Weihbischof Losinger: „Suizid darf keine Lösung sein“
Die Selbsttötung darf
kein Normalfall werden, fordert der Augsburger Weihbischof Anton Losinger. Der Weihbischof
vertritt die Deutsche Bischofskonferenz im Deutschen Ethikrat. Er sieht die Menschenwürde
am Lebensende zunehmend in Gefahr. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hatte
am Donnerstag wider Erwarten kein Grundsatzurteil zur Sterbehilfe abgegeben. Im Gespräch
mit dem Kölner Domradio sagte Losinger:
„Wesentlicher erscheint mir aber
hier die Frage, wie in einer Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland mit der
Frage des Sterbens umgegangen wird. Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft entsteht
ja die Frage, wird Suizid, also die Selbsttötung, ein Element werden, wie menschliches
Leben als Normalfall beendet werden kann. In der Ethik genauso wie in unserer Sicht
des Rechts sagen wir, es darf keine schiefe Ebene geben. Suizid darf keine Lösung
für die Beendigung eines menschlichen Lebens sein.“
Das humane Antlitz
einer Gesellschaft werde gerade dadurch greifbar, wie sie mit den Schwächsten in ihrer
Mitte in einer extremen Lebenssituation umgehe, unterstreicht Weihbischof Losinger.
„Wir
sagen gerade auch in der katholischen Kirche in aller Klarheit, dass das Lebensrecht
eines Menschen und die Würde nicht damit enden, dass ein Mensch krank wird. Wir schlagen
stattdessen andere Elemente vor, mit denen man in einer solchen Situation zur Hilfe
zu kommen kann. Wir zeigen Maßnahmen zur Suizidprävention auf. Die Weiterentwicklung
der Palliativmedizin und auch die Ausweitung eines Hospizangebotes sind von einer
wesentlichen Bedeutung dafür, dass Menschen auch in einer solchen Situation menschenwürdig
leben und menschenwürdig sterben können.“
Die Straßburger Richter rügten
am Donnerstag formale Fehler der deutschen Gerichte - an den restriktiven deutschen
Vorschriften zur Sterbehilfe rüttelten sie nicht. Diese heikle Frage müssten die europäischen
Länder selbst regeln, unterstrich das Gericht. Kläger in dem Fall war ein Mann aus
Braunschweig, Ulrich Koch, dessen Frau Bettina 2002 vor dem eigenen Haus schwer verunglückt
war. 2004 beantragte sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel die Erlaubnis, eine
tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital zu kaufen. Das Institut verweigerte dies. Das
Paar sah keinen anderen Weg, als in die Schweiz zu reisen, wo sich Bettina Koch 2005
mit Hilfe des Vereins Dignitas das Leben nahm. Der Witwer klagte später vergeblich
vor allen deutschen Instanzen einschließlich des Bundesverfassungsgerichts. Schließlich
zog er vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Er sah das Recht seiner
Frau auf menschenwürdiges Sterben und sein eigenes Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens verletzt. Die Straßburger Richter verwiesen darauf, dass über die Beihilfe
zur Selbsttötung in den europäischen Staaten kein Konsens herrsche. Im Moment erlauben
vier europäische Länder den Ärzten, ihren Patienten tödliche Arzneimittel zu verschreiben:
die Schweiz, Belgien, die Niederlande und Luxemburg.