2012-07-31 14:28:10

Nicht nur der heilige Petrus...


RealAudioMP3 Nicht nur der heilige Petrus fand seine letzte Ruhe am Mons Vaticanus, dem Vatikanhügel: Tausende von Männern und Frauen der Antike sind auf dem antiken Friedhof beigesetzt, der heute unter dem Vatikanstaat liegt. Rund ums Petrusgrab, also genau unter der Petersbasilika, stapeln sich die Gräber fast übereinander –schließlich wollten die frühen Christen möglichst in der Nähe des Apostels begraben sein. Doch ein paar hundert Meter entfernt davon ruhen die Otto Normalverbraucher des alten Rom bis heute – fast – ungestört. Stefan Kempis berichtet.
Oben: eine Tankstelle, ein Parkplatz, eine Mensa, ein Supermarkt, alles Teil des Vatikanstädtchens. Untendrunter: eine andere Welt. Gräber aus der Zeit vor 2.000 Jahren, wie kleine Häuschen längs einer Straße angelegt. Die ältesten von 23 vor Christus. Die jüngsten – in Anführungszeichen – aus dem Jahr 337.
„Die Ausgrabungsstätte Santa Rosa gehört zu einem viel größeren Bereich: Wir sind hier an der via triumphalis, die am Vatikanhügel entlangführte, und zu beiden Seiten gibt es Gräber. Teil einer Nekropole, die sehr wichtig ist, weil sie außerordentlich gut erhalten ist.“
Giandomenico Spínola ist Archäologe; in der Oberwelt leitet er die Antiken-Abteilung der Vatikanischen Museen. Aber sein Herz schlägt hier unten, in der Unterwelt des Vatikans. „Schon in den dreißiger Jahren wurde hier gebuddelt“, erzählt er. Immer wieder mal gab`s dann weitere Grabungen, 2004 setzte man dann den Spaten an, um aus vielen verschiedenen archäologischen Zonen eine einzige zu machen. Wiedervereinigung unter Tage, auf fünfhundert Quadratmetern. Vierzig Grabhäuschen stehen hier, insgesamt zweihundert Grablegen zählten die Experten.
„Die Bedeutung dieser Ausgrabungen hat vor allem damit zu tun, dass in Rom vor allem die Monumentalgräber sehr gut erhalten sind: Das Mausoleum des Hadrian, das Grab der Cecilia Metella an der Via Appia. Das waren die Grablegen von römischen Kaisern oder von reichen Privatleuten. In unserer Nekropole hingegen findet man vor allem Verstorbene aus dem einfachen Volk. Und dazu gibt es in der Regel kaum schriftliche Quellen; hier lernen wir nun die Bestattungsgewohnheiten der mittleren und einfachen Bevölkerung kennen, der Sklaven und der Freigelassenen.“
Nicht nur in Rom – in ganz Mittelitalien gibt es keinen zweiten Friedhof dieser Zeit, auf dem sich Gräber von Menschen aus allen möglichen Schichten und Milieus finden. In mehrfacher Hinsicht hatte die Nekropole von Santa Rosa Glück: Alles ausgräberische Interesse konzentrierte sich lange auf den prominenten Petrus, nicht auf die Unbekannten am Friedhofsrand. Die von der Schweizergarde bewachten Vatikanmauern schreckten Grabräuber, auf italienisch tombaroli, ab, wie sie anderswo in Rom und Latium bis heute gängig sind.
„Und dann hat auch noch ein Erdrutsch dafür gesorgt, dass diese Gräber ausgesprochen gut erhalten blieben: Wir haben wirklich alle Kultobjekte und alles, was die Römer damals für die Bestattungsriten verwendet haben, genau so gefunden, wie es vor zweitausend Jahren hiergelassen wurde!“
Wenn Giandomenico Spínola tun könnte, was er wollte, dann würde er überall graben: unter der ganzen Vatikanstadt. Er ist sich sicher, dass er da fündig würde.
„Unter einem Großteil des heutigen Vatikans könnten wir mit dem Spaten in der Hand Spuren dieser Nekropole finden: Sie bedeckte ja praktisch den ganzen Teil des Hügels an der Seite des heutigen Stadtviertels Prati! Es ist also ein riesiges Gräberfeld. Das wissen wir, weil wir letztes Jahr eine Grabung mit den modernsten stratografischen Methoden durchführen konnten – dadurch haben wir viel substanziellere Daten über das archäologische Areal gewonnen.”
Stratografie, das ist die Untersuchung verschiedener Schichten. Wie eine Zwiebel läßt sich das unterirdische Rom heute noch schälen, immer ältere Schichten treten dabei zutage. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut; wann immer es in Trümmer sank, wurde einfach oben auf den Trümmern neugebaut. Die Nekropole Santa Rosa unter dem Vatikan läßt sich besichtigen:
„Wir haben einen Besucherweg auf Laufstegen angelegt. Jeder, der kommt, kann die Nekropole von oben besuchen, man ist da außerordentlich nah dran. Außerdem haben wir 11 touchscreen aufgebaut; über sie kann der Besucher eine Rekonstruktion der Gräber sehen oder auch eine 3-D-Aufnahme, um sozusagen in die Gräber hineinzugehen und sich virtuell in ihnen umzusehen.“
Wer die Inschriften liest, dem treten Namen aus der Antike entgegen: Publius Cesilius Vittorinus zum Beispiel. Das war ein Römer aus dem 3. Jahrhundert, dessen Sarkophag ein Halbrelief ziert. Oder die Familie der Passiener, die in der Zeit des Nero und unter der Dynastie der Flavier lebte – zwei Altäre in ihrem Grabraum zeugen davon. Einige Inschriften geben an, woher der Verstorbene kam, welchen Beruf er hatte. Einer war Briefträger, ein anderer kümmerte sich bei den Pferderennen im Zirkus um die Tiere, ein dritter war im Theater des Pompeius – das lag da, wo heute der „Campo de Fiori“ ist – für das Bühnenbild mitzuständig. Alcimus hieß dieser Mann, den ein etwas unbeholfenes Relief auf seiner Grabstele zeigt, Sklave des Nero und Zeitgenosse des Petrus: Zweitausend Jahre nach seinem Tod hat er für uns jetzt wieder ein Gesicht.
(rv 31.07.2012 sk)







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