2012-08-10 11:28:08

Subsaharisches Afrika: Konfliktbarometer im roten Bereich


RealAudioMP3 Die gewaltsamen Auseinandersetzungen im subsaharischen Afrika sind zahlreich und scheinen gerade für ausländische Beobachter oft extrem undurchschaubar zu sein. Auch die Medien sind davor nicht gefeit. Immer wieder waren die Staaten Mali, Kongo, Ruanda und Nigeria mit verschiedenen Krisenberichten in der Presse. Und spätestens, seit an diesem Mittwoch auch die Internationale Konferenz der Region der Großen Seen (ICGLR) in Kampala zu keinem Fortschritt gekommen ist, wird klar, wie schwierig eine Auseinandersetzung mit den Konflikten in Afrika ist. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) erstellt jedes Jahr die „Konfliktbarometer“-Analyse, die sich durch genaue Beobachtung und Analyse bemüht, mehr Klarheit in die Situation zu bringen. HIIK Afrikaexperte und Teamleiter Simon Ellerbruck erklärt im Radio Vatikan-Interview die Vorgehensweise seines Instituts:

„Das versuchen wir dadurch, dass wir in unserer jährlichen Publikation, dem „Konfliktbarometer“, alle politischen Konflikte weltweit erfassen und diese in Intensitätsstufen kategorisieren, sie genauer beschreiben und sie dadurch einstufbar machen. Das tun wir, indem wir jede Form von Datenmaterial (von Datenbanken über Zeitungsartikel bis hin zu größeren Publikationen) analysieren, auf Richtigkeit überprüfen und dann alle Ergebnisse in unsere eigene Datenbank eingeben. Auf Basis dieser Datenbank erstellen wir unsere Konfliktberichte, die dann in aktuellen Publikationen aufgegriffen werden.“

Mit einer detaillierten Beschreibung der Konfliktlinien im Kongo etwa hatte sich die Allgemeinheit in den vergangenen Monaten besonders schwer getan. So fand man verschiedene Meldungen, die Tendenzen aufwiesen, entweder dem ideologischen Aspekt auf der einen Seite oder dem wirtschaftlichen Aspekt auf der anderen Seite mehr Gewicht in dem Konflikt zuzuschreiben.

„Zunächst fällt es uns schwer, von reinen Ressourcen- oder reinen Ideologiekonflikten zu sprechen. Diese Dinge spielen auf jeden Fall eine Rolle, und zum Teil können sie eine Ursache darstellen, aber wenn man sich Konflikte anschaut, in denen vor allem der Kampf um Ressourcen eine Rolle spielt, verglichen mit denen, in denen ideologische Motive im Zentrum stehen, dann können wir keine Tendenz von einem Auslöser zum anderen feststellen. Allgemein geht es darum, dass sich Ideologie als Motivation und andererseits der Fokus auf Ressourcen nicht klar abgrenzen lassen, sondern dass sich das oft überlappt. Genau diese Tatsache macht es so schwierig, Konfliktdynamiken zu verstehen.“

So sympathisiert zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo die M23-Rebellengruppe mit den in Ruanda regierenden Tutsis. Die kongolesischen Regierung dagegen versucht mit ihrer Armee sowohl die Hutu-Minderheiten, die aus Ruanda fliehen, als auch den eignen, kongolesischen Teil der Bevölkerung, der den Hutus angehört, zu schützen. Zusätzlich ist das nahe an Ruanda gelegene Grenzgebiet des Nord-Kivu reich an Mineralien, die auch für wirtschaftliche und politische Konkurrenz zwischen den Konfliktparteien sorgen. Doch auch in anderen Regionen Afrikas regiert das Chaos.

„Im letzten Jahr haben wir eine starke Eskalation in Nigeria, die durch die Boko Haram-Sekte provoziert wurde, festgestellt. Des weiteren haben wir mehrere, hochgewaltsame Konflikte im Sudan beobachtet, die natürlich in Zusammenhang mit der Abspaltung des Südens standen. Weitere hochgewaltsame Konflikte haben wir in der Demokratischen Republik Kongo sowie auch in Somalia verzeichnet.“

Es sei häufig eine Kombination von Gründen, die für die Gewalt verantwortlich zu machen sind. Als ein Beispiel für die Multikausalität, auf die sich die Konflikte im subsaharischen Afrika zurückführen lassen, führt er das Beispiel Mali an, das nach den Anschlägen islamistischer Rebellen gegen die Regierung im vergangenen Monat häufig mit Krisenmeldungen in den Medien war.

„Bei diesem Krisenherd kamen mehrere Faktoren zusammen. Anfang des Jahres war der Präsident durch einen Putsch aus dem Amt vertrieben worden. Somit entstand ein Machtvakuum, das den Weg bereitete sowohl für bewaffnete Gruppierungen innerhalb des Nomadenstammes der Tuareg, als auch für die Al Quaida im islamischen Maghreb, die in Kombination mit anderen islamistischen Gruppierungen wie der Ansa Dine und der MUJAO auftreten. Es handelt sich also nie um Monokausalitäten. Es kommen immer viele Faktoren zusammen, die dafür sorgen, dass so ein Konflikt eskaliert. Dasselbe trifft auch für Nigeria und die Demokratische Republik Kongo zu.“


Schließlich weist Ellerbruck auf einen weiteren Informationsmangel seitens der Medien hin. In einigen eher hoffnungsvollen Berichterstattungen hatten Friedensforscher und Politiker angegeben, dass vor allem die Anzahl an kleinen und mittleren Konflikten weltweit insgesamt abnehme. Für extrem gewaltsame Konflikte jedoch kann der Forscher dies leider nicht bestätigen. Er beobachte sogar eine eher gegenteilige Tendenz.


„2011 hat das HIIK seit 1945 zum ersten Mal wieder mehr politische Konflikte beobachtet, die hochgewaltsam geführt werden. Zwar geht das oftmals in den Medien unter, aber im letzten Jahr gab es besonders viele Konfliktherde. Im Zuge des Arabischen Frühlings kam es beispielsweise zu zahlreichen hochgewaltsamen Konflikten, aber auch im asiatischen Raum gab es gewalttätige Auseinandersetzungen, die in den Medien teilweise vernachlässigt wurden.“

(rv 08.08.2012 cs/db)







All the contents on this site are copyrighted ©.