Bei den Parlamentswahlen
in Libyen zeichnet sich – anders als etwa in Ägypten und Tunesien –ein voraussichtlicher
Sieg der liberalen Kräfte ab. Die liberale „National Forces Alliance“ (NFA) des ehemaligen
Premiers im Übergangsrat, Mahmud Dschibril, soll nach bisherigem Stand vor den Muslimbrüdern
und Salafisten liegen; endgültige Ergebnisse dürften in ein paar Tagen bekannt gegeben
werden. Werden die Liberalen unter der Führung des Gaddafi-Gegenspielers Libyen demokratischer
machen? Der Apostolische Vikar von Tripolis, Bischof Giovanni Innocenzo Martinelli,
sieht mit den ersten Parlamentswahlen in der Geschichte des Landes einen Schritt in
diese Richtung getan. Wir haben an diesem Samstag mit Monsignor Martinelli gesprochen.
„Es
war ein großes Fest der arabisch-islamischen Bevölkerung in Libyen, die mit einem
großen Vorsprung über die anderen Kräfte gesiegt hat. Das Besondere: Es war ein Fest,
die Wahlen waren ein Freudenfest für die ganze Bevölkerung. In Tripolis gab es Hupkonzerte
und Freundschafts-Slogans und Musik. Das mag überraschen, ist aber sicher der echte
Ausdruck dieses Volkes, das endlich eine Möglichkeit hatte, sich auszudrücken, und
zwar sich in der richtigen Form auszudrücken.“
Am Islam als Grundlage des
libyschen Staates werden auch die Liberalen nicht rütteln; in diese Richtung hat sich
Dschibril, der an der Spitze der liberalen Bewegung steht, bereits geäußert. Doch
werden sie unter seiner Führung im ethnisch vielfältigen Libyen Zusammenhalt und Einheit
vorantreiben können? Der apostolische Vikars von Tripolis ist da ziemlich optimistisch:
„Wenn ein guter Teil der Libyer ihn gewählt hat, so denke ich doch, dass
das die Richtung sein wird. Ich kann nicht ihre inneren Angelegenheiten beurteilen,
denke aber, dass der Wille der Libyer ziemlich offensichtlich ist, eine Person zu
haben, die nach 42 Jahren Diktatur das libysche Volk vertritt. Und ich denke, Dschibril
ist die Person, die das schaffen kann, weil er den Applaus und die Zustimmung vieler
Menschen hat. Er ist sicher eine ausgeglichene Person, die viel Konsens auf sich versammelt.“
Dass
dann in der künftigen Volksversammlung die liberale Partei dominieren wird, ist mit
dem möglichen Sieg Dschibrils freilich noch nicht garantiert: Die Parteien können
in Libyen nur 80 der 200 Sitze in der Volksvertretung besetzen; die Mehrheit der Plätze
soll unabhängigen Bewerbern vorbehalten werden. Martinelli zeigt sich vor diesem Hintergrund
dennoch zuversichtlich, dass die Partei von Dschibril – der selbst aufgrund der Wahlgesetze,
die ehemaligen Vertretern der Übergangsregierung den Weg ins Parlament versperrt,
kein Abgeordneter werden kann, aber in Zukunft vielleicht Präsident werden könnte
– die politische Linie der Volksversammlung bestimmen wird:
„Ich denke,
dass Dschibril das Gleichgewicht halten wird und den nötigen Konsens haben wird, um
eine ausgeglichene und gerechte Regierung aufzubauen.“
Wie hat die christliche
Diaspora-Gemeinde in Libyen die Wahlen aufgenommen? Und wie gestaltet sich der interreligiöse
Dialog? Dazu hören Sie mehr im Radio Vatikan-Programm am kommenden Montagabend.