USA: „Religionsgemeinschaften sollen sich für Würde der Aids-Kranke einsetzen“
In Washington beginnt
an diesem Sonntagabend die 19. Weltaidskonferenz. Bereits am Freitag wurden verschiede
Vorkonferenzen in der US-Hauptstadt organisiert. Eine davon vereinigte Vertreter verschiedener
Religionsgemeinschaften. Astrid Berner-Rodoreda vom evangelischen Hilfswerk „Brot
für die Welt“ war dabei; sie wird auch bei der Internationalen Aidskonferenz vor Ort
sein. Mario Galgano hat sie gefragt, welchen Beitrag Religionsgemeinschaften beim
Kampf gegen AIDS leisten.
„Es geht darum, dass religiöse Organisationen
sehr viele Freiwillige mobilisieren können und eben in der lokalen Gemeinschaft etabliert
sind. Der neue UN-AIDS-Bericht zeigt, dass 98 Prozent der Menschen in Behandlungsprogrammen,
die von religiösen Gemeinschaften oder von der Gemeinde durchgeführt werden, nach
zwei Jahren immer noch in Behandlung sind, während es bei Programmen, die lediglich
in Kliniken stattfinden, gerade einmal 70 Prozent sind. Also wurde einfach noch einmal
aufgezeigt, dass die religiösen Organisationen hier eine wichtige Rolle einnehmen:
40 Prozent der Behandlungen finden in Afrika über religiöse Organisationen statt.
Aber es wurde auch auf die Herausforderungen eingegangen. Schon in seiner Eröffnungsansprache
hat ein Rabbi gesagt: ,Wir haben weiterhin Schwierigkeiten mit der Stigmatisierung.
Nach wie vor erhalten wir stigmatisierende Botschaften aus religiösen Gemeinschaften,
vor allem, was die LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual and Trans, Anm.) Gemeinschaft betrifft‘,
also die Gemeinschaft der Homosexuellen, Bisexuellen und Transgendermenschen.“
Inwiefern
ist das ein Problem für die Religionsgemeinschaften?
„Das ist eine Herausforderung,
aber der müssen sich auch die Kirche und die religiösen Organisationen stellen. Wir
fordern hier Inklusion. Das ist von einer der Bischöfinnen noch einmal sehr prägnant
gesagt worden: ‚Im Christentum geht es nicht darum, Laute auszuschließen, und die
eigenen Vorteile auf Gott zu übertragen, sondern wir sollten alle an den Tisch holen,
jede und jeden, ungeachtet dessen welche sexuelle Orientierung die Leute haben’. Das
fand ich eine sehr schöne Aussage. Man ist auch sehr viel auf die Würde eingegangen.
Wir hatten einen Hindu und eine Muslimin auf dem Podium, wie auch andere Menschen
aus verschiedenen christlichen Traditionen. Und jeder hat noch einmal gesagt, dass
diese Gottähnlichkeit eigentlich in allen Religionen vorhanden ist. Im Hinduismus
durchdringt Gott alles und ist gegenwärtig in Allem und Jedem, auch der Islam hat
die Vorstellung, dass alle rein sind und dass Gott diese Reinheit wieder herstellt.
Diese Gottähnlichkeit ist natürlich auch im Christentum sehr stark präsent. Und diese
Würde darf keinem Menschen genommen werden. Sie darf nicht genommen werden, wenn jemand
HIV-positiv ist.“
Welchen Beitrag leisten denn Religionsgemeinschaften
beim Kampf gegen AIDS?
„Einer unserer Partner ist selbst anglikanischer
Priester. Er hat den Satz geprägt ’HIV ist größer als die Kirche, aber nicht größer
als Gott’. Ich denke, das schließt einfach noch einmal ein, dass wir voneinander und
von den verschiedenen Religionen lernen, wie wir noch besser mit HIV umgehen können.
Sodass wir die Menschen nicht ausschließen, nicht stigmatisieren, sondern dass wir
Menschen willkommen heißen und wirklich die besten Dienste anbieten; von der Prävention
bis zur Behandlung.“
Über die Religionen hinaus, was sind denn die Erwartungen,
auch von den anderen Teilnehmern, an die Welt-AIDS-Konferenz?
„Wir erwarten
natürlich alle, dass durch die hohe Medienaufmerksamkeit HIV wieder höher auf die
politische Tagesordnung kommt. Vor ein paar Tagen kam der neue Bericht von UN-AIDS
heraus, und demnach haben wir einige wichtige Erfolge erzielt. Es haben heute 58 Millionen
Menschen Zugang zur Behandlung, und das ist wunderbar. Aber, sieben Millionen Menschen
brauchen eben noch die Behandlung. Da braucht man natürlich eine internationale Finanzierung,
die ermöglicht, dass wir hier wirklich eine Wende herbei führen können, dass wir wirklich
weiter Fortschritte erzielen.“
Am Dienstag lädt das Weiße Haus Vertreter
und Vertreterinnen verschiedener Glaubensrichtungen und der Hilfsorganisationen zu
einem Gespräch über das Engagement der Kirchen im Kampf gegen AIDS ein. Sie werden
auch dabei sein. Was sind da ihre Erwartungen? Was werden sie dort mitteilen?
„Wir
sind sehr froh über diese Einladung. Sie wurde vom Büro des Weißen Hauses ausgesprochen,
das für Partnerschaften mit „Faith-Based Organisations“ (Religiösen Organisationen,
Anm.) zuständig ist. Wir werden sicherlich über viele „lessons learned“ sprechen,
also über das, was diese religiösen Organisationen bisher erreicht haben. So ähnlich,
wie wir das auch hier auf der Vorkonferenz machen. Wir werden einfach ein bisschen
schauen. Was haben wir erreicht im Kampf gegen HIV, als religiöse Organisation? Und
wo sind noch die Herausforderungen? Das wird auch Thema sein. Das genaue Programm
wird heute noch erstellt werden, aber ich hoffe, dass wir auch noch einmal ausführlich
über den Zugang zu Behandlung sprechen können und über die Hürden, die dort noch genommen
werden müssen.“