbank erstellen wir unsere
Konfliktberichte, die dann in aktuellen Publikationen aufgegriffen werden.“
Mit
einer detaillierten Beschreibung der Konfliktlinien im Kongo etwa hatte sich die Allgemeinheit
in den vergangenen Monaten besonders schwer getan. So fand man verschiedene Meldungen,
die Tendenzen aufwiesen, entweder dem ideologischen Aspekt auf der einen Seite oder
dem wirtschaftlichen Aspekt auf der anderen Seite mehr Gewicht in dem Konflikt zuzuschreiben.
„Zunächst fällt es uns schwer, von reinen Ressourcen- oder reinen Ideologiekonflikten
zu sprechen. Diese Dinge spielen auf jeden Fall eine Rolle, und zum Teil können sie
eine Ursache darstellen, aber wenn man sich Konflikte anschaut, in denen vor allem
der Kampf um Ressourcen eine Rolle spielt, verglichen mit denen, in denen ideologische
Motive im Zentrum stehen, dann können wir keine Tendenz von einem Auslöser zum anderen
feststellen. Allgemein geht es darum, dass sich Ideologie als Motivation und andererseits
der Fokus auf Ressourcen nicht klar abgrenzen lassen, sondern dass sich das oft überlappt.
Genau diese Tatsache macht es so schwierig, Konfliktdynamiken zu verstehen.“
So
sympathisiert zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo die M23-Rebellengruppe
mit den in Ruanda regierenden Tutsis. Die kongolesischen Regierung dagegen versucht
mit ihrer Armee sowohl die Hutu-Minderheiten, die aus Ruanda fliehen, als auch den
eignen, kongolesischen Teil der Bevölkerung, der den Hutus angehört, zu schützen.
Zusätzlich ist das nahe an Ruanda gelegene Grenzgebiet des Nord-Kivu reich an Mineralien,
die auch für wirtschaftliche und politische Konkurrenz zwischen den Konfliktparteien
sorgen. Doch auch in anderen Regionen Afrikas regiert das Chaos.
„Im letzten
Jahr haben wir eine starke Eskalation in Nigeria, die durch die Boko Haram-Sekte provoziert
wurde, festgestellt. Des weiteren haben wir mehrere, hochgewaltsame Konflikte im Sudan
beobachtet, die natürlich in Zusammenhang mit der Abspaltung des Südens standen. Weitere
hochgewaltsame Konflikte haben wir in der Demokratischen Republik Kongo sowie auch
in Somalia verzeichnet.“
Es sei häufig eine Kombination von Gründen, die
für die Gewalt verantwortlich zu machen sind. Als ein Beispiel für die Multikausalität,
auf die sich die Konflikte im subsaharischen Afrika zurückführen lassen, führt er
das Beispiel Mali an, das nach den Anschlägen islamistischer Rebellen gegen die Regierung
im vergangenen Monat häufig mit Krisenmeldungen in den Medien war.
„Bei
diesem Krisenherd kamen mehrere Faktoren zusammen. Anfang des Jahres war der Präsident
durch einen Putsch aus dem Amt vertrieben worden. Somit entstand ein Machtvakuum,
das den Weg bereitete sowohl für bewaffnete Gruppierungen innerhalb des Nomadenstammes
der Tuareg, als auch für die Al Quaida im islamischen Maghreb, die in Kombination
mit anderen islamistischen Gruppierungen wie der Ansa Dine und der MUJAO auftreten.
Es handelt sich also nie um Monokausalitäten. Es kommen immer viele Faktoren zusammen,
die dafür sorgen, dass so ein Konflikt eskaliert. Dasselbe trifft auch für Nigeria
und die Demokratische Republik Kongo zu.“
Schließlich weist Ellerbruck
auf einen weiteren Informationsmangel seitens der Medien hin. In einigen eher hoffnungsvollen
Berichterstattungen hatten Friedensforscher und Politiker angegeben, dass vor allem
die Anzahl an kleinen und mittleren Konflikten weltweit insgesamt abnehme. Für extrem
gewaltsame Konflikte jedoch kann der Forscher dies leider nicht bestätigen. Er beobachte
sogar eine eher gegenteilige Tendenz.
„2011 hat das HIIK seit 1945 zum
ersten Mal wieder mehr politische Konflikte beobachtet, die hochgewaltsam geführt
werden. Zwar geht das oftmals in den Medien unter, aber im letzten Jahr gab es besonders
viele Konfliktherde. Im Zuge des Arabischen Frühlings kam es beispielsweise zu zahlreichen
hochgewaltsamen Konflikten, aber auch im asiatischen Raum gab es gewalttätige Auseinandersetzungen,
die in den Medien teilweise vernachlässigt wurden.“