2012-07-20 10:35:18

Weihbischof Losinger: „Suizid darf keine Lösung sein“


RealAudioMP3 Die Selbsttötung darf kein Normalfall werden, fordert der Augsburger Weihbischof Anton Losinger. Der Weihbischof vertritt die Deutsche Bischofskonferenz im Deutschen Ethikrat. Er sieht die Menschenwürde am Lebensende zunehmend in Gefahr. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hatte am Donnerstag wider Erwarten kein Grundsatzurteil zur Sterbehilfe abgegeben. Im Gespräch mit dem Kölner Domradio sagte Losinger:

„Wesentlicher erscheint mir aber hier die Frage, wie in einer Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland mit der Frage des Sterbens umgegangen wird. Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft entsteht ja die Frage, wird Suizid, also die Selbsttötung, ein Element werden, wie menschliches Leben als Normalfall beendet werden kann. In der Ethik genauso wie in unserer Sicht des Rechts sagen wir, es darf keine schiefe Ebene geben. Suizid darf keine Lösung für die Beendigung eines menschlichen Lebens sein.“

Das humane Antlitz einer Gesellschaft werde gerade dadurch greifbar, wie sie mit den Schwächsten in ihrer Mitte in einer extremen Lebenssituation umgehe, unterstreicht Weihbischof Losinger.

„Wir sagen gerade auch in der katholischen Kirche in aller Klarheit, dass das Lebensrecht eines Menschen und die Würde nicht damit enden, dass ein Mensch krank wird. Wir schlagen stattdessen andere Elemente vor, mit denen man in einer solchen Situation zur Hilfe zu kommen kann. Wir zeigen Maßnahmen zur Suizidprävention auf. Die Weiterentwicklung der Palliativmedizin und auch die Ausweitung eines Hospizangebotes sind von einer wesentlichen Bedeutung dafür, dass Menschen auch in einer solchen Situation menschenwürdig leben und menschenwürdig sterben können.“

Die Straßburger Richter rügten am Donnerstag formale Fehler der deutschen Gerichte - an den restriktiven deutschen Vorschriften zur Sterbehilfe rüttelten sie nicht. Diese heikle Frage müssten die europäischen Länder selbst regeln, unterstrich das Gericht. Kläger in dem Fall war ein Mann aus Braunschweig, Ulrich Koch, dessen Frau Bettina 2002 vor dem eigenen Haus schwer verunglückt war. 2004 beantragte sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel die Erlaubnis, eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital zu kaufen. Das Institut verweigerte dies. Das Paar sah keinen anderen Weg, als in die Schweiz zu reisen, wo sich Bettina Koch 2005 mit Hilfe des Vereins Dignitas das Leben nahm. Der Witwer klagte später vergeblich vor allen deutschen Instanzen einschließlich des Bundesverfassungsgerichts. Schließlich zog er vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Er sah das Recht seiner Frau auf menschenwürdiges Sterben und sein eigenes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Die Straßburger Richter verwiesen darauf, dass über die Beihilfe zur Selbsttötung in den europäischen Staaten kein Konsens herrsche. Im Moment erlauben vier europäische Länder den Ärzten, ihren Patienten tödliche Arzneimittel zu verschreiben: die Schweiz, Belgien, die Niederlande und Luxemburg.

(domradio 19.07.2012 mg)








All the contents on this site are copyrighted ©.