Israels scheidender
Botschafter beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy, wünscht sich „mindestens zwei lateinische
Bistümer“ in Israel. Das sagte der Diplomat an diesem Dienstag vor Journalisten zum
Abschied aus seinem viereinhalbjährigen Dienst in Rom. Die katholische Gemeinde in
Israel wachse und verändere sich beständig, was der Heilige Stuhl auch im Blick habe.
Er, Lewy, würde es sehr begrüßen, wenn der Patriarchalvikar für die hebräischsprachigen
Katholiken in Israel wieder zum Bischof aufgewertet würde. Auch in Nazareth sei aus
seiner Sicht ein lateinischer Bischofssitz vorstellbar.
„Die Herabstufung
des Leiters der hebräisch sprechenden katholischen Gemeinde von Bischof auf Vikar
sollte rückgängig gemacht werden und wieder ein Bischof – wenn auch bloß ein Weihbischof
– eingesetzt werden. Das wäre ein Signal in die richtige Richtung, nämlich die Bedeutung
(herauszustellen), die man dieser Gemeinde beimisst; das wäre auch zukunftsweisend.“
Lewy
hob mehrere positive Entwicklungen im Verhältnis zwischen Heiligem Stuhl und Israel
während seiner Amtszeit hervor. Zum einen stünden die seit Jahren andauernden zähen
Finanz- und Steuerverhandlungen vor der Unterschrift, „nur noch einige juristische
Fragen“ seien zu klären, während die materiellen und wesentlichen Fragen bereits gelöst
seien.
„Es ist allen klar und wird auch von vatikanischen Stellen bestätigt:
das sind die letzten Hürden, die geblieben sind.“
Zum anderen habe Israel
entschieden, in Zukunft keine Visa mehr von Personen zu verlangen, die einen Pass
des Heiligen Stuhles hätten. Das sei „ein echte Hochstufung“ des Vatikans auf die
Ebene der mit Israel befreundeten Staaten, erklärte der Diplomat.
Ausdrücklich
würdigende Worte fand der israelische Diplomat über Benedikt XVI., der 2009 in einer
vielbeachteten Reise Israel besucht hatte. Wenige Monate davor hatte der Papst die
Exkommunikation der vier traditionalistischen Bischöfe der Piusbruderschaft aufgehoben.
Einer von ihnen hatte den Holocaust geleugnet, was der Papst zum diesem Zeitpunkt
nicht wusste; Lewy bezeichnete den Vorgang als „Arbeitsunfall". Was eine eventuelle
Wiederaufnahme der Piusbruderschaft in die Kirche betrifft, sagte Lewy, er sei überzeugt
davon, dass der Heilige Stuhl „keine Ausnahmen dulden“ werde.
„Ich bin
mir gewiss, dass die maßgeblichen Vertreter der katholischen Kirche, die die Verhandlungen
führen, ihren Grundsätzen treu bleiben werden, dass die Kirche ihrer eigenen Lehre
nicht widerspricht, nämlich jener Lehre, die mit Nostra Aetate verbunden ist. Wenn
ich alles, was ich höre, vom Papst, von Kardinal Koch, vom jetzigen Verhandlungesführer
Monsignor Di Noia, zusammennehme, bin ich sicher, dass sie ihren Grundsätzen treu
bleiben werden.“
Die Piusbruderschaft feiert die Messe nach den alten Büchern
und mit der alten Karfreitagsfürbitte für die Bekehrung der Juden und will das Konzilsdokument
„Nostra Aetate“ über die Anerkennung der anderen Religionen nicht akzeptieren.
Eben
dieses Dokument hat Papst Benedikt aus Sicht des israelischen Diplomaten mit seinem
Zurückweisen einer Generalschuld der Juden am Tod von Jesus im zweiten Teil seines
Jesusbuches auf hochwillkommene Art bestätigt. Lewy:
„Es kann nicht genug
wiederholt werden, weil eine Kirchenlehre, die 1965 verabschiedet wurde, Nostra Aetate,
muss im Grund bis zum letzten Kirchenwinkel durchdringen, was ja nicht der Fall ist.
Es erfasst ja nur einen Teil der katholischen Gemeinden – manche mehr, manche weniger.
Ich glaube, wenn ein amtierender Papst das in seiner Interpretation, in seiner Lehre,
in seinen Reden, in seinen Predigten wiederholt: das hilft.“
„Antisemitische
Tendenzen“ in bestimmten Teilen der katholischen Kirche wollte Lewy nicht bestätigen.
„Ich will das Wort antisemitisch nicht überstrapazieren, es wird zu oft benutzt“,
so der Diplomat.
Seine Zeit als Botschafter beim Heiligen Stuhl bezeichnete
Lewy wörtlich als „interessanter als ich dachte“. In seine Amtszeit fielen mehrere
Entscheidungen Papst Benedikts, die in der jüdischen Welt für Aufregung sorgten. Neben
der möglichen Wiederaufnahme der Piusbruderschaft in die katholische Kirche waren
das beispielsweise die Wiederzulassung des alten Messritus mit der vom Papst neu formulierten
Karfreitagsfürbitte oder die Zuerkennung des „heroischen Tugendgrades“, ein Schritt
auf dem Weg zur Seligsprechung, für den Weltkriegspapst Pius XII.
Zur Fürbitte
„für die Bekehrung der Juden“ in der außerordentlichen Form des römischen Ritus sagte
Lewy, das Problem sei aus seiner Sicht diese Überschrift und nicht der – vom Papst
eigens modifzierte – Text des Gebets. Pius XII., dem Kritiker bis heute ein „Schweigen“
zum Holocaust vorwerfen, sei ein „komplexes, schmerzhaftes Thema“, zu dem es im israelischen
Außenamt keine einheitliche Meinung gebe.
„Es ist ein sehr emotionales
Thema. Ich glaube abschätzen zu können, dass in der Zeit dieses Papstes das Thema
(Seligsprechung Pius XII.) unter „ferner liefen“ einzuordnen ist. Es erzielt nicht
die Schlagzeilen, die vielleicht manche haben wollten. Und ich würde alles tun, damit
das auch so bleibt.“
Er plädiere jedenfalls dafür, die Frage einer Seligsprechung
und die Frage der Öffnung des vatikanischen Geheimarchivs getrennt zu behandeln.
„Es
ist ein Trugschluss, dass die beiden Sachen verbunden sind. Uns interessiert die Seligsprechung
nicht, das ist eine interne kirchliche Angelegenheit. Was wir uns durchaus wünschen,
ist die Öffnung der Archive. Erst dann wird man sich eine verantwortliche Meinung
bilden können. Wie sie ausfallen wird, lassen wir offen. Wir erwarten diese Öffnung
hoffentlich bald.“
Einige Historiker vermuten in den Magazinen des päpstlichen
Archivs noch aufschlussreiches Material über die Haltung Papst Pius XII. zur Rassenverfolgung
während des II. Weltkriegs; das Archiv bereitet die entsprechenden Bestände derzeit
auf, um sie der Forschung in wenigen Jahren zugänglich zu machen. Zu der jüngst angebrachten
neuen Bildunterschrift unter einem Foto Papst Pius XII. in der Holocaust-Gedenkstätte
Yad Vashem sagte Lewy, die Frage sei nicht in sein Kompetenzgebiet gefallen.