2012-08-08 13:44:26

Syrien: Eingreifen der UNO nötig


RealAudioMP3 In Syrien geht der harte Kurs des Assad-Regimes gegen die so genannten Terroristen weiter. Die Achse Damaskus-Teheran verfestigt sich nach dem Tod von drei iranischen Pilgern in der Hand der syrischen Rebellen. Und während der humanitäre Notstand sich verschlimmert, gehen die Kämpfe in Aleppo weiter, so dass die instabile Sicherheitslage die UNO-Beobachter dazu gezwungen hat, die Stadt zu verlassen. Jeder Tag, der vergeht, fordert mehr als 100 Opfer und in Homs sind bei einem kürzlich erfolgten Angriff Christen und Aleviten getötet worden. Es handelt sich um eine schwierige Situation, die Forderungen nach einer sofortigen internationalen Intervention lauter werden lässt – das unterstreicht der Jesuitenpater Paolo Dall`Oglio, der sich erst vor Kurzem gezwungen sah, das Land zu verlassen.

„Ist nun der Moment für ein Eingreifen der Staatengemeinschaft? Sicherlich ja, denn das Risiko, dass das Regime fallen wird, der Bürgerkrieg aber weiter geht, ist sehr real. Es liegt in der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, dieses Risiko zu bannen und die Zivilbevölkerung vor eventuellen Massakern zu schützen. Gleichzeitig muss die Möglichkeit einer Wiederaufnahme von nationalen Verhandlungen für eine Befriedung des Landes geschaffen und, in der Phase der Verfassungs- und Regierungsbildung, allen Gruppierungen der syrischen Gesellschaft ein Platz zugesichert werden.“

Dabei dürfe Syrien nicht als Terrain dafür genutzt werden, regionale und geopolitische Konflikte höherer Ebenen auszutragen, insbesondere was Problematiken mit dem Iran oder Russland betreffe. Man hätte sich, so Dall`Oglio, hartnäckigere Verhandlungen mit den Russen und den Iranern erwarten können, um den Syrern zu einem wahrhaft neutralen und demokratischen Land zu verhelfen. Eine vergleichbare Situation habe man nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich vorfinden können:

„Österreich war nach dem Krieg weder auf Seiten der NATO, noch auf Seiten des Sowjetblocks, es war aber bereits ein wirklich demokratisches Land. Das ist das Syrien, das wir wollen: ein Syrien, das bei den geopolitischen Spielen nicht mitmacht und neutral bleibt, gleichzeitig aber bereit ist, seine Rolle mit dem interreligiösen Miteinander zu erfüllen, das es auszeichnet. Das Ganze in einer Demokratie, die auf einer reifen Zivilgesellschaft aufbaut. Dann kann Syrien eine positive Rolle in der gesamten Region übernehmen, und auch für die Aussöhnung zwischen den Arabern und Israelis, auf die alle hoffen, arbeiten.“

Der Bürgerkrieg, so mahnt Dall`Oglio, könnte auch nach einem Fall des Assad-Regimes weitergehen. Die bewaffneten Unterstützer des Regimes könnten sich versammeln, verstärken und in der Zone westlich des Flusses Oronte unter dem eventuellen Schutz durch Russland und Iran verbergen.

„Es ist klar, dass an diesem Punkt die UNO eingreifen müsste, um die Bevölkerung zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Verhandlungen zwischen den Bevölkerungsgruppen – allerdings nicht mit dem Regime, denn mit diesem Regime gibt es nichts zu verhandeln – zu einem nationalen Übereinkommen führen, das die Einheit des Landes und die Anstrengungen für die Demokratie retten könnte. Es ist kein Kompromiss bei der Forderung denkbar, dass man von einem Regime zu einer reifen Demokratie kommen muss.“

Was nun den vor wenigen Tagen erfolgten Angriff auf das Kloster Mar Musa, das 1982 von Paolo Dall`Oglio wieder begründet und jahrelang seine Heimat war, betrifft, so sagt er:

„Es handelte sich hier um einen Raubüberfall bewaffneter Schmugglerbanden an der libanesischen Grenze. Die Situation in der Gegend zwischen Damaskus und Homs ist durch schwere Anarchie geprägt. Deshalb ist das Vorkommnis sicherlich Anlass zu großer Sorge, auch um die Zukunft aller Christen in der gesamten Region. Wenn Anarchie herrscht, leidet notwendigerweise die Bevölkerung, und die Christen, die sich in der Minderheit befinden, fühlen sich zwischen den Fronten. Deshalb tendieren sie dazu, das Land zu verlassen. In Damaskus, Homs und Aleppo sind sie schon gegangen, und an anderen Orten sind sie leider durch das Regime bewaffnet worden. Deshalb beten wir für unsere christlichen Mitbrüder in Syrien, und wir beten für alle Syrer. Wir müssen auch die wieder ins Boot holen, die das Regime unterstützt haben, aber nun wie aus einem schlimmen Traum aufwachen und sich dessen bewusst werden, dass gemeinsam ein neues Syrien aufgebaut werden muss.“

Padre Dall`Oglio hofft trotz aller Schwierigkeiten, möglichst bald wieder nach Syrien einreisen zu können. Dennoch sei ihm sein größtes Anliegen, niemanden mit seiner Anwesenheit in Gefahr zu bringen. Seine Aufgabe in diesem Moment sei es, für die Versöhnung der Syrer zu arbeiten und den Dialog unter den Syrern im Ausland zu stärken. Die Exilsyrer, so Dall`Oglio, könnten eine wichtige Ressource für die Zukunft des Landes darstellen. Seine Arbeit trage jedenfalls schon erste Früchte:

„Das Schönste ist, dass manchmal diese Syrer, die im Ausland leben und sich nicht untereinander verständigen konnten, weil sie im Grunde entweder entschieden für oder gegen das Regime sind, in diesem fremden Kontext ohne Zensur, Gefängnis, Folter oder Angst, die im Hintergrund drohen, zu einem Dialog finden. Auch die Unterstützer des Regimes haben Angst vor dem Regime. Manchmal sind es genau diejenigen, die die meiste Angst haben, sogar hier in Amerika. Sobald es ihnen gelingt, sich zu öffnen und miteinander zu sprechen, erkennen Sie sich als Bürger eines neuen Landes, die das Bedürfnis eint, dieses wieder aufzubauen.“

(rv 08.08.2012 cs)








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