Der Moneyval-Expertenbericht
stellt dem Vatikan in Sachen Finanzgebaren ein grundsätzlich gutes Zeugnis aus. Das
sehen auch unabhängige Beobachter so. Der in Aachen lehrende Politologe und Volkswirt
Ralph Rotte hat sich auf wissenschaftlicher Ebene mit den Geldgeschäften im Papststaat
beschäftigt. Er sagte im Gespräch mit Gudrun Sailer, Vatikanstaat und Heiliger Stuhl
bräuchten auch den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.
„Für den Rahmen,
in dem sich das befindet, ist das eine ganz gute Bewertung. Das sagen auch die Experten
von Moneyval selbst: Dafür, dass nur zwei, drei Jahre Zeit war für Reformmaßnahmen,
ist man relativ weit fortgeschritten. Da ist der Vatikan bzw. Heilige Stuhl auf einem
guten Weg, wenn er so weitermacht.“
Es gibt aber noch allerlei Nachholbedarf.
Was muss der Vatikan noch machen, um in Geldgeschäften wirklich transparent zu sein?
„Ich
glaube es sind drei Hauptpunkte: unklare Kompetenzen, mangelnde technische Ausrüstung
und mangelnde Schulung des Personals. Zu den unklaren Kompetenzen: Die vatikanische
Finanzaufsichtsbehörde AIF sollte ja mehr oder weniger alle Institutionen des Heiligen
Stuhles und des Vatikanstaates untersuchen und die Möglichkeit haben, Informationen
über deren Finanzgebaren und Praktiken zu gewinnen. Und da sehen die Experten Nachholbedarf,
weil es ihnen etwas unbestimmt vorkommt, wie das Ganze geregelt ist. Es gibt auf der
einen Seite keine völlig klare Abgrenzung der AIF Kompetenzen, was darf sie überhaupt,
und welche Möglichkeiten gibt es, Informationen in den verschiedenen Institutionen
zu sammeln. Dann gibt es das Problem des revidierten Geldwäschegesetzes, das 2010
erschienen ist, und in dem diese unabhängige Behörde geschaffen wurde. Dieses Gesetz
wurde Anfang dieses Jahres durch ein Dekret ersetzt, und darin – da sind die Experten
offensichtlich etwas kritisch – ist festgehalten, dass jetzt dem Staatssekretariat
die Oberaufsicht zukomme, mit der Begründung, dass es hier darum geht, bestimmte internationale
Verpflichtungen umzusetzen. Deshalb kann man skeptisch sein, inwieweit diese Aufsichtsbehörde
wirklich durchgreifen kann.“
Der zweite große Punkt wäre dann, sagen Sie,
die technisch-organisatorische Basis.
„Ja, etwa beim vatikanischen Geldinstitut
IOR. Da haben die Experten festgestellt, dass die Computerausstattung, die IT, ausbaufähig
ist, dass es Lücken im Risikomanagement gibt, weil es – wie bei anderen Banken üblich
– keine automatischen Warnungen gibt, wenn Transaktionen in geographisch zweifelhafte
Gegenden getätigt werden. Wenn es etwa um Geldwäsche geht, dann klingelt normalerweise
bei jeder Bank bei jeder größeren Transaktion auf die Cayman-Inseln die Alarmglocken
- da müsste man also genauer hinsehen. Oder bei der Terrorismusfinanzierung, wenn
ein Transfer nach Pakistan geht, sehen die da genauer hin. Das kann das IOR offensichtlich
noch nicht. Und der dritte Hauptpunkt ist die mangelnde Erfahrung, die mangelnde Ausbildung
in der Bekämpfung der Geldwäsche, gerade was das Personal der AIF betrifft und was
auch den Gendarmeriekorps angeht, das ja Geldwäschedelikte verfolgen soll.“
Der
Moneyval-Bericht veröffentlicht zahlreiche Vatikan-Interna über Finanz-und Bankgeschäfte,
über bereits getroffene Vorkehrungen, über Zusammenhänge, die teils noch nie an die
Öffentlichkeit gedrungen sind. Kann man aus der Tatsache, dass der Vatikan das in
diesem Klima zulässt, schon ablesen, dass es ihm ernst ist mit mehr Transparenz?
„Ich
glaube schon. Auf der einen Seite gibt es den unmittelbaren Druck der Weltöffentlichkeit,
dass man sich fragt, ob eine Institution mit so hohem moralischen Anspruch es sich
wirklich leisten kann, intransparent zu sein, und vielleicht wirklich Geldwäsche –
zumindest in der Vergangenheit – Vorschub geleistet zu haben. Der Papst selbst betont
stark moralisch-ethische Fragen und religiöse Einschränkungen von Wirtschafts- und
Finanzwesen und Markt; er betont die religiös-moralische Verantwortung, die damit
verbunden wird. Auch das ist ein wichtiger Faktor, sich auf mehr Transparenz hin auszurichten.
Das wird sich früher oder später, wenn der Papst dahinter steht, gegen Widerstände
in der Bürokratie durchsetzen können.“
Wie steht der Vatikan denn nun da
im Vergleich zu anderen Ländern?
„Die Experten betonen in ihrem Bericht,
dass es normalerweise zehn bis 15 Jahre dauert, bis ein Transparenz- und Kontrollsystem
für das Finanzwesen etabliert ist. Der Vatikan hat dafür, dass nur zwei, drei Jahre
Zeit für Reformmaßnahmen war, gute Fortschritte gemacht, das kann man vorzeigen. Ich
habe mir jetzt Berichte der dritten, teils vierten Evaluation, also nach Jahren, teils
Jahrzehnten, von anderen kleinen Staaten angesehen, San Marino oder Monaco, und auch
die haben teilweise noch erhebliche Mängel. Da braucht sich der Vatikan international
nicht zu verstecken.“
In welchen Punkten wurde der Vatikan besonders gelobt?
„Konkret
wird gelobt etwa die strafrechtliche Seite durch die verschiedenen Gesetze, die detailliert
aufführen, nicht nur welche Straftatbestände es gibt, sondern auch wer unter diese
Straftatbestände fällt. Außerdem die Übernahme internationaler Vereinbarungen, etwa
verschiedener UN-Konventionen oder Sicherheitsratsbeschlüsse. Bei allem, was den formal-rechtlichen
Rahmen angeht, ist man sehr zufrieden mit dem Heiligen Stuhl. Wo es krankt, ist immer
die organisatorische Umsetzung und abgeleitet daraus die technische Umsetzung. Aber
das sind möglicherweise Fragen, die teils relativ schnell gelöst werden können, wenn
der Wille da ist.“
Der Vatikan / Heilige Stuhl möchte erklärtermaßen
auf die Weiße Liste der OECD für Länder mit transparenten und vertrauenswürdigen Finanz-
und Bankregeln. Ist der Moneyval-Bericht da jetzt hilfreich oder nicht? An sich haben
ja Moneyval und OECD-Weiße-Liste nichts miteinander zu tun?
„Rein formal
nicht. Moneyval ist ein Expertengremium des Europarates. Die wenden aber Kriterien
der so genannten Financial Action Taskforce an, das ist eine internationale Organisation,
die von der G7 ins Leben gerufen worden ist. Das ist das Zentrum, um das sich alles
dreht. Die berühmte Weiße Liste der OECD ist gewissermaßen der “Heilige Gral“, hinter
dem alle Staaten herlaufen, das ist eine traditionelle Liste, auf der steht, welche
Staaten transparent sind, vor allem in Hinblick auf Steuerhinterziehung und Vermeidung,
Steueroasen zu werden. Das ist also nur ein Teilbereich, Geldwäsche, Terrorfinanzierung
und organisierte Kriminalität müsste man da noch dazu nehmen. Die Liste ist eine Auszeichnung
für jeden Staat, wenn er dort aufgenommen wird. Diese Liste orientiert sich sehr stark
an der Erfüllung von Vorgaben der FATF oder eben von Moneyval. Wenn Moneyval innerhalb
überschaubarer Zeit zufrieden gestellt wird, ist der Weg auf die Weiße Liste der OECD
geebnet, und es ist ein formaler Akt, den der OECD-Rat irgendwann treffen muss.“
Wann
ist die nächste Evaluierungsrunde von Moneyval?
„Die ist üblicherweise
zwei, drei Jahre später. Das geht letztlich so lange wie der Akteur einverstanden
ist, bzw. bis Moneyval irgendwann zufriedengestellt wird. Gegenwärtig gibt es bei
den Gründungsmitgliedern die vierte Runde, das Ganze läuft auch 15 oder 20 Jahre lang.
Die nächste Evaluation wird sehen, ob [der Vatikan] die technischen und organisatorischen
Aspekte behoben hat. Wenn der Vatikan so weitermacht, ist er auf einem guten Weg,
dass er beim nächsten oder übernächsten Bericht mehr oder weniger mit weißer Weste
dasteht.“ (rv 18.07.2012 gs)