2012-07-26 15:20:54

Kongo: Vielschichtiger Konflikt in Nord-Kivu


RealAudioMP3 Beim Kauf eines neuen Handys denken wir oft nicht daran, dass wir uns damit indirekt an einem Krieg in Afrika beteiligen. Daran erinnert der Leiter des Jesuiten Flüchtlingsdienstes, Pater Peter Balleis. Namentlich geht es um den Konflikt in Nord-Kivu im Kongo. Nun haben die Vereinten Nationen öffentlich Stellung bezogen. Die UNO kritisierte insbesondere die Rolle des Nachbarlandes Ruanda, das in den Auseinandersetzungen eine tragende Rolle spiele. Allerdings müsse langfristig weit mehr Druck ausgeübt werden, sagt Balleis, der eben erst einige Zeit im Krisengebiet verbracht hat. Rebellengruppen und Armeen ändern ständig ihre Allianzen, wodurch der Krieg unkontrollierte Dynamiken entwickle. Im Interview mit Radio Vatikan beschreibt er die Situation.

„In Mweso haben wir am 10. Juli Lager von Binnenflüchtlingen besucht. Dort gab es offensichtlich eine Anordnung, die besagte, dass die Einheiten der kongolesischen Armee nach Goma transferiert werden sollten. Das sah dann so aus, dass in Kachuga fünf Lastwagen voll Gepäck waren. Dort saßen mittendrin die Frauen und Kinder der Soldaten und außerhalb, schwer bewaffnet mit Kalaschnikows und Bazookas, saßen die Soldaten. Und dann, ein paar Kilometer weiter, kamen uns schon die Mai-Mai-Kämpfer entgegen, um die Stellung in Kachuga zu übernehmen, von der die anderen abgerückt sind. Es war in gewisser Weise eine absurde Situation, als die dann zusammen getroffen sind, weil es nur sechs Wochen davor, am 20. Mai, kämpferische Auseinandersetzungen zwischen den Mai-Mai-Kämpfern und der kongolesischen Armee gegeben hatte.“

Nicht nur die Form, die der Krieg annehme, sei komplex. Seine Wurzeln lägen vor allem in den vielschichtigen politischen und wirtschaftlichen Interessensverwicklungen der involvierten Parteien. Neben regionalen, ethnischen und politischen Differenzen stünden auch internationale, wirtschaftliche Motivationen hinter dem Krieg.

„Es hatte etwas geregnet und ein Lastwagen war im Dreck stecken geblieben. Der Lastwagen war voll mit Bananen und es war schwierig, mit den anderen Fahrzeugen vorbeizukommen. Und die Fahrer wollten den Lastwagen einfach nicht abladen, um ihn endlich ihn aus dem Dreck zu ziehen. Unsere Vermutung war: Unter den Bananen sind die Mineralien und das will man nicht offen legen. Die werden mit überladenen Fahrzeigen nach Goma transportiert, und auch in der Nähe unseres Hauses ist eine Steinmühle, um diese Mineralien zu zermahlen. Und dann werden sie weiter transportiert - der Flughafen von Goma ist einer der verkehrsintensivsten überhaupt. Was transportieren die denn dort?“

Insbesondere die umkämpfte Region des Ostkongos ist reich an Mineralien wie Coltan, welches in der elektronischen Industrie verwendet wird.

„Damit kommt auch die Verbindung zu anderen Interessen, die diesen Krieg nähren. Etwas übertrieben gesagt: Wir alle haben den Kongokrieg ständig am Ohr. Wenn wir unsere Mobiltelefone anschalten, dann benutzen wir Materialen, die so einen Krieg auch nähren. Die Verbindung ist da und das finanziert auch den Krieg.“

Zur Zeit gebe es im Kongo sehr viel sexuelle Gewalt. Die Frauen nähmen beim Holzholen mittlerweile sogar eine Vergewaltigung bewusst in Kauf, denn, wenn sie an ihrer Stelle die Männer losschickten, würden diese ohne Zögern getötet. Diese Situation zeige deutlich, was für eine absurde Normalität die Menschen hier als Alltag angenommen hätten. Durch gemeinsame Arbeit wie Frauenbetreuung und Bildungsprojekte versuchten Hilfsorganisationen wie der Jesuiten Flüchtlingsdienst und lokale Kirchengemeinden dem entgegenzuwirken. Den Frauen werde Lesen und Schreiben beigebracht, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

„Und das halte ich für eine gute Weise der Zusammenarbeit, die Ortskirche, die normalen Pfarreien, versuchen das christliche Leben am Laufen zu halten. Ich glaube, dieser Trost und diese Orientierung sind sehr wichtig für die Menschen, denn dort, wo viel Lüge, Gewalt und Negativität sind, da braucht man umso mehr das Wort von Hoffnung und moralischer Orientierung.“

So lange so viele Waffen und Soldaten die Gegend kontrollierten, werde sich nichts ändern. Man müsse die Ursachen dieses komplexen Krieges bekämpfen, damit die Gewalt aufhöre. Allerdings gehe es auch darum, eine komplett neue Mentalität aufzubauen, um den Menschen eine andere Perspektive zu bieten. In diesem Zusammenhang sei auch die kürzlich erfolgte Verurteilung von Thomas Lubanga durch den Menschrechtgerichtshof in Den Haag ein erster wichtiger Schritt gewesen.

„Das hat Auswirkungen, weil damit langsam wieder ein Bewusstsein geschaffen wird, dass man nicht straflos davonkommt. Das ist auch beim Thema sexuelle Gewalt ausschlaggebend. Eine Form der Hilfe ist die direkte Arbeit mit den Frauen, aber eine andere wichtige Maßnahme ist, dass man die Straflosigkeit überwindet und abschafft. Man kommt hier in der Regel mit Vergewaltigung und so weiter völlig straflos davon. Das muss geändert werden und damit verbinde ich auch, dass solche Rebellenführer nicht straflos davon kommen. Darum ist es wichtig, dass langfristig solche Maßnahmen von der internationalen Gemeinschaft ergriffen werden.“

(rv 26.07.2012 db/cs)







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