In Syrien geht der
harte Kurs des Assad-Regimes gegen die so genannten Terroristen weiter. Die Achse
Damaskus-Teheran verfestigt sich nach dem Tod von drei iranischen Pilgern in der Hand
der syrischen Rebellen. Und während der humanitäre Notstand sich verschlimmert, gehen
die Kämpfe in Aleppo weiter, so dass die instabile Sicherheitslage die UNO-Beobachter
dazu gezwungen hat, die Stadt zu verlassen. Jeder Tag, der vergeht, fordert mehr als
100 Opfer und in Homs sind bei einem kürzlich erfolgten Angriff Christen und Aleviten
getötet worden. Es handelt sich um eine schwierige Situation, die Forderungen nach
einer sofortigen internationalen Intervention lauter werden lässt – das unterstreicht
der Jesuitenpater Paolo Dall`Oglio, der sich erst vor Kurzem gezwungen sah, das Land
zu verlassen.
„Ist nun der Moment für ein Eingreifen der Staatengemeinschaft?
Sicherlich ja, denn das Risiko, dass das Regime fallen wird, der Bürgerkrieg aber
weiter geht, ist sehr real. Es liegt in der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft,
dieses Risiko zu bannen und die Zivilbevölkerung vor eventuellen Massakern zu schützen.
Gleichzeitig muss die Möglichkeit einer Wiederaufnahme von nationalen Verhandlungen
für eine Befriedung des Landes geschaffen und, in der Phase der Verfassungs- und Regierungsbildung,
allen Gruppierungen der syrischen Gesellschaft ein Platz zugesichert werden.“
Dabei
dürfe Syrien nicht als Terrain dafür genutzt werden, regionale und geopolitische Konflikte
höherer Ebenen auszutragen, insbesondere was Problematiken mit dem Iran oder Russland
betreffe. Man hätte sich, so Dall`Oglio, hartnäckigere Verhandlungen mit den Russen
und den Iranern erwarten können, um den Syrern zu einem wahrhaft neutralen und demokratischen
Land zu verhelfen. Eine vergleichbare Situation habe man nach dem Zweiten Weltkrieg
in Österreich vorfinden können:
„Österreich war nach dem Krieg weder auf
Seiten der NATO, noch auf Seiten des Sowjetblocks, es war aber bereits ein wirklich
demokratisches Land. Das ist das Syrien, das wir wollen: ein Syrien, das bei den geopolitischen
Spielen nicht mitmacht und neutral bleibt, gleichzeitig aber bereit ist, seine Rolle
mit dem interreligiösen Miteinander zu erfüllen, das es auszeichnet. Das Ganze in
einer Demokratie, die auf einer reifen Zivilgesellschaft aufbaut. Dann kann Syrien
eine positive Rolle in der gesamten Region übernehmen, und auch für die Aussöhnung
zwischen den Arabern und Israelis, auf die alle hoffen, arbeiten.“
Der
Bürgerkrieg, so mahnt Dall`Oglio, könnte auch nach einem Fall des Assad-Regimes weitergehen.
Die bewaffneten Unterstützer des Regimes könnten sich versammeln, verstärken und in
der Zone westlich des Flusses Oronte unter dem eventuellen Schutz durch Russland und
Iran verbergen.
„Es ist klar, dass an diesem Punkt die UNO eingreifen müsste,
um die Bevölkerung zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Verhandlungen zwischen
den Bevölkerungsgruppen – allerdings nicht mit dem Regime, denn mit diesem Regime
gibt es nichts zu verhandeln – zu einem nationalen Übereinkommen führen, das die Einheit
des Landes und die Anstrengungen für die Demokratie retten könnte. Es ist kein Kompromiss
bei der Forderung denkbar, dass man von einem Regime zu einer reifen Demokratie kommen
muss.“
Was nun den vor wenigen Tagen erfolgten Angriff auf das Kloster
Mar Musa, das 1982 von Paolo Dall`Oglio wieder begründet und jahrelang seine Heimat
war, betrifft, so sagt er:
„Es handelte sich hier um einen Raubüberfall
bewaffneter Schmugglerbanden an der libanesischen Grenze. Die Situation in der Gegend
zwischen Damaskus und Homs ist durch schwere Anarchie geprägt. Deshalb ist das Vorkommnis
sicherlich Anlass zu großer Sorge, auch um die Zukunft aller Christen in der gesamten
Region. Wenn Anarchie herrscht, leidet notwendigerweise die Bevölkerung, und die Christen,
die sich in der Minderheit befinden, fühlen sich zwischen den Fronten. Deshalb tendieren
sie dazu, das Land zu verlassen. In Damaskus, Homs und Aleppo sind sie schon gegangen,
und an anderen Orten sind sie leider durch das Regime bewaffnet worden. Deshalb beten
wir für unsere christlichen Mitbrüder in Syrien, und wir beten für alle Syrer. Wir
müssen auch die wieder ins Boot holen, die das Regime unterstützt haben, aber nun
wie aus einem schlimmen Traum aufwachen und sich dessen bewusst werden, dass gemeinsam
ein neues Syrien aufgebaut werden muss.“
Padre Dall`Oglio hofft trotz aller
Schwierigkeiten, möglichst bald wieder nach Syrien einreisen zu können. Dennoch sei
ihm sein größtes Anliegen, niemanden mit seiner Anwesenheit in Gefahr zu bringen.
Seine Aufgabe in diesem Moment sei es, für die Versöhnung der Syrer zu arbeiten und
den Dialog unter den Syrern im Ausland zu stärken. Die Exilsyrer, so Dall`Oglio, könnten
eine wichtige Ressource für die Zukunft des Landes darstellen. Seine Arbeit trage
jedenfalls schon erste Früchte:
„Das Schönste ist, dass manchmal diese Syrer,
die im Ausland leben und sich nicht untereinander verständigen konnten, weil sie im
Grunde entweder entschieden für oder gegen das Regime sind, in diesem fremden Kontext
ohne Zensur, Gefängnis, Folter oder Angst, die im Hintergrund drohen, zu einem Dialog
finden. Auch die Unterstützer des Regimes haben Angst vor dem Regime. Manchmal sind
es genau diejenigen, die die meiste Angst haben, sogar hier in Amerika. Sobald es
ihnen gelingt, sich zu öffnen und miteinander zu sprechen, erkennen Sie sich als Bürger
eines neuen Landes, die das Bedürfnis eint, dieses wieder aufzubauen.“