10 Jahre Weltstrafgericht in Den Haag: „Urteil mit Signalwirkung“
Zehn Jahre besteht
der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, jetzt gab es das erste Urteil mit
Strafverhängung in der Geschichte des Weltstrafgerichtes: An diesem Dienstag wurde
der Milizenführer Thomas Lubanga für seine Gräueltaten und insbesondere den Einsatz
von Kindersoldaten während des Bürgerkriegs in der Demokratischen Republik Kongo zu
14 Jahren Gefängnis verurteilt. Vor Kurzem hatte das Sondergericht für Sierra Leone,
das im Gebäude des Internationalen Strafgerichtshofes untergebracht ist, ein Aufsehen
erregendes Urteil gegen den ehemaligen Diktator Liberias, Charles Taylor, gefällt:
Für seine Kriegsverbrechen im Nachbarland Sierra Leone wurde er Ende Mai zu 50 Jahren
Gefängnis verurteilt. Peter Hecking ist als Afrikareferent beim katholischen Hilfswerk
missio in Aachen tätig. Wir haben ihn gefragt, wie er das Urteil gegen Taylor einordnet:
„Die
Verurteilung war sehr wichtig, weil damit ein klares Signal der Abschreckung letztlich
an alle Führer auf dem afrikanischen Kontinent gegeben worden ist. Im Hinblick auf
die Situation in Sierra Leone und das, was Taylor während seiner Regentschaft in Liberia
geschehen ließ und unterstützt hat – Stichwort Blutdiamanten für Waffen; das gehörte
verurteilt und ich denke, da ging auch eine große Erleichterung durch beide Länder.
Speziell in Sierra Leone war das zu beobachten. Gerechtigkeit ist also geschehen."
Andererseits
beklage die Kirche, dass zu wenig für die vielen Tausend Verwundeten, die der mehr
als zehnjährige Bürgerkrieg in Sierra Leone zurück gelassen hat, getan werde. Hecking:
„Denken
Sie nur an die etwa 20.000 auch heute noch jungen Leute, die von den RUF-Rebellen,
die Taylor damals unterstützt hat, während des Krieges auf bestialische Weise ihrer
Arme und Beine beraubt wurden. Die gehören nun zu den Ärmsten im ohnehin drittärmsten
Land der Welt, und die Kirche versteht sich dort als Anwältin genau dieser bedauernswerten
und unschuldigen Menschen. Ihr Anliegen ist, dass gerade denen Gerechtigkeit widerfährt,
die man mit Unterstützung von Taylor für den Rest ihres Lebens zu Krüppeln gemacht
hat, die man verstümmelt, vergewaltigt und hilflos zurück gelassen hat. Es muss noch
weiter deutlich gemacht werden, dass diesen Menschen geholfen werden muss. Aber ganz
sicher wird das Urteil als ein wichtiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit gesehen.“
Dabei
könne das Urteil gegen Taylor, aber auch alle anderen Urteile in diesem Kontext zum
Rechtsbewusstsein in den betroffenen Ländern beitragen. Dennoch blieben offene Wunden,
die wie in Sierra Leone auch in anderen afrikanischen Staaten schmerzten:
„Wenn
sich man die Situation in Sierra Leone ansieht, da hinterfragen die Menschen natürlich
auch die enormen Prozesskosten, die angefallen sind – man spricht von 50 Millionen
Dollar, die der Prozess verschlungen hat. Aus meiner Sicht, aus unserer Sicht ist
es wichtig, dass man diese Kosten aufbringt, um einen solchen Mann vor Gericht zu
stellen und ein Urteil zu fällen. Aber die Leute hinterfragen das natürlich vor dem
Hintergrund ihrer täglichen Erfahrungen. Sie haben kaum genug zum Überleben. Und vor
allem erleben sie in ihrem Land das sehr grobmaschige Justizsystem. Die meisten können
sich eine gerichtliche Klärung von Unrecht gar nicht leisten. Die Prozesse werden
auf Englisch geführt, so dass Übersetzer benötigt werden. Sierra Leone hat circa sechs
Millionen Einwohner, und es gibt nur 16 Richter. Neun davon sitzen in der Hauptstadt,
in der immerhin 1,5 Millionen Einwohner leben, aber die übrigen sieben Richter sind
für den Rest des Landes zuständig, wo mehr als 70 Prozent der Menschen leben. Für
den Großteil der Einwohner existiert die Justiz also nicht. Viele der armen Leute
in den Straßen von Freetown sehen mit Unverständnis, das Charles Taylor für den Rest
seines Lebens in einem komfortablen Gefängnis in Holland sitzt, während sie selbst
täglich um ihr Überleben kämpfen müssen“.
Der Internationale Strafgerichtshof
in Den Haag wurde am 1. Juli vor zehn Jahren gegründet. Er ist für die Verfolgung
von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Verfolgung von Völkermord
zuständig. 121 Staaten sind dem Statut des Gerichtshofs bislang beigetreten. Aktuell
ist einer der brisantesten Fälle, die vor dem Gericht verhandelt werden, die Anklage
gegen den ehemaligen Serbenführer Radovan Karadžić.