Das neuerliche Massaker
an Kirchgängern in Nigeria sorgt für Nervosität bei Polizei und Militär im zentralen
Bundesstaat Kogi. Insgesamt zwanzig Christen, darunter der Pastor, waren am Montag
bei einem Angriff auf den Gebetsraum einer Pfingstkirche getötet worden – diese Zahl
bestätigte am Mittwoch der Polizeichef von Okene. Siebzehn Menschen seien verletzt,
mehrere von ihnen kämpften derzeit um ihr Leben. Am Dienstag kam es zu einem weiteren
Attentat in der Stadt, diesmal auf eine Militärstreife in der Nähe der Hauptmoschee.
Mehrere Soldaten wurden getötet. Hinter den Anschlägen wird die Handschrift der Islamistengruppe
„Boko Haram“ vermutet. Seit Jahren führt die Gruppe in verschiedenen Teilen Nigerias
Terrorattentate auf christliche und muslimische Gebetsstätten durch. Nach Schätzungen
von Nachrichtenagenturen kamen dabei mindestens 1.600 Menschen ums Leben.
„Es
ist gar nicht leicht, hinter dem Agieren von Boko Haram eine Logik zu entdecken“,
sagt im Interview mit Radio Vatikan der Erzbischof von Abuja, John Onaiyekan. „Die
einzige Logik, die ich aufspüren kann, ist die, Unordnung im Land hervorzurufen und
Christen gegen Muslime aufzubringen. Die wollen ein allgemeines Chaos, weil sie denken,
dass sie in einer solchen Situation vielleicht ihre Pläne durchsetzen können. Wer
aber auch nur ein Minimum an Verstand hat, dem müsste klar sein, dass das nicht aufgehen
wird. Aber das sind eben Fanatiker, die folgen keiner Logik – und genau das ist unser
Problem.“
Onaiyekan hält es für unwahrscheinlich, dass sich Christen in
Nigeria gegen Muslime aufhetzen ließen: Beide Gruppen stellen in etwa denselben Bevölkerungsanteil
im Land. Die Muslime hätten sich sehr deutlich von „Boko Haram“ distanziert, so der
Erzbischof. Die Regierung Nigerias – geführt vom christlichen Präsidenten Goodluck
Jonathan – tue mittlerweile mehr für die Sicherheit, aber das reiche noch nicht aus.
Onaiyekan befürchtet nicht, dass viele Christen sich aus Angst vor Attentaten künftig
nicht mehr in die Kirchen trauen.
„Absolut nicht! Hier in Nigeria sind die
Christen ausgesprochen überzeugt, und zwar junge wie alte. Und sie sind alle dazu
bereit, auch weiterhin zur Kirche zu kommen! Das sind ja nur sporadische Episoden
der Gewalt, und es lässt sich wirklich nicht voraussehen, wo die Islamisten zuschlagen
werden. Das hier ist kein allgemeiner Konflikt Moslems gegen Christen; es geht hier
um die Arbeit einer Terrorgruppe, die Moslems wie Christen in Schwierigkeiten bringt.
Die haben ja auch Moscheen überfallen: Das Problem geht also das ganze Land an und
muss von allen zusammen angegangen werden! Allerdings macht das im Moment die Zusammenarbeit
zwischen Christen und Muslimen schwieriger.“
Die Religionsführer auf beiden
Seiten täten schon längst ihr Möglichstes, um Dialog und Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten,
so der Erzbischof: Aber da sei ja auch noch „der politische Aspekt, den man nicht
vernachlässigen“ dürfe. Und das heißt: Aus Onayiekans Sicht stecken hinter den Anschlägen
von Nigeria politische Probleme.
„Was wirklich wichtig ist: Die Christen
in anderen Teilen der Welt sollten sich keine falsche Vorstellung von der Lage in
Nigeria machen. Hier ist keine große Christenverfolgung durch Muslime in Gang! Das
Land ist nicht in diese zwei Gruppen geteilt, die aufeinander losgehen – das stimmt
nicht! Wenn die Welt unsere Lage etwas besser verstehen würde, dann würde uns das
helfen bei unserem Einsatz für ein Land, in dem Christen und Muslime sich endlich
wieder auf einem gemeinsamen Weg sehen!“