2012-07-14 12:23:55

Unsere Betrachtung zum Sonntagsevangelium


RealAudioMP3 Von Pfarrer Ludwig Waldmüller
Liebe Hörerin, lieber Hörer,
mittlerweile ist es schon einige Zeit her, dass ich zweimal die Woche im Fahrschulraum saß. Wir mussten immer eine halbe Stunde vor Beginn des Theorieunterrichts kommen und „kreuzen“, wie das hieß: Wir bekamen einen oder zwei Prüfungsbögen für die Fahrprüfung und mussten die – hoffentlich – richtigen Antworten ankreuzen. „Wer hat an dieser Kreuzung Vorfahrt?“ „Was müssen Sie beim Abstellen des Fahrzeugs beachten?“ oder ganz besonders beliebt: „Zu welcher Annahme könnte der Fahrer des PkWs an der Kreuzung verleitet werden?“ Diese und ähnliche Fragen galt es zu beantworten. Aber nicht nur Kreuzchen mussten gemacht werden, hin und wieder galt es, etwas zu berechnen. Gemäß der „Faustregel“. Was das genau mit einer Faust zu tun hatte, ist mir bis heute nicht ganz klar; aber das Prinzip der Faustregel hat mich fasziniert: Ganz einfache Berechnungen helfen einem, eine schwierige Frage recht schnell zu beantworten. Wie lang der Bremsweg ist, zum Beispiel.
Faustregeln sind, das habe ich in der Fahrschule gelernt, wirklich praktisch. Und ich hab mich immer wieder gefragt, ob es nicht auch in anderen Bereichen Faustformeln und Faustregeln geben könnte, ganz einfache Formeln, die schwierige Berechnungen leicht erledigbar machen. Wie schön wäre es, wenn es eine Faustformel für’s Kirchesein gäbe. Gibt’s nicht? Ich glaube schon, und zwar im heutigen Evangelium. Jesus gibt seinen Jüngern mit auf den Weg, wie sie sich auf ihrer Sendung zu verhalten haben. Einfache, recht gut zu merkende Vorgaben. Faustformeln eben, wie ich finde. Wollen Sie sie hören?
1. Nicht alleine kämpfen
Zuerst einmal ist es mehr als bemerkenswert, dass Jesus seine zwölf Jünger, wie Markus schreibt, in sechs Doppelpaaren aussendet. Wörtlich heißt es im griechischen Urtext des Evangeliums, Jesus sende sie „zwei zwei“ aus, also wirklich zu zweit. Zwei sind können sich auf alle Fälle unterstützen. Oder, wie es im Buch Kohelet im Alten Testament heißt: „Zwei sind besser als einer allein. Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne dass einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet. Außerdem: Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den andern; einer allein - wie soll er warm werden? Und wenn jemand einen Einzelnen auch überwältigt, zwei sind ihm gewachsen und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell.“ Dazu kommt: Durch das Aussenden der Jünger zu zweit macht Jesus sie glaubwürdig: Im antiken Recht, römisch wie jüdisch, braucht es zwei Zeugen, um eine Sache als wahr zu beglaubigen.
Das ist in meinen Augen die erste Faustformel: Kämpft nicht alleine! Dabei ist nicht in erster Linie gemeint, dass wir wie andere zu zweit drauf losgehen sollen und Klingeln putzen; es geht eher, finde ich, um ein Grundprinzip: Christsein bedeutet, in Gemeinschaft für Gott Zeugnis zu geben. So wird es auch nur stärker und glaubwürdiger! Die Faustformel sagt der Kirche von heute, sagt uns: Kirche, Pfarrei, Gemeinde: Es geht um Gemeinschaft, um Miteinander, um gemeinsames Zeugnis.
2. Nicht einrichten
Doch das war nicht die einzige Faustformel dieses Evangeliums. Es geht weiter: Jesus macht seinen Jüngern eines ganz deutlich: Nehmt nichts mit. Kein Brot, keine Vorratstasche, nicht einmal ein zweites Gewand sollen sie anziehen. Und: Nirgendwo fest einziehen! Sucht euch gastfreundliche Menschen, bleibt bei denen, aber geht auch wieder. Das ist wohl der Inhalt der zweiten Faustformel: Liebe Kirche von heute, liebe Christen, richtet euch nicht gemütlich ein. Nein, ich will nicht gegen Möbelhäuser ansprechen, ich meine eher das Einrichten im Leben. Es fällt so leicht zu meinen, man hätte doch jetzt das Richtigste und Wichtigste erreicht, jetzt sei der Moment, alles festzuzurren und sich nicht mehr weg zu bewegen. Wie oft beobachtet man das! Endlich bin ich da, wo ich hinwollte. Am Ziel. Aber genau das darf der Kirche nicht passieren! Die Christen, wir, müssen Menschen bleiben, die sich nicht ihre Nische suchen und sich darin festsetzen. Nichts ist gefährlicher für die Kirche als zu einer Nischengruppe zu werden, die sich einrichtet, es gemütlich macht und sich selbst genügt. Die zweite Faustformel heißt: Richtet euch nicht ein, seid flexibel!
3. Nicht an der Sendung kleben
Doch noch einmal ins Evangelium. Eine dritte Faustformel finde ich: Wie ist das mit den Situationen, in denen die Gesandten Jesu, seine Zeugen, scheitern?! Wenn man sie nicht hören will, wenn sie mit dem Ihren nicht ankommen? Jesus ist ganz klar: „dann geht weiter, und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie.“ Versucht es nicht immer wieder, versteht, wenn jemand euch partout nicht hören will. Ich glaube Faustformel ist diejenige, die uns in der Kirche am schwersten fällt. Wie können wir uns vorstellen, dass uns jemand nicht hören will? Und – mehr noch – können wir akzeptieren, dass wir das eine oder andere Mal einfach gehen müssen? Wie ist das in einer Pfarrei, wenn man feststellen muss, das, was man für so ein tolles Konzept gehalten hat – und was vielleicht auch jahrelang gut angekommen ist –, funktioniert nicht mehr. Niemand interessiert sich mehr dafür. Obwohl man es doch immer schon so gemacht hat. Obwohl’s doch immer gut und richtig war. Obwohl es einem selbst doch so gut gefällt. Aber es will eben keiner hören! Genau da liegt die Crux der Faustformel Jesu: Es darf, es muss zwischendurch der Staub von den Füßen geschüttelt werden. Manche Sache darf, ja muss, sterben. Manche pastorale Leidenschaft, manche Idee, die sich als Schnapsidee herausstellt, muss man aller Trauerarbeit zum Trotz vielleicht verabschieden. Und wir Christen müssen, ja können gar nicht alle erreichen. Das sagt Jesus seinen Aposteln bei der ersten Aussendung. So sehr wir das meinen und es uns wünschen – es wird uns nicht gelingen. Die dritte Faustformel Jesu im Evangelium heißt: Klebt nicht an eurer Idee von der Sendung, die ihr habt. Geht weiter.
Liebe Hörerin, lieber Hörer, drei Faustformeln finde ich im heutigen Evangelium. Faustformeln, die Schwieriges leicht greifbar machen:

Das klingt vielleicht alles ein bisschen hart. Aber es macht den Weg für Jesus unglaublich viel leichter.
(rv 14.07.2012 lw)







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