2012-07-30 14:35:36

Irland: Auf dem Heiligen Berg


RealAudioMP3 Tausende von Menschen von der ganzen Grünen Insel haben am Wochenende den Gipfel des „Croagh Patrick“ erklettert. Diese jährliche Wallfahrt am „Reek Sunday“ gibt es schon seit 1.500 Jahren, ohne Unterbrechung. Anführer der 20.000 Pilger, die es diesmal auf Irlands Heiligen Berg schafften, war Erzbischof Michael Neary Michael Nery von Tuam; er feierte eine der Messen, die es von 8 Uhr früh bis 2 Uhr nachmittags im Halbstundenrhythmus auf dem Gipfel gab. Zur Busse legten viele der Pilger übrigens den Weg barfuss oder teilweise auf Knien zurück.

„Im heidnischen Irland der Antike trafen sich die Menschen, um für eine gute Ernte zu beten. Und in den letzten Tagen des Juli feierten sie jedes Mal ein Erntefest namens Lughnasa. Vermutlich wurde dabei zum Sonnengott und zum Gott Lugh gebetet, der für die Fruchtbarkeit der Erde zuständig war. Als der heilige Patrick im Jahr 432 nach Irland kam, fand er viele solcher heidnischer Pilgerfeste vor und beschloss, diese Form für die Einführung der christlichen Botschaft zu nutzen. Er wählte dafür einen Berg an der Westküste, der über den Atlantik schaut. Das ist ein sehr spezieller Ort, von großer Schönheit…“

Auf diesem 760 Meter hohen Gipfel führte Saint Patrick im Jahr 441 das Wallfahren ein. Sein Vorbild dabei: Moses auf dem Sinai, Jesus am Ölberg. Wie Jesus in der Wüste fastete Patrick zunächst vierzig Tage – damals in völliger Einsamkeit. Heute wäre das nicht mehr möglich, schließlich wird der „Croagh Patrick“ mittlerweile von Zehntausenden besucht, jedes Jahr. Und dennoch:

„Die Wallfahrt ist auch eine Bußübung. Schließlich verlangt es den Menschen sehr viel ab, bis zum Gipfel aufzusteigen. Außerdem wurde an diesem Wochenende oben auch die Beichte gehört. Man erlebt bei dieser Wallfahrt übrigens wie sonst nirgends einen Querschnitt durch die irische Gesellschaft: Da machen Junge wie Alte mit, die Fußfaulen wie die Abenteurer oder Athleten, lauter verschiedene Typen. Manche kommen in Gruppen, manche sind Einzelgänger, und auch Ehepaare sieht man klettern. Der Akzent liegt natürlich auf der Buße – aber er ist auf eine eigenartige Weise verquickt mit Freude und Freiheit. Hinzu kommt, wenn die Sonne herauskommt, die unglaubliche Schönheit des Panoramas, der Hügel rundum und des Meeres.“

Allerdings: Wohl die meiste Zeit ist die Spitze des Heiligen Bergs hinter Nebel versteckt. Vielleicht war es hier oben, dass der heilige Patrick vor anderthalb Jahrtausenden sozusagen das berühmte keltische Kreuz erfand. Er hielt ein Kruzifix vor die Sonnenscheibe und sagte: Von hier kommt die Erlösung – nicht vom Sonnengott, sondern vom Gottessohn. Patrick baute auf dem Berg auch eine Kapelle, deren Mauern heute noch zu sehen sind, unweit einer moderneren Kapelle vom Beginn des 20. Jahrhunderts.

„Es ist auch eine Gelegenheit, in die Fußstapfen unserer Vorfahren zu treten und die Welt einmal mit ihren Augen zu betrachten. Wir sind da nicht nur auf einer spirituellen Pilgerfahrt, sondern machen auch eine kulturelle und historische Reise durch die Zeiten, zusammen mit denen, die vor uns gegangen sind und dazu beigetragen haben, dass wir wurden, was wir heute sind. Wenn wir mit Respekt und Demut in die Fußstapfen der Vergangenheit treten, dann bekommen wir vielleicht auch etwas Weisheit ab, um auf den Wegen der Zukunft zu laufen.“

Einer wollte das an diesem Wochenende schon einmal ausprobieren: der neue päpstliche Nuntius Charles Brown. Auch er schaffte es am Reek Sunday hoch auf den Gipfel.

(rv 30.07.2012 sk)








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