Bei den Steyler-Missionaren auf den Spuren des Konzils
Es war ein kurzer,
aber besonderer Besuch an diesem Montagmorgen: Papst Benedikt XVI. war bei den Steyler
Missionaren in Nemi zu Gast. Die Reise führte ihn nicht sehr weit weg von seinem Sommersitz
– etwa 20 Minuten benötigt man im Auto dorthin. Begrüßt wurde der Papst im Zentrum
„Ad Gentes“ vom neuen Generalsuperior der Steyler-Missionare, dem Deutschen Heinz
Kulüke, der dem Papst ein Gruppenfoto aus dem Jahr 1965 überreichte. Es zeigt den
damaligen Theologen Joseph Ratzinger in Nemi zusammen mit Bischöfen und anderen Konzilsberatern,
die an dem Textentwurf für das Konzilsdokument mitgearbeitet hatten. Anschließend
hielt der Papst vor den rund 150 Teilnehmern des Generalkapitels der Ordensgemeinschaft
eine kurze Ansprache. Der Papst:
„Ich bin sehr froh, dass ich nach 47 Jahren
nochmals hierher kommen durfte. Ich hatte in der Tat eine sehr schöne Erinnerung.
Das zählt vielleicht sogar zu den schönsten Erinnerungen an das Zweite Vatikanische
Konzil. Hier traf ich großartige Theologen, die einen so wichtigen und schönen Auftrag
hatten, nämlich ein Dekret über die Mission vorzubereiten.“
Der damalige
Generalsuperior der Steyler Missionare, Johannes Schütte, hatte vom Konzil den Auftrag
erhalten, einen Entwurf des Dekrets vorzubereiten. Der Papst:
„Ich erinnere
mich gut an den Ordensoberen jener Zeit, Pater Schütte, der in China gelitten hatte,
er war verurteilt und dann des Landes verwiesen worden. Er war voller missionarischer
Dynamik und fühlte die Notwendigkeit, dem missionarischen Geist einen neuen Schwung
zu geben. Und er hatte mich: einen Theologen ohne große Bedeutung, sehr jung, der
eingeladen war, ohne zu wissen warum.“
Ein „großes Geschenk“ sei diese
Einladung für ihn gewesen, fuhr der Papst fort, ein geistliches Wachsen. Über das
Missions-Dekret, das in Nemi entstand, erinnerte sich Benedikt so:
„Da
gab es diese Kontroverse, die ich nie richtig verstanden habe: Ist das Hauptziel der
Mission nun die Einpflanzung der Kirche oder die Verkündigung des Evangeliums? Aber
alles floss zusammen in einen einzigen Dynamismus, der Notwendigkeit nämlich, das
Licht des Wortes Gottes zu bringen, das Licht der Liebe Gottes in der Welt, und dieser
Verkündigung eine neue Freude zu verleihen.“
Für ihn sei „Ad Gentes“ auch
eine gute Ergänzung zu „Lumen Gentium“, also zum lehramtlichen Dokument des Konzils
über die Kirche, so der Papst. In Ad Gentes werde nämlich eine trinitarische Auffassung
vom Wesen der Kirche deutlich, die besonders von der klassischen Idee ausgehe, dass
das Gute in sich die Notwendigkeit hat, über sich hinauszugehen, sich mitzuteilen
und zu verschenken:
„Was gut ist, kann nicht in sich selbst bleiben, die
Gute ist wesentlich Mitteilung. Und das erscheint im Geheimnis der Dreifaltigkeit,
in Gott, und verbreitet sich in der Heilsgeschichte und in unserer Notwendigkeit,
anderen das Gute zu geben, das wir empfangen haben.“
Er freue sich mit
den Steyler Missionaren, dass ihr Orden blühe, so der Papst weiter:
„Der
missionarische Dynamismus lebt, und er lebt nur, wenn die Freude des Evangeliums da
ist, wenn wir in der Erfahrung des Guten stehen, das von Gott kommt und sich mitteilen
muss und will.“
Der rund halbstündige Besuch des Papstes hatte rein privaten
Charakter, wie der Vatikan mitteilte. Unter den Gastgebern begrüßte den Papst auch
P. Antonio Pernia, der ehemalige Generalsuperior der Steyler-Missionare. Im Gespräch
mit Radio Vatikan sagte P. Pernia zur Papst-Visite:
„Es war ein privater
Besuch. Die Atmosphäre war sehr freundlich und es gab keine vorbereiteten Reden. In
gewisser Weise kann man sagen, dass es eine Art Familienbesuch war. Wir waren alle
sehr aufgeregt, aber auch sehr beeindruckt, in welcher Art und Weise der Papst mit
uns sprach.“
Der junge Theologe Ratzinger hatte als Berater des Kölner
Kardinals Josef Frings an einem Entwurf für das Konzilsdokument über die Mission mitgewirkt.
Eine erste Fassung des Dekrets hatte eine große Mehrheit der Konzilsväter im Herbst
1964 abgelehnt, obwohl Papst Paul VI. zuvor in einem beispiellosen Vorgang die Konzilsaula
betreten hatte und die Versammlung zu ihrer Annahme aufgerufen hatte. Der neue Text
wurde schließlich am 7. Dezember 1965 verabschiedet, einen Tag vor Abschluss des Konzils.
Er erhielt die größte Zustimmung unter allen 16 Konzilstexten: 2.393 Konzilsväter
stimmten mit „Ja“ und nur 5 mit „Nein“.